Stehen wir vor einer Epidemie der Einsamkeit?
Dass sich so viele Menschen einsam fühlen, hat zahlreiche Gründe. Einer davon ist in meinen Augen Social Media. Dort trifft man sich zwar online. Doch das ist ganz anders als der direkte Kontakt. Und: Es fehlt das Dorf, diese ganz normalen, direkten, alltäglichen Begegnungen. Wenn vor 30 Jahren Schützenfest war, dann war das ein Highlight im Kalender. Heute finden viele Feste gar nicht mehr statt. Sportfeste, Faschingsfeste mit Umzug, Musik und allem Drum und Dran … Es fehlt an Zusammenhalt, diesem ganz selbstverständlichen Zusammenhalt.
Jeder Mensch braucht ein Dorf?
Jeder Mensch braucht sein eigenes Dorf, das aus mindestens fünf Leuten besteht. Aus Menschen, die du jederzeit anrufen kannst, die dir helfen, dir Dinge abnehmen, dich auffangen. Das ist das Netz und der doppelte Boden. Das muss gar kein Dorf sein, das es schon immer gab. Jeder darf sich sein Dorf neu zusammenzustellen. Auf die Nachbarn, die die Suppe vor die Tür stellen, kannst du heute nicht mehr bauen. Das alte Dorf gibt es nicht mehr. Wir müssen das Dorf neu denken.
Warum sollten möglichst fünf Menschen zum eigenen Dorf gehören?
Weil eine der Personen vielleicht mal keine Zeit hat, die andere ist im Urlaub, wieder eine andere beruflich unterwegs. Bei fünf Leuten ist die Chance groß, dass einer auf jeden Fall zur Stelle sein kann.
Die Zeitgeistforscherin Kirstine Fratz spricht im Interview mit TrostHelden über Einsamkeit von einer tiefen "Sehnsucht nach Ganzheit, von einem Sog, sich ganz zu fühlen" …
Wir möchten uns zumindest alle irgendwo zugehörig fühlen.
Wir sind vernetzter denn je zuvor. Und gleichzeitig werden scheinbar innige Kontakte immer seltener. Wie erklärt sich diese Diskrepanz zwischen Likes und Einsamkeit?
Die Ablenkungsmöglichkeiten sind so groß. Und viele kommen ins Vergleichen. Denn wie oft ist es eine perfekte Welt, die uns da präsentiert wird. Die gibt es natürlich nicht. Aber wir möchten glauben, dass es sie gibt, weil sie so schön ist. Das sind ja kleine psychologische Spielchen, die dort stattfinden, die große Auswirkungen haben können. Wenn ich denke: Ich sehe nicht so toll aus, ich habe nicht diese Klamotten, dann fühle ich mich schon nicht mehr so gut. Wir sind anfällig für Perfektionismus.
Warum?
Weil es immer schwieriger wird, sich mit all seinen Macken und Fehlern zu zeigen. Das kann richtig einsam machen.
Nun tut es gut, ab und zu alleine zu sein. Sehr gut sogar. Wann wird aus Alleinsein Einsamkeit? Wo liegt die Grenze?
Das macht sich an einem inneren Gefühl fest. Alleinsein kann sich sehr gut anfühlen, es gibt dieses genossene Alleinsein. Sich einsam fühlen ist hingegen quälend und fast nicht zu ertragen. Und wenn es sich nicht mehr gut anfühlt, sollte man aufmerksam werden und sich fragen: Was kann ich selber ändern?
Was kann ich denn tun?
Kontakte wieder aufleben lassen zum Beispiel. Sich von sich aus bei den Leuten melden. Und offen sagen: Ich war jetzt lange allein, aber das fühlt sich nicht mehr gut an. Ich möchte wieder mehr Kontakt. Da muss man auch über seinen Schatten springen. Denn sonst kann man schnell in eine Spirale geraten, wenn von außen nichts kommt und sich niemand meldet. Dann sind Gedanken wie „mich ruft keiner an, die anderen wollen mich alle gar nicht …“ nicht weit.
Wenn alle anderen Kontakt haben, nur die Betroffenen selbst nicht, grübeln sie zudem über Dinge wie: Was ist eigentlich los mit mir, bin ich irgendwie eigenartig, warum beachtet mich niemand?
