Städte müssen bei der Anpassung der Gebühren für Bewohnerparkausweise soziale Fragen nicht scheuen. Höhere Gebühren entlasten die Quartiere vom Suchverkehr und bringen Mehreinnahmen, die für den öffentlichen Verkehr sowie für Geh- und Radwege genutzt werden können. Für die sehr kleine Gruppe derer, die auf das Auto angewiesen sind und sehr wenig Geld haben, können Kommunen bei Bedarf gezielt Ermäßigungen einrichten. Darauf verweist der Thinktank Agora Verkehrswende in einem Papier, das Kommunen die Entscheidung über die Gestaltung des Bewohnerparkens erleichtern soll.
Seit 2020 können Landesregierungen und Kommunen die Parkgebühren für Anwohnerinnen und Anwohner neu gestalten. Davor waren die Gebühren bundesweit auf höchstens 30,70 Euro pro Jahr begrenzt. Damit ließen sich zuletzt nicht einmal die Verwaltungskosten decken. Die Monatsmiete für privat vermietete Stellplätze liegt in deutschen Großstädten um ein Vielfaches höher. Eine Erhöhung der Gebühren steht deshalb in vielen Städten auf der Tagesordnung: in Berlin zum Beispiel auf 120 Euro pro Jahr, in Freiburg im Breisgau auf 360 Euro pro Jahr.
„Die Erhöhung der Gebühren für das Bewohnerparken ist überfällig“, sagt Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin von Agora Verkehrswende. „Lange waren die Gebühren viel zu niedrig. Niedrige Gebühren verleiten dazu, Autos auf wertvollen öffentlichen Flächen stehen zu lassen und selbst dann an ihnen festzuhalten, wenn die Fahrzeuge kaum gefahren werden. Höhere Gebühren erleichtern die Parkplatzsuche für Anwohnerinnen und Anwohner und sind auch für die meisten, die es betrifft, finanziell tragbar. Die Gebühren für Bewohnerparken zu erhöhen bedeutet, ein überholtes Auto-Privileg abzubauen und damit die Allgemeinheit zu entlasten.“
Günstiger parken mit kleinem Auto
Als zusätzliche Maßnahme, die einkommensarmen Haushalten zugute kommen kann, empfiehlt Agora Verkehrswende, die Gebührenhöhe nach Fahrzeuggröße zu differenzieren. Für ein großes Auto wäre dann mehr zu zahlen als für ein kleines, weil große Autos mehr Raum in Anspruch nehmen. Das ist ein Vorteil für Menschen, die weniger Geld haben, weil sie auch seltener ein großes Auto fahren. Weniger als jeder zehnte große Pkw gehört zu einem Haushalt mit niedrigem oder sehr niedrigem ökonomischen Status.
Mehr als die Hälfte der Haushalte mit sehr niedrigem ökonomischen Status (53 Prozent) besitzen laut Agora Verkehrswende gar kein Auto, nutzen also grundsätzlich den öffentlichen Verkehr sowie Geh- und Radwege. Nur rund zwei Prozent der Haushalte in Deutschland können sich Schätzungen zufolge kaum ein Auto leisten und sind trotzdem darauf angewiesen; und nur ein Teil von diesen zwei Prozent lebt in dicht besiedelten Gebieten, in denen Parkvorrechte für Anwohnerinnen und Anwohner gelten oder zu erwarten sind. Für die meisten Haushalte würden höhere Gebühren für das Bewohnerparken deshalb nicht groß ins Gewicht fallen.
Entlastungen für klar definierte Gruppen mit geringem Einkommen
Ob weitere Entlastungen erforderlich sind, solle jede Kommune nach der Lage vor Ort entscheiden. Rechtlich zulässig seien am ehesten Ermäßigungen für klar definierte Gruppen, zum Beispiel Menschen, die Sozialhilfe oder Wohngeld beziehen, oder Menschen mit Behinderung. Gestützt wird diese Einschätzung von Rechtsexperten, die Agora Verkehrswende hinzugezogen hat. Als Praxisbeispiel, wie Ermäßigungen sowie Befreiungen beim Bewohnerparken geregelt werden können, verweist Agora Verkehrswende auf die Stadt Freiburg im Breisgau.
„Unser Papier soll Länder und Kommunen dabei unterstützen, die Diskussion zu den Gebühren für Bewohnerparkausweise einzuordnen, vor allem wenn es darum geht, soziale Aspekte zu berücksichtigen“, sagt Wolfgang Aichinger, Projektleiter Städtische Mobilität bei Agora Verkehrswende. „Dort, wo die Länder den Weg freigeräumt haben, können Kommunen die Anpassung der Gebühren nutzen, um den Straßenverkehr vor Ort fairer und nachhaltiger zu gestalten.“
Das Diskussionspapier „Berücksichtigung sozialer Aspekte bei Gebühren für die Erteilung von Bewohnerparkausweisen“ steht online unter https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/ kostenlos zum Download zur Verfügung.
Agora Verkehrswende ist ein Thinktank für klimaneutrale Mobilität. Im Dialog mit Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzt sich die gemeinnützige Organisation dafür ein, die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor auf null zu senken. Dafür entwickelt das Team wissenschaftlich fundierte Strategien und Lösungsvorschläge. Initiiert wurde Agora Verkehrswende Mitte 2016 mit Sitz in Berlin von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation.
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