Der Fall Waheed Bektash

Ende letzten, Anfang dieses Jahres gelang es, in einer großartigen Kooperation von PEN International, deutschem PEN, Auswärtigem Amt, Bundesinnenministerium, BKM, GIZ, Ausländerbehörden und „Luftbrücke Kabul“, zehn gefährdete PEN-Mitglieder und ihre Familien, etwa 100 Personen insgesamt, aus Afghanistan nach Deutschland zu evakuieren und über das Bundesgebiet zu verteilen. In allen Bundesländern bekamen die Schriftsteller*innen Wohnungen zugewiesen, nur in Bayern landeten sie in Lagern.

Dastgir Farhood, ein junger Dichter, Mitglied des PEN Afghanistan und des PEN Deutschland, ist mit Frau und Kind in der Flüchtlingsunterkunft in Geretsried untergebracht, in einem Raum von etwa acht qm für drei Personen zwischen Holzwänden, dazu eine Küche, eine Dusche für circa zwanzig Familien, die Toilette wochenlang kaputt.

Akut ist der Fall von Waheed Bektash: Der bekannte Lyriker, Journalist, Gründer einer News Agentur, Mitglied des PEN Afghanistan und des PEN Deutschland, wohnte bis jetzt in Freiham. Heute musste er das Lager verlassen und mit seiner Familie in die knapp 60 km entfernte Flüchtlingsunterkunft in Langenbach wechseln, wie er dort hinkommt, bleibt ihm überlassen.

Als Gründe für die Entscheidung schreibt die Regierung von Mittelfranken:

  1. Bei einer routinemäßigen Kontrolle wurden in seinem Zimmer Bierdosen gefunden – Alkoholkonsum ist im Lager verboten;
  2. Im Zimmer der Kinder fand sich ein Teppich, der zuvor unbeanstandet bei anderen Bewohnern lag. Gleichwohl heißt es im Schreiben der Regierung an Waheed Bektash: „Das Aufstellen von zusätzlichem Mobiliar, wie Teppiche, sind grundsätzlich nicht gestattet, da der Brandschutz durch sie nicht mehr gewährleistet werden kann. Zudem lag auch keine Genehmigung der Verwaltungsleitung vor“.
  3. Waheed Bektash hat sich nicht an den Putzplan gehalten.

Festgestellt wurde das alles bei mehrfachen unangekündigten Kontrollen der Verwalterin, begleitet von ihren Drohungen – im Namen der Regierung! –, die Familie nach Afghanistan zurückzuschicken.

Am 21. Oktober kam eine Abmahnung, der eine Vertreterin der Diakonie im Namen der Familie widersprach.

Am 31. Oktober kam der Bescheid, dass die Familie am 2. November nach Langenbach umziehen muss – binnen zwei Tagen!

Warum diese Eile? Ein Zufall, dass dies über einen Feiertag geschieht, an dem weder die Hausverwaltung noch die Behörden erreichbar sind?

„We have been disrespected physically and emotionally“, „They destroy our future“, schreibt Waheed Bektash in verzweifelten Briefen.

Als Kritiker des Regimes ist Waheed Bektash den Taliban entkommen. Die Familie ist traumatisiert, hat eine monatelange Flucht hinter sich und darf hier nicht ankommen. Die Menschen kämpfen mit einer neuen Umgebung, einer fremden Sprache, dem Verlust ihrer Arbeit, ihres Zuhauses, ihrer Freunde, und sie sorgen sich um ihre Familie in Afghanistan. Die Kinder und die Schwester, gerade eben integriert in den Schulen, werden nach wenigen Monaten aus allem herausgerissen und müssen in Langenbach wieder von vorn beginnen. Sie sehen die Möglichkeiten für Geflüchtete aus der Ukraine, sie möchten lernen, eine Ausbildung machen, etwas leisten, für diese Gesellschaft. Sie haben ideale Vorstellungen von Demokratie in Deutschland. Stattdessen erleben sie beschämende, entwürdigende Drohungen und überzogene Maßnahmen einer offensichtlich überforderten Heimleitung.

Der PEN Deutschland protestiert aufs Schärfste gegen diesen Umgang mit seinen Mitgliedern, mit Geflüchteten überhaupt, und fordert die Einhaltung der Menschenrechte, was gerade auch im weltoffenen Bayern eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

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