Fazit: Zwar ist das Bewusstsein für journalistische Sorgfaltskriterien durchaus vorhanden, die Anwendung dieser Merkmale stellt Nutzer:innen jedoch vor Probleme. „Im Kampf gegen Desinformation und für einen demokratischen Diskurs spielt das Einordnen wissenschaftlicher Inhalte eine zentrale Rolle“, so mabb-Direktorin Dr. Eva Flecken. „Die Studienergebnisse zeigen dennoch sehr klar, dass dieses kritische Hinterfragen keine Selbstverständlichkeit ist. Das hat reale Folgen. Meinungen werden zu Fakten, Falschmeldungen zu Information. Umso wichtiger ist es, durch die Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflichten und die Förderung von Informations- und Nachrichtenkompetenz die freiheitliche Medienordnung zu stärken und Nutzer:innen zu befähigen, den inneren ‚VertrauensKompass‘ zu stabilisieren.“
Staatssekretär Dr. Severin Fischer, Chef der Senatskanzlei Berlin, erklärt: „Falschinformationen können im Netz auf einfachem Weg millionenfach verbreitet werden. Das sehen wir derzeit insbesondere vor dem Hintergrund des Angriffskrieges gegen die Ukraine, in dem gezielt Desinformation als Mittel der Propaganda eingesetzt werden. Aber auch zur Covid-19-Pandemie oder zum Klimawandel werden häufig irreführende Inhalte im Internet verbreitet. Die Studie zeigt, dass die Nutzenden sich leicht täuschen lassen, wenn Merkmale des professionellen Journalismus nachgeahmt werden. Dies kann folgenschwere Konsequenzen für die Meinungsbildung nach sich ziehen. Daher sind gezielte Fördermaßnahmen wie die Initiative ‚Journalismus macht Schule‘ der mabb besonders wichtig, um Defizite bei der Informations- und Nachrichtenkompetenz auszugleichen.“
Im Rahmen der Studie wurden den Befragten zwei Beispiele für Wissenschaftsvideos auf YouTube zur Bewertung vorgelegt. Ein Video berichtete ausgewogen und sachlich über den Klimawandel. Das zweite Beispiel ließ relevante Quellen aus und stellte Grafiken und Statistiken verkürzt oder verzerrt dar.
Die zentralen Ergebnisse der Studie „Wissenschaftsjournalismus auf YouTube“ im Überblick:
Journalistische Sorgfaltskriterien werden abstrakt, aber nicht konkret erkannt
Für 79 Prozent der Nutzer:innen ist die Nennung mehrerer Quellen ein besonders hilfreiches Prüfkriterium journalistischer Sorgfalt. Die Trennung von Meinung und Information ist für 72 Prozent der User ein wichtiges Merkmal vertrauenswürdiger Inhalte. Probleme gibt es in der Einordnung dieser Kriterien: Die Quantität der Quellen war für die Befragten entscheidender als die Qualität.
Glaubwürdigkeit lässt sich leicht manipulieren
Nur ein Bruchteil der Nutzenden hat in Betracht gezogen, die in den jeweiligen Videos genannten Quellen kritisch zu hinterfragen. Die Nennung von Quellen ist somit entscheidender für die Glaubwürdigkeitswahrnehmung als die Qualität der Quellen. Auch die von YouTube selbst angebotenen Hinweise zur Glaubwürdigkeit von Videos erzielen kaum Wirkung. Häufig werden sie von Nutzer:innen nicht korrekt interpretiert. 46 Prozent der Befragten nehmen die Hinweise gar nicht wahr.
Je niedriger das eigene Medienvertrauen, desto positiver die Bewertung des Negativbeispiels
Befragte mit einem niedrigen Vertrauen in die Medien bewerten das Negativbeispiel am positivsten. Gleiches zeigt sich beim Vertrauen in die Wissenschaft: Teilnehmende, die der Wissenschaft skeptisch gegenüberstehen, bewerten das Positiv- und Negativbeispiel etwa gleich. Befragte mit höherem Vertrauen in die Wissenschaft gelingt es eher, die Unterschiede auszumachen.
Verzerrte Darstellungen haben Konsequenzen
Rund ein Drittel der Teilnehmenden hat aufgrund der im Negativbeispiel einseitigen und verzerrten Darstellung wissenschaftlicher Fakten seine ursprüngliche Meinung geändert oder Zweifel entwickelt.
Die vollständigen Ergebnisse sind auf der Webseite der mabb verfügbar:
• Bundesweite Ergebnisse
• Sonderauswertung Berlin
Über die Studie
Im Zuge der Covid-19-Pandemie hat YouTube stärker als andere Verbreitungswege von Medienangeboten einen Publikumszuwachs erfahren. Zwar nutzen viele die Plattform zur Unterhaltung, jedoch stieg auch die Nutzung zu Informationszwecken im Jahr 2021 stark an, insbesondere in der Altersgruppe 14-29 Jahre. Irreführende Darstellungen zu wissenschaftlichen Themen wie Klimawandel oder Covid-19-Pandemie erhielten hier eine große Reichweite. Pseudowissenschaft, gezielte Desinformation und deren Identifikation stellen Nutzer:innen vor große Herausforderungen: Viele haben erhebliche Schwierigkeiten dabei, Desinformation, Werbung sowie journalistische Darstellungsformen im Internet zu erkennen. Ziel der Studie ist es zu klären, wie Nutzende zwischen sorgfältig produzierten Beiträgen des Wissenschaftsjournalismus und nicht-sorgfältig produzierten, irreführenden Videos unterscheiden können, welche Bedeutung journalistischer Sorgfalt bei Wissenschaftsthemen beigemessen wird und wie Einstellungen zu Journalismus und zu Wissenschaft die Wahrnehmung von Wissenschaftsvideos beeinflussen. Die Studie wurde von der pollytix strategic research gmbh durchgeführt.
Die mabb ist die gemeinsame Medienanstalt der Länder Berlin und Brandenburg. Im Zusammenspiel relevanter Regulierung und nachhaltiger Förderung setzt sie sich für die Sicherung der Medienvielfalt ein. Dabei unterstützt die mabb Lokaljournalismus, engagiert sich gegen Desinformation und stärkt die Informations- und Nachrichtenkompetenz von Nutzer:innen aller Generationen – für den selbstbestimmten, kritischen Umgang mit Medien und einen fairen demokratischen Diskurs. Mit ihren Einrichtungen ALEX Berlin und dem Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) ermöglicht die mabb Partizipation, schafft Aus- und Weiterbildungsangebote und fördert Innovationen für Medien in der Region. www.mabb.de
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