Deutschland im ersten Lockdown: Mentale Gesundheit junger Mütter leidet am meisten

Kitas und Schulen geschlossen, wenig Unterstützung bei der Kinderbetreuung außerhalb der eigenen vier Wände und häufiges Arbeiten von zu Hause: diese Situation während der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020 führte in Deutschland zu einem deutlichen Anstieg von Stress und Erschöpfung vor allem bei Müttern junger Kinder, die in Partnerschaft leben. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der MPIDR-Forscherinnen Nicole Hiekel und Mine Kühn.

Wie wirkt sich die COVID-19-Pandemie auf die mentale Gesundheit von Frauen und Männern in verschiedenen Familienformen in Deutschland aus? Um diese Frage zu beantworten, haben Nicole Hiekel und Mine Kühn, beide Forscherinnen am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock, mit Umfrage-Daten aus dem Beziehungs- und Familienpanel pairfam drei Merkmale mentaler Gesundheit untersucht: Stress, Erschöpfung und Einsamkeit. Dabei verglichen sie die Werte ein Jahr vor der Pandemie mit denen im Frühjahr 2020. Ihre Studie wurde nun im Fachjournal Journal of Health and Social Behavior veröffentlicht.

Seit der Pandemie so gestresst wie Alleinerziehende: Zwei-Eltern-Familien

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich vor allem die Situation von Eltern, die in Partnerschaft leben, verschlechtert hat. Ihr Stress- und Erschöpfungsgrad ist im Frühjahr 2020 während der ersten Corona-Welle in Deutschland auf ähnlich hohem Niveau wie der von Alleinerziehenden. Die Pandemie hat demnach die Ungleichheit bei der mentalen Gesundheit zwischen Eltern und Personen und Paaren ohne Kinder verstärkt.

Zusätzlich zeigen sich geschlechterspezifische Unterschiede: Mütter gaben deutlich höhere Werte von Stress, Erschöpfung und Einsamkeit in der Umfrage an als Väter, die in derselben Familienform leben. „Vor der Pandemie haben wir noch keine Unterschiede in der mentalen Gesundheit zwischen Müttern und Vätern, die in Partnerschaft leben, gesehen. Jetzt zeichnen sich Geschlechterungleichheiten ab, die verpartnerte Mütter junger Kinder besonders benachteiligen“, sagt Nicole Hiekel.

Pandemie erweitert soziale Ungleichheit um eine Dimension: Mentale Gesundheit

„Da unsere Studie auf Daten beruht, die während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 erhoben wurden, gehen wir davon aus, dass die aktuellen Auswirkungen der Pandemie auf die mentale Gesundheit noch größer sind, als es unsere Ergebnisse zeigen“, sagt Mine Kühn.

Über die Gründe dafür, warum vor allem Mütter junger Kinder stark belastet sind, sagt Nicole Hiekel: „Wir vermuten, dass die Betreuungs- und Unterstützungsnetzwerke von Familien durch geschlossene Schulen und Kitas sowie durch die Kontaktbeschränkungen sehr geschwächt wurden.“ Diese Ausfälle seien innerhalb der Familien vor allem durch die Mütter kompensiert worden, ergänzt Mine Kühn.

Sorgearbeit gleichmäßig aufzuteilen, schützt mentale Gesundheit von Müttern

Zusätzliche Datenauswertungen der beiden Autorinnen zeigen, dass vor allem verpartnerte Mütter von Kindern im Alter bis sechs Jahre, die während der ersten Pandemiephase ihre Erwerbstätigkeit nach Hause verlagert haben, deutlich höhere Stress- und Belastungssymptome berichten. Das stimmt sowohl im Vergleich zu allen verpartnerten Vätern, als auch im Vergleich zu Müttern älterer Kinder und zu Müttern, die nicht im Homeoffice gearbeitet haben.

Erste Ergebnisse einer Folgestudie der beiden Forscherinnen zeigen, dass Mütter, die auch im Frühjahr 2020 die Kinderbetreuung mit ihrem Partner hälftig aufgeteilt haben, keine Veränderungen in ihrer mentalen Gesundheit im Vergleich zu vor der Pandemie aufweisen. Im Gegensatz dazu berichten Mütter, die bereits vor der Pandemie den Großteil der Kinderbetreuung übernommen haben und auch während des ersten Lockdowns das Gros der Sorgearbeit schultern, eine deutliche Zunahme an Stressgefühlen.

Die Autorinnen fordern politische Entscheidungsträger*innen auf, bei künftigen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ein besonderes Augenmerk auf das Wohl von Müttern zu legen und unbedingt zu vermeiden, dass bestehende Geschlechterungleichheiten weiter verstärkt werden.

Über Max-Planck-Institut für demografische Forschung

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock untersucht die Struktur und Dynamik von Populationen. Die Wissenschaftler*innen des Instituts erforschen politikrelevante Themen wie Altern, Geburtendynamik und die Verteilung der Arbeitszeit über die Lebensspanne, genauso wie den digitalen Wandel und die Nutzbarmachung neuer Datenquellen für die Erforschung von Migrationsströmen. Das MPIDR ist eine der größten demografischen Forschungseinrichtungen in Europa und zählt international zu den Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört der Max-Planck-Gesellschaft an, der weltweit renommierten deutschen Forschungsgemeinschaft.
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