Die heute vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden bereits zum zweiten Mal in Folge bekannt gegebene Zunahme der der Behörde gemeldeten vorgeburtlichen Kindstötungen lässt aufhorchen. Nach den erfreulichen Rückgängen in den beiden zurückliegenden Jahren wirft der erneute Anstieg der dem Amt gemeldeten Abtreibungen Fragen auf, die unbedingt zeitnahe Aufklärung verlangen und der Beantwortung harren.
Es ist völlig unbefriedigend und keineswegs hinnehmbar, dass das Statistische Bundesamt weder eine Erklärung für den Rückgang der Abtreibungszahlen in den vergangenen beiden Jahren (2020: minus 0,9 Prozent; 2021: minus 5,4 Prozent), noch für die Zunahme der Abtreibungszahlen in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres zu geben vermag (1. Quartal 2022: plus 4,8 Prozent; 2. Quartal: plus 11,5 Prozent). Verantwortlich dafür zeichnen sicher nicht die Statistiker der Behörde, sondern die Vorgaben, die ihnen gemacht wurden.
Wir brauchen dringend bessere und aussagekräftigere Daten. Nicht nur weil, sichergestellt werden muss, dass die Statistik das Abtreibungsgeschehen in Deutschland auch annährend zutreffend abbildet, sondern auch, weil das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Nachbesserungspflicht für den Fall auferlegt hat, dass die gesetzlichen Bestimmungen das Rechtsgut Leben nicht ausreichend schützen (Untermaßverbot).
Mit der Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch (§ 219a StGB) und der damit de facto geschaffenen Möglichkeit, sich unter Umgehung der vom Gesetzgeber vorgesehenen Beratung direkt an Abtreibungsärzte zu wenden, sowie der Aufnahme der nicht-invasiven pränatalen Bluttests (NIPT) in den Leistungskatalog der Krankenkassen haben sich lange Zeit gültige Rahmenbedingungen inzwischen massiv verändert. In deutlich geringerem Umfang galt das bereits für die fälschlicherweise als „Notfall-Kontrazeptiva“ eingestufte „Pille danach“, die 2015 aus der Rezeptpflicht entlassen wurde und die eben nicht nur einen Eisprung verhindert, sondern dort, wo dieser bereits erfolgt ist, auch eine frühabtreibende Wirkung entfaltet. Und es galt auch bereits für die Reform des 219a StGB des Jahres 2019.
Wenn der Schutz des Lebens ungeborener Kinder, zu dem die Verfassung den Gesetzgeber nachdrücklich verpflichtet, kein bloßes Lippenbekenntnis bleiben soll, dann ist es einfach auch nicht akzeptabel, dass Politik und Gesellschaft auf einem so existentiellen Gebiet wie dem des Lebensschutzes inzwischen nahezu blind durch die Gegend navigieren. Daher muss die Datenerhebung den neuen Gegebenheiten angepasst und signifikant verbessert werden.
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