Die Geschichte des Gürzenich-Orchesters ist geprägt durch stete Weiterentwicklung. Dies zeigt sich auch in der regelmäßigen Zusammenarbeit mit herausragenden Komponisten der Gegenwart. Zahlreiche Werke, die inzwischen fest zum Repertoire vieler Orchester gehören, hat das Gürzenich-Orchester uraufgeführt. Es ist stets am Puls der Zeit – damals wie heute.
Daran knüpft das Gürzenich-Orchester auch in seinem 1. Abonnementkonzert der Saison 2022/23 an: Auf dem Programm steht die Uraufführung des Konzerts für Cembalo und Orchester »Standstill« von Miroslav Srnka, ein Kompositionsauftrag des Gürzenich- Orchester Köln und des Rundfunk-Sinfonieorchester Prag.
Miroslav Srnka, 1975 in Prag geboren und Kompositions-Professor an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, umjubelt, mit Preisen dekoriert und längst auf erlesensten Podien gespielt, verdankt seinen Erfolg nicht zuletzt der Genauigkeit und Integrität, mit der er seine Vorstellungen umsetzt. »Eine Struktur kann reich sein und trotzdem Leere beinhalten«, sagt er, »und es kann eine Stille geben, die inhaltsvoll ist.« Diese Pole seien organisch verbunden, und der Titel »Standstill« des neuen Cembalokonzerts sei in Bezug auf seine Entstehungszeit kein Zufall. Die Periode der Lockdowns hätten gezeigt, »dass auch eine völlige Stilllegung etwas absolut Lebendiges sein kann.« Stille ist aber gewissermaßen auch eine Spezialität des Cembalos. Ein Ton ist ganz da oder gar nicht, die Saite wird durch einen Kiel angerissen, dieser Vorgang ist nicht nuancierbar. »Null oder Eins, in diesem Sinne ist das Cembalo ein digitales Instrument.«
Der Cembalist Mahan Esfahani, Pionier, Grenzgänger und in dieser Saison Artist in Residence des Gürzenich-Orchesters, schwingt sich aufs Hochseil. »Mit alles verzeihendem Frieden« soll Srnkas Konzert gespielt werden. Hoffnung stirbt nicht.
Im zweiten Teil des Programms setzt François-Xavier Roth seine Auseinandersetzung mit den Erstfassungen der Sinfonien von Anton Bruckner fort. Um Bruckners Modernität, seine Kraft als Neuerer zu akzentuieren, kombiniert Roth auch in diesem Konzert ganz bewusst Bruckner mit einem Werk unserer Tage. Denn Anton Bruckner war nicht nur traditionsverhaftet, sondern ganz besonders in seiner 3. Sinfonie mutiger Visionär. Zugleich sieht sich François-Xavier Roth der großen Geschichte des Orchesters verpflichtet, zu der herausragende Bruckner- Interpretationen, beispielsweise von Ehrendirigent Günter Wand, gehören.
»In tiefster Ehrfurcht« widmete Anton Bruckner seine Dritte seinem Idol Richard Wagner. Der zeigte sich jovial, legte dann das ihm übersandte und gewidmete Partitur-Exemplar zur Seite und sah es nie mehr an. Wagners kühne Fortschrittlichkeit wies dem Katholiken Bruckner einen Weg in die Maßlosigkeit: Chromatik, Erschütterung der tonalen Grundfesten, gewaltige Zeitmaße der melodischen Bögen, Extreme im Ausdruck der Streicher und der Kraft der Blechbläser, Botschaft, Weltgier. Wagner, der Verführer, der den 42-jährigen Anton Bruckner an den Rand einer Psychose brachte. François-Xavier Roth entkleidet Bruckners »Wagner-Sinfonie« aller späteren Veränderungen und dirigiert die 1. Fassung von 1873.
»Wohltemperierte Beats« Premiere des Gürzenich-Orchesters im King Georg Einmal durch alle Tonarten und zurück: In seinen Präludien und Fugen aus dem »Wohltemperierten Klavier« hat Johann Sebastian Bach den ganzen Klangraum der Tasteninstrumente seiner Zeit vermessen. In einem Late Night-Konzert – nach dem Sinfoniekonzert in der Philharmonie – widmet sich der Cembalist Mahan Esfahani Auszügen aus diesem Opus Magnum und schließt sie kurz mit Elektronischen Beats. Gürzenich-Tubist Frederik Bauersfeld aka Meadow und Michiel De Vleeschhouwer aka Phlocalyst steuern die wohltemperierten Beats bei, mit denen das Gürzenich-Orchester erstmals im King Georg zu Gast sein wird.
Mahan Esfahani, Artist in Residence beim Gürzenich-Orchester
Der 1984 in Teheran geborene Cembalist Mahan Esfahani ist in dieser Saison Artist in Residence beim Gürzenich-Orchester. Er wuchs in den USA auf und studierte zunächst Musikwissenschaft und Geschichte an der Stanford University, anschließend Cembalo bei Peter Watchorn in Boston sowie bei der großen tschechischen Cembalistin Zuzana Růžičková in Prag. Mahan Esfahani ist ein mutiger musikalischer Grenzgänger, der für sein Instrument das Tor ins 20. und 21. Jahrhundert weit aufgestoßen hat. Er präsentiert weltweit und von Kritik und Publikum gefeiert das Cembalo-Repertoire der Barockzeit. Darüber hinaus engagiert er sich unermüdlich für die Musik unserer Zeit, vergibt Kompositionsaufträge, spielt Uraufführungen und lotet neugierig die fließenden Grenzen zwischen Tradition und Avantgarde aus.
Mit seinen vielfältigen Programmen ist Mahan Esfahani unter anderem zu Gast in der Londoner Wigmore Hall und im Barbican Centre, in der Carnegie Hall in New York, in der Berliner Philharmonie und im Wiener Konzerthaus sowie in der Tonhalle Zürich. Als Artist in Residence beim Gürzenich-Orchester ist er in dieser Konzertsaison als Solist der Uraufführung von Miroslav Srnkas »Standstill« und im Cembalokonzert von Bohuslav Martinů zu erleben.
Außerdem gestaltet Mahan Esfahani ein Kammermusik-Programm zusammen mit Musikerinnen und Musikern des Gürzenich-Orchesters.
Gürzenich-Orchester Köln
Bischofsgartenstr. 1
50667 Köln
Telefon: +49 (221) 22128595
Telefax: +49 (221) 221-28200
http://www.guerzenich-orchester.de
Referentin für Presse
Telefon: +49 (162) 243-4435
E-Mail: presse@guerzenich-orchester.de