… und sie fühlen sich einfach falsch. Dann kommen solche Fragen: Wieso bin ich überhaupt noch hier? In der Arbeit als Sterbe-Amme ist es daher ganz wichtig, Trauernden wieder eine Sinnhaftigkeit zu geben. Denn wenn du einsam bist, verlierst du ganz schnell dieses Gefühl für den Sinn des Lebens.
Was bedeutet das konkret?
Diese Sich-Falsch-Fühlen kann eine totale Bewegungslosigkeit und Starre mit sich bringen. Da geht es zunächst darum, selbst zu akzeptieren, dass es mir so geht, wie es mir geht. Das will man ja manchmal gar nicht wahrhaben. Und dann muss man eine Entscheidung treffen. Wenn ich nicht will, dass es mir so geht, muss ich etwas dafür tun. Man kann versuchen, allein herauszukommen. Oder man sucht sich Hilfe. Einen Coach oder eine Sterbe-Amme, wenn es um das Thema Trauern geht. Sterbe-Ammen sind ja auch Lebens-Ammen.
Was können Außenstehende tun, wenn sie spüren, dass es dem anderen nicht gut geht?
Sie sollten nicht aufhören, immer wieder bei diesen Menschen anzuklopfen. Die Betroffenen können andere 20mal abweisen. Hört nicht auf anzuklopfen! Sie meinen es nicht ernst, wenn sie die Tür vor der Nase zuschlagen. Vielleicht muss nur erst der richtige Zeitpunkt kommen.
Wie können Betroffene und besonders Trauernde die Einsamkeit hinter sich lassen?
Ein ganz wesentlicher Punkt ist der Austausch mit anderen. Darüber reden und feststellen: ein Glück, ich bin nicht allein mit diesem Gefühl. Da gibt es ja andere, denen es ganz genauso geht, die meine Situation in den tiefsten Tiefen nachvollziehen können. Das ist eine solche Erleichterung. Denn dann bin ich nicht mehr einsam, sondern mindestens zweisam. Es geht dabei gar nicht darum, dass jemand eine Lösung präsentiert. Es geht darum, dass jemand mitfühlt, ohne Mitleid.
Gerade Trauernde sind in einer extremen Situation. Sie sind ohne Hoffnung, traurig und einsam – und haben oft niemandem zum Reden …
Da sind wir wieder bei dem Dorf. Auch bei TrostHelden, der Online-Vermittlung für Trauerfreund:innen, kann man Menschen für sein eigenes Dorf finden. Menschen, die dich verstehen in deiner Einsamkeit, in deiner Trauer. Denn vielleicht haben andere in deinem Dorf diesen speziellen Schmerz noch nicht erlebt. Im TrostHelden-Dorf gibt es Menschen mit einem ähnlichen Schicksalsschlag und ähnlichen Lebensumständen, die den anderen 100prozentig verstehen und auffangen können.
Und denen ich mich in meiner Trauer und Traurigkeit zumuten kann?
Genau. Denn was in der Trauer auch einsam macht, ist dieses Gefühl: Ich will mich niemandem zumuten. Ich kann ja da nicht schon wieder anrufen. Bei TrostHelden sind Menschen, denen ich mich zumuten kann. Weil sie aus eigener Erfahrung wissen, wie es mir geht.
Und es beruht auf Gegenseitigkeit.
Auf jeden Fall! Denn wenn sich jemand dir zumutet, ist das wie ein kleiner Orden. Das ist ein großer Vertrauensbeweis – und für das Selbstwertgefühl von Trauernden so wichtig. Sie bekommen selbst Trost. Aber sie spenden anderen eben auch Trost. Das fühlt sich ziemlich gut an in der Trauer.
TrostHelden bietet einen weltweit einzigartigen Ansatz in der Trauerhilfe. Die Trauerfreund-Vermittlung TrostHelden bringt Trauernde mit einem ähnlichen Schicksalsschlag und ähnlichen Lebensumständen zusammen. Möglich wird das durch ein spezielles Computerprogramm, das TrostHelden zusammen mit Experten aus Trauerhilfe, Hospizbewegung, Psychologie und digitalem Matching entwickelt hat. Der Algorithmus macht es möglich, dass sich Trauernde finden, die perfekt zueinander passen und tiefes Verständnis füreinander haben. Die persönlichen Trauerfreunde unterstützen, trösten und helfen sich gegenseitig. TrostHelden ist eine Online-Hilfe zur Selbsthilfe, mit der trauernde Menschen gemeinsam einen neuen, heilsamen Weg aus ihrer Trauer beschreiten.
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