2001 übernahm Professor Dr. Joachim Szecsenyi eine kleine Sektion für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und baute sie als Abteilung zu einer der führenden Institutionen für Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung in Deutschland und Europa aus. Zum 1. August 2022 wird er sie an seinen Nachfolger Professor Dr. Attila Altiner, Universitätsklinikum Rostock, übergeben, bleibt der Abteilung aber bis 2023 noch als Seniorprofessor erhalten. In dieser Funktion wird er Projekte zur besseren digitalen Vernetzung zwischen ambulanter und stationärer Patientenversorgung fortführen.
„Vor 20 Jahren war die Allgemeinmedizin als akademisches Fach in Forschung und Lehre kaum etabliert. Professor Szecsenyi leistete mit neuen Konzepten Pionierarbeit, entwickelte mit seinem Team den erfolgreichen ausbildungsintegrierten Bachelor-Studiengang „Interprofessionelle Gesundheitsversorgung" und mit dem Master-Studiengang „Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft" den ersten Studiengang mit diesem Fokus in Deutschland. Mit der Verbundweiterbildung plus schuf er ein attraktives Weiterbildungscurriculum für angehende Hausärztinnen und Hausärzte, das deutschlandweit Schule gemacht hat. Für diese nachhaltigen Verdienste in Lehre und Forschung gebührt ihm größter Dank", sagt Professor Dr. Hans-Georg Kräusslich, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg.
Im Rahmen anwendungsorientierter Studien fanden zahlreiche neue Versorgungskonzepte ihren Weg in die Hausarztpraxen: „Professor Szecsenyi hatte dabei insbesondere die Versorgung älterer, chronisch kranker Patientinnen und Patienten im Blick, die ein hohes gesundheitliches Risiko tragen", so Professor Dr. Ingo Autenrieth, Leitender Ärztlicher Direktor des UKHD. „Seine Studien zeigten, dass Patienten mit chronischen Lungen- und Herzerkrankungen oder auch Diabetes von einer regelmäßigen Kontaktaufnahme durch speziell geschulte Medizinische Fachangestellte (VERAH) profitieren. Dieses Konzept wird inzwischen vielfach im Versorgungsalltag mit der AOK Baden-Württemberg, der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft Süd sowie weiteren Selbstverwaltungspartnern umgesetzt."
Die hervorragende Forschung und Lehre weckten das Interesse des akademischen Nachwuchses, ließen das Netzwerk wachsen und halfen bei der Umsetzung ambitionierter Projekte: „Mit 85 Mitarbeitenden ist die Abteilung eine der größten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland. Dazu kommen zahlreiche niedergelassene Partner an mehr als 200 akkreditierten Lehr- und Forschungspraxen", sagt Katrin Erk, Kaufmännische Direktorin des UKHD. „Dank der aktuellen Fragestellungen und aktiven Mitarbeitenden steht die Abteilung zudem in Bezug auf eingeworbene Drittmittel sehr gut da."
Da gute Versorgungsforschung nur in einem lebendigen und tragfähigen Netzwerk gelingen kann, nahm Szecsenyi bald nach Abteilungsgründung Kontakte zu zahlreichen Praxen auf, die er nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Lehre in der Facharztweiterbildung gewinnen konnte. „Das war Voraussetzung für unsere Verbundweiterbildung plus, in der wir in Zusammenarbeit mit Kliniken der Grund- und Regelversorgung und den zuständigen Ärztekammern den angehenden Hausärztinnen und -ärzten Weiterbildungsplätze sowie ein strukturiertes Weiterbildungscurriculum anbieten können. Inzwischen gibt es landesweit entsprechende Verbünde und Förderprogramme", sagt er. Für den regelmäßigen Austausch mit den Niedergelassenen etablierte er mit seinem Team den halbjährlich stattfindenden „Tag der Allgemeinmedizin" als Fortbildungsangebot und Kommunikationsplattform, der inzwischen als Marke eingetragen und vielfach kopiert wurde.
Besonders stolz ist Szecsenyi auf den akademischen Nachwuchs der Abteilung: Er begleitete 19 Habilitationen, sieben seiner Habilitandinnen und Habilitanden besetzen heute Lehrstühle in Allgemeinmedizin, Public Health oder Versorgungsforschung. Vier davon – eine bundesweite Besonderheit – haben sich aus der Praxistätigkeit heraus habilitiert. In der Zeit seiner Seniorprofessur möchte er mit Projekten zur Digitalisierung an der Schnittstelle von ambulanter und stationärer Versorgung Zeichen setzen: Ein Leuchtturmprojekt ist „CareCockpit" zur angepassten Versorgung von mehrfach erkrankten oder an Long-Covid leidenden Patientinnen und Patienten durch VERAHs in Hausarztpraxen.
Zur Person
Joachim Szecsenyi, geboren 1953 in Kassel, studierte in Göttingen Sozialwissenschaften und Humanmedizin, wo er in der Kinder- und Jugendpsychiatrie promovierte und seine wissenschaftliche Karriere nebst Facharztausbildung an der dortigen Abteilung Allgemeinmedizin begann. Nach einem Lehraufenthalt an der Medizinischen Universität Südafrika gründete er 1995 in Göttingen mit Kollegen das „Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen (aQua-Institut), dessen Geschäftsführer er seitdem ist. Von 2009 bis 2015 war er verantwortlicher Projektleiter des Instituts für die bundesweite gesetzliche Qualitätssicherung der deutschen Krankenhäuser im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). 2001 folgte er dem Ruf an das UKHD, wo er als Ärztlicher Direktor die Abteilung Allgemeinmedizin und Versorgungsforschung aufbaute. Mit mehr als 400 wissenschaftlichen Publikationen zu Qualitätsförderung, Versorgungsforschung, komplexen Interventionen und Digitalisierung im Gesundheitswesen sowie der Leitung sektorenübergreifender Projekte gilt er als einer der führenden Wissenschaftler in diesen Bereichen.
Weitere Informationen im Internet
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 84.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 Patienten ambulant behandelt.
Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum-heidelberg.de
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