EU-Einwegplastik-Richtlinie: Wie sieht es mit der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten aus?

Der Bericht Single Use Plastics Directive Implementation Assessment Report* (Einwegplastik-Richtlinie, Umsetzung und Bewertung) von Seas At Risk zeigt, dass viele EU-Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der EU-Einwegplastik-Richtlinie weitere Fortschritte erzielten, andere dagegen immer noch weit hinterherhinken.

Am 5. Juni 2019 verbot die EU mit der Richtlinie (EU) 2019/904 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (Single-Use Plastics Directive/SUP) die Verwendung von 10 Einwegkunststoffprodukten. Dazu gehören u. a. Einweggeschirr aus Plastik und aus „Bioplastik“, Trinkhalme oder Einwegbehälter aus Styropor. Damit wollte man eine Vorreiterrolle beim Kampf gegen die Plastikverschmutzung der Ozeane übernehmen. Ziel ist es, die Meeresverschmutzung durch Plastik um 70 Prozent zu reduzieren.

Bis zum 3. Juli 2021 hatten die Mitgliedsländer Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Erfolge und Versäumnisse

In diesem Jahr kamen Luxemburg, Zypern, Slowenien, Lettland, Dänemark und Portugal zu den Spitzenreitern der letztjährigen Bewertung (Griechenland, Frankreich und Schweden) hinzu.

In fünf Mitgliedsstaaten stießen die Umweltschützer dagegen auf große Defizite (Kroatien, Slowakei, Bulgarien, Rumänien und Tschechische Republik). Länder wie Italien verstoßen sogar gegen Bestimmungen der Richtlinie. Denn Italien hat biologisch abbaubare Kunststoffe von einigen seiner Reduktionsmaßnahmen ausgenommen.

Kein Musterknabe: Deutschland

Die Bundesregierung hat als einen Beitrag zur Umsetzung der EU-Einwegplastik-Richtlinie eine Verpflichtung für gastronomische Betriebe eingeführt, nur noch wiederverwendbare To-go-Behälter anzubieten. Diese gilt jedoch nur für Betriebe, die größer als 81 Quadratmeter sind und mindestens sechs Mitarbeiter haben. Außerdem gilt dies erst ab 2023.

Seit 2022 sind immerhin fast alle bis dahin geltenden Ausnahmen von der Pfandpflicht für Einweggetränkeflaschen und -dosen aus Plastik weggefallen. Für Milch und Milchprodukte gilt das Pfandsystem allerdings erst ab 2024. „Deutschland zeigt wenig Ehrgeiz und geht kaum über die Vorgaben der Einwegplastik-Richtlinie hinaus. Deshalb sind wir von einer Plastikwende zum Schutz der Meere und der Umwelt noch meilenweit entfernt“, bedauert der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz.

Wenn der Bock zum Gärtner wird: Meeresschützer fordern mehr Ehrgeiz

In allen Mitgliedsstaaten gibt es jedoch generell Defizite bei der Durchsetzung der verabschiedeten Verbote. Verbotene Einwegplastikprodukte sind aufgrund von Greenwashing-Strategien (z. B. löchriges Verbot von Einwegplastiktüten in Deutschland) und verkauften Lagerbeständen immer noch auf dem Markt.

In den meisten EU-Ländern gibt es zudem keine nationalen Sensibilisierungsstrategien. Vielfach blieb es den Kunststoff- und Verpackungsherstellern überlassen, die Sensibilisierungsziele zu erreichen (Deutschland, Schweden, die Slowakei, Lettland und Litauen).

„Die EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Verschmutzung durch Einwegkunststoffe haben das Potenzial, weltweit führend zu sein. Dies wird jedoch nur möglich sein, wenn die Regierungen die verbleibenden Lücken schließen“, verdeutlicht Frédérique Mongodin, Senior Marine Litter Policy Officer bei Seas At Risk. „Zum Beispiel ist es ein Fehler, Sensibilisierungskampagnen in die Verantwortung der Kunststoffhersteller zu stellen. Die Bürgerinnen und Bürger von morgen sollen ihren Plastikmüll nicht nur an der richtigen Stelle entsorgen können, sondern auch und vor allem darüber informiert werden und die Möglichkeit haben, Alternativen zum Einwegweg zu wählen. Dieser Kulturwandel kann von den Produzenten aufgrund des automatisch bestehenden Interessenkonflikts nicht erreicht werden.“

Mehrsprachige interaktive Europakarte

Ergänzt wird der Bericht durch eine mehrsprachige interaktive Karte. Hier stellt Seas At Risk über 180 bewährte Verfahren zur Reduzierung von Plastikmüll aus der EU, England, Norwegen und der Schweiz vor. Die Umweltschützer wollen damit Behörden, Unternehmen, Schulen, lokale Gemeinden und Verbraucher ermutigen, Einwegkunststoffe zu reduzieren.

Zum Hintergrund

Rund drei Viertel des Mülls in den Ozeanen besteht mittlerweile aus Kunststoffabfällen (Plastik). Nach Angaben des world ocean review landen jährlich zwischen 8,2 und 12,2 Millionen Tonnen Plastikteile im Meer. Etwa 40 Prozent davon sind Einwegplastik-Produkte. Weltweit sterben unzählige Meerestiere, weil sie Plastikteile verschlucken oder sich darin verheddern. Plastikmüll belastet die Meere mit Umweltgiften und verschärft die Klimakatastrophe.

Die EU-Einwegplastik-Richtlinie setzt zusätzlich ehrgeizige Ziele bei der Verbrauchsminderung von anderen Gegenständen wie Bechern und Nahrungsmittelbehältern. Außerdem soll eine erweiterte Herstellerverantwortung für Nahrungsmittel- und Getränkebehälter, Tabak sowie Verpackungen eingeführt und eine neunzigprozentige Sammelquote von Einwegkunststoff-Flaschen erreicht werden.

Beispiellose Initiative

Grundsätzlich findet die Richtlinie bei Umwelt- und Meeresschützern viel Zuspruch. Sie ist in ihrer Art beispiellos und hat es den europäischen Ländern ermöglicht, bedeutende Schritte im Kampf gegen Plastikmüll einzuleiten. Sie hat außerdem das Bewusstsein für das Problem der Plastikverschmutzung in der ganzen Welt verstärkt. Mittlerweile haben, laut Seas At Risk, auch Nicht-EU-Länder eigene Maßnahmen entwickelt, z. B. Indien, Kanada, Chile und Japan.

* erstellt von „Rethink Plastic Alliance“ und „Break Free From Plastic“

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