Eine Altersgrenze für eine kieferorthopädische Behandlung gibt es nicht. Gerade ein Engstand der Zähne entwickelt sich ja auch häufig erst im Erwachsenenalter", so Prof. Till Köhne, Direktor der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Leipzig (UKL). "Durch die Entwicklung der Aligner – also durchsichtigen Plastikzahnschienen, die die Zähne sozusagen auf Linie bringen – können sich jetzt mehr und mehr Erwachsene eine Behandlung vorstellen. Das Problem dabei: Im Internet gibt es verführerische Angebote. Und wer nur auf diesen Online-Preis schaut, kann am Ende mehr Sorgen als vorher haben: einen verschobenen Biss, gelockerte Zähne oder freiliegende Zahnhälse."
Wie der Leipziger Kieferorthopäde erläutert, stellt die Aligner-Therapie eine sehr gute kieferorthopädische Methode zur Behandlung von leichten bis schweren Zahnfehlstellungen dar. "Die Plastikzahnschienen haben in den letzten 20, 30 Jahren unser Fach sehr verändert. Man kann mit den herausnehmbaren Alignern sehr zielgenau arbeiten. Damit dem Patienten aber sicher und optimal geholfen wird, sollte kieferorthopädisches Fachwissen einbezogen sein."
Die Aligner-Therapie der Online-Anbieter besteht aus einfachen Bausteinen: Die Zahnreihen des Patienten werden gescannt, mit einer Software wird das Behandlungsziel erstellt, dann wird ausgerechnet, wie viele Schienen der Patient braucht, um ans Ziel zu kommen. Alle Schienen werden dann dem Patienten zugesandt, die er jeweils 22 Stunden am Tag trägt und regelmäßig wechselt.
Experte warnt: "Kontrolle per Selfie – das ist zu wenig!"
Prof. Köhne warnt aber vor solchen Simpel-Angeboten. "Das Problem ist, dass die Behandlung nur auf einem Scan basiert und auch der Scan nicht bei einem Kieferorthopäden durchgeführt wird, sondern bei Zahnärzten, die die Behandlung aber nicht selber planen und auch nicht selber durchführen. Ein seriöser Kieferorthopäde interessiert sich zuerst: Was will der Patient mit der Behandlung erreichen? Nur eine ästhetische Verbesserung? Oder hat er auch Probleme mit dem Biss oder Kiefergelenk? Liegt nur eine Zahnfehlstellung vor, oder muss auch eine Kieferfehlstellung therapiert werden? Wie werden die Muskeln im Mundraum, die Zunge und das Zahnfleisch reagieren? Und ganz wichtig: Werden die Zähne die Bewegung mitmachen, oder ist eine Zahnwurzel verkürzt, ein Implantat zu berücksichtigen, oder gibt es versteckte Weisheitszähne? All das kann man nur durch eine ausführliche klinische Untersuchung und mit Hilfe von Röntgenbildern erkennen, da reicht kein Scan."
"All das muss ein Kieferorthopäde im Interesse seines Patienten berücksichtigen. Ein simpler Scan, die Kontrolle per Selfies – das ist aus meiner Sicht viel zu wenig", erklärt Prof. Köhne. "Meistens werden bei diesen Online-Anbietern der Einfachheit halber zum Begradigen der Zahnreihen nur die Zähne nach vorn geklappt. So entsteht mehr Raum für die Zähne und sie können gut eine Reihe bilden. Viele Patienten merken aber sofort, dass die Zähne zu weit nach vorne stehen. Außerdem kann sich das Zahnfleisch zurückziehen, wenn man die Zähne aus dem Knochen rausbewegt. Von möglichen Funktionsproblemen ganz zu schweigen. Die Patienten können nicht mehr richtig abbeißen. Manchmal merken die Patienten, dass die Zähne nicht mehr richtig aufeinandertreffen, wenn man das Parkticket nicht mehr zwischen den Zähnen halten oder keinen Faden mehr abbeißen kann."
