"Wir werden weitermachen!"
Eines dieser Medienprojekte ist das Belarusian Investigative Center (BIC), das aufgrund der zunehmenden Einschüchterungen, Erpressungen und Festnahmen seiner Mitarbeitenden im Sommer 2021 nach Polen umgezogen ist. Von dort aus berichtet das BIC auf Belarussisch, Russisch und Englisch weiterhin über Korruption in Belarus und Russland.
Und das immer wieder mit Erfolg: Nach einer gemeinsamen Recherche des BIC und dem Nachrichtenportal Delfi Estonia stoppte die EU ein Vorhaben, das den Export belarussischer Ölprodukte in Höhe von 500 Millionen Dollar pro Jahr unter der Umgehung von Sanktionen weiterhin ermöglicht hätte – nachdem man geglaubt hatte, diese Exporte seien seit langem eingestellt worden. In einem anderen, kürzlich veröffentlichten Bericht deckte das BIC auf, wie die Regierung von Alexander Lukaschenko mit Hilfe von Repressionen profitable Monopole für die Freundinnen und Freunde seiner Familie schafft. Für seine Arbeit wurde das Medium fünfmal mit dem “Free Word“-Award der Belarusian Association of Journalists ausgezeichnet.
"Unsere investigativen Recherchen erreichen Hunderttausende in Belarus, sodass die Bevölkerung auf diesem Weg von den korrupten Machenschaften erfährt", sagte Stanislau Ivashkevich, Gründer und Chefredakteur des Belarusian Investigative Centre. "Die rechtzeitige und gezielte Unterstützung durch Förderer wie den JX Fund ermöglicht es uns nicht nur, unsere Aktivitäten ununterbrochen fortzusetzen, sondern auch die Messlatte weiter höher zu legen."
Auf der Rangliste der Pressefreiheit befindet sich Belarus auf Platz 153 von 180 Staaten. Derzeit befinden sich 28 Medienschaffende in Haft.
"Unerwünscht", bedroht und unverzichtbar
Ein weiteres Projekt, das seit der letzten Vergaberunde vom JX Fund gefördert wird, ist die 2018 vom russischen Investigativjournalisten und Pulitzer-Preis-Gewinner Roman Anin gegründete Online-Plattform IStories. Als Reaktion auf unangenehme Enthüllungen wurde das Medium bereits im August 2021 vom russischen Justizministerium zum “ausländischen Agenten” erklärt, setzte seine Arbeit jedoch fort. Die Recherche über den russischen Geschäftsmann und Präsident Putins Ex-Schwiegersohn Kirill Schamalow wurde mit dem Europäischen Pressepreis 2021 ausgezeichnet.
Nach der Weigerung, sich den nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine erlassenen russischen Zensurgesetzen zu beugen, folgte dann die Erklärung zur "unerwünschten Organisation". Allen Reporterinnen und Reportern droht damit eine mindestens vierjährige Haftstrafe. Im Juli 2022 verlegte IStories seinen Sitz ins europäische Ausland, von wo aus es seine kritische Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine und seine Recherchen zu den korrupten politischen und ökonomischen Strukturen Russlands fortsetzt.
"Trotz hoher Gefahren hat IStories seit Beginn des Krieges zahlreiche Artikel veröffentlicht, die nicht nur die von der russischen Armee in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen aufzeigen, sondern auch konkrete russische Soldaten identifizieren, die an diesen Verbrechen beteiligt waren", sagte Chefredakteur und Gründer Roman Anin. "Die Ergebnisse unserer Arbeit beweisen besser als alle Worte, wie wichtig die Unterstützung der investigativen Berichterstattung ist, die dem russischen Publikum nicht nur die Wahrheit über den Krieg in der Ukraine erzählt, sondern auch hilft, die Kriegsverbrechen aufzuklären und den Opfern Gerechtigkeit zu verschaffen."
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Platz 155 von 180 Staaten. Seit dem Amtsantritt von Präsident Wladimir Putin wurden mindestens 37 Medienschaffende aufgrund ihrer Arbeit ermordet.
Vielfalt fördern – auch im Exil
Neben prominenten Exilmedien mit hohen Reichweiten unterstützt der JX Fund auch Neugründungen oder kleinere Medienprojekte. Dazu gehören beispielsweise eine Podcastserie mit feministischen Fragestellungen oder eine Videointerview-Reihe mit namhaften Kriegsgegnern. Das Geschehen in der Ukraine bleibt weiterhin ein zentrales Thema. Mit einer großen Bandbreite an Formaten, Kanälen und Themen soll der Aufbau einer diversifizierten Exilmedienlandschaft gefördert werden, die in den jeweiligen Herkunftsländern verschiedene Zielgruppen adressiert.
Noch immer keine sicheren Aufenthaltstitel für geflohene Medienschaffende
Zusätzlich zu der Herausforderung, neue journalistische Strukturen aufzubauen, sind aufenthaltsrechtliche Fragen in der EU weiterhin ungelöst. Auch in Deutschland ist die Ausstellung humanitärer Visa nach §22 des Aufenthaltsgesetzes sowohl für afghanische als auch für russische und belarussische Journalistinnen und Reporter nur in individuell zu prüfenden Einzelfällen möglich. Für 45 Medienschaffende, die sich derzeit mit einem auslaufenden Schengen-Visum in Deutschland befinden, hat der strategische Partner des JX Funds, die Media in Cooperation and Transition (MiCT), das MiCT-Fellowship aufgesetzt, das die Fortsetzung ihrer journalistischen Tätigkeit im Exil ermöglicht.
Das Programm wurde ermöglicht durch die Initiative der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und wird von ihr finanziert. Es setzt sich aus einer monatlichen Stipendienzahlung, Beratungsangeboten sowie Netzwerkaktivitäten zusammen. Das Land Berlin und ganz besonders das Berliner Landesamt für Einwanderung haben das Programm durch ihre gute und konstruktive Zusammenarbeit bei der Aufnahme von schutzsuchenden russischen und belarussischen Medienschaffenden unterstützt.
Über den JX Fund – European Fund for Journalism in Exile
Der JX Fund wurde im April 2022 gemeinsam von Reporter ohne Grenzen, der Schöpflin Stiftung und der Rudolf Augstein Stiftung ins Leben gerufen, um Medienschaffende unmittelbar nach ihrer Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten schnell und unbürokratisch dabei zu unterstützen, ihre Arbeit von neuen Orten aus fortzusetzen. Er will unabhängige Medien im Exil über eine Phase internationaler Aufmerksamkeit hinaus stärken und den nachhaltigen Aufbau neuer Redaktionsstrukturen fördern, damit sie ihr Publikum in den Heimatländern weiter erreichen können. Nur eine qualitative Berichterstattung kann künftige demokratische Entwicklungen in diesen Ländern ermöglichen. Ohne unabhängigen Journalismus gewinnt die Zensur.
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