In Unterschied zu den Online-Anbietern habe ein Kieferorthopäde das Ziel, ein ästhetisches und zugleich funktionales Optimum zu erreichen, betont der UKL-Klinikdirektor. "Wobei funktional nicht nur heißt, dass das Abbeißen weiter klappt, sondern auch das Sprechen und Singen. Selbst für das Küssen ist ein perfektes Zusammenspiel von Zähnen und Lippen nötig. Deshalb erkläre ich dem Patienten, was mit einer Aligner-Therapie bei ihm möglich ist. Das Ziel ist immer, ein individuelles Optimum an Funktion und Ästhetik zu erreichen. Und das alles im persönlichen Kontakt mit den Patienten – das ist für mich Kieferorthopädie."
Wie läuft eine Aligner-Behandlung beim Kieferorthopäden ab?
Die meisten Aligner-Behandlungen führen Kieferorthopäden heutzutage zusammen mit externen Zahntechniklaboren durch. Das sind meist große Unternehmen, die sich darauf spezialisiert haben, Aligner in industriellem Maßstab herzustellen. "Alles fängt an, dass ich einen Scan mit meinen genauen Behandlungsvorgaben der Firma übermittle. Hierbei muss ich mir schon die ganze Behandlung im Vorfeld überlegen: Welcher Zahn soll wohin? Welche Zähne müssen zuerst bewegt werden, um eventuell Platz zu schaffen? Und auf welchen Zähnen sind die Attachments, die den Schienen besseren Halt geben, aufzubringen? Zudem muss ich die Anzahl der Schritte bis zum Ergebnis festlegen, also die Anzahl der Schienen. Das ist auch für den Patienten wichtig, da natürlich mehr Schienen auch mehr Kosten verursachen", bekräftigt Prof. Köhne. "Zurück bekomme ich dann eine erste Computersimulation, die ich dann in mehreren Sitzungen so lange verfeinere, bis sie meinen Vorstellungen entspricht."
Dem Patienten wird dann die Simulation gezeigt. Ist der einverstanden, geht alles an die Spezialfirma, die die entsprechende Zahl der Modelle anfertigt, auf denen dann die Aligner hergestellt werden. "Ungefähr vier bis sechs Wochen nach dem Scan sind die Schienen fertig. Die Attachements werden auf die Zähne aufgebracht – und der Patient kann die Aligner verwenden", sagt der Leipziger Klinikdirektor. "In diesen unscheinbaren Plastikschienen steckt nun das Wissen und Können des Kieferorthopäden."
Beim ersten Termin werden die Schienen übergeben und meist auch die Attachments geklebt. Danach wechseln die Patienten bis zur nächsten Kontrolle beim Kieferorthopäden alle ein bis zwei Wochen selbstständig die Aligner. Wenn man beim letzten Aligner angelangt ist, wird kontrolliert, ob die geplante Zahnstellung schon erreicht wurde oder ob noch weitere Korrekturaligner geplant werden müssen. Am Ende jeder Behandlung ist es aber genauso wichtig, die Zähne in der abschließenden Position zu halten.
Gibt es auch Alternativen?
Bei kleineren Behandlungen, wenn also geringgradige bis moderate Fehlstellungen oder Rezidive vorliegen, arbeitet Prof. Köhne mit In-House-Alignern. Das heißt, dass hierbei ohne Fremdfirma von der vollständigen Planung über die Modelle bis zu den fertigen Plastikschienen alles in der Klinik erledigt wird. "Das Ganze erfordert natürlich eine gute technische Ausstattung mit 3D-Druckern und viel Knowhow bei unseren Kieferorthopäden und Zahntechnikern", betont Prof. Köhne. Da die Kosten der Spezialfirma entfallen, wird das aber für die Patienten günstiger.
Das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) versorgt als Klinikum der Maximalversorgung mit 1451 Betten jährlich mehr als 400.000 Patienten ambulant und stationär. Das UKL verfügt über eine der modernsten baulichen und technischen Infrastrukturen in Europa. Mehr als 6000 Beschäftigten arbeiten hier und sorgen dafür, dass die Patienten Zuwendung und eine exzellente medizinische Versorgung auf höchstem Niveau erhalten. Damit ist das UKL einer der größten Arbeitgeber der Stadt Leipzig und der Region und Garant für Spitzenmedizin für Leipzig und ganz Sachsen.
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