Mittelschicht stabiler als häufig angenommen

Die Einkommensmittelschicht, zu der nach enger Definition etwa jeder zweite Bundesbürger im Jahr 2018 zählte, ist entgegen öfter anzutreffender Annahmen seit über einer Dekade ziemlich stabil geblieben. Deutlich angestiegen ist jedoch die Einkommensgrenze, ab der Bürger zu dieser Mitte zählen. Diese Einschätzung traf Dr. Maximilian Stockhausen, Economist für Verteilung beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, während einer Expertendiskussion in der jüngsten Ausgabe von DIA Digital. Sie stand unter dem Titel „Einkommen und Auskommen – wie geht es der Mittelschicht in Deutschland?“. Daran nahmen neben Stockhausen noch Dr. Malte Lübker, Referatsleiter Tarif- und Einkommensanalysen beim Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung, und Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg-Bank, teil.

Dr. Maximilian Stockhausen verwies in der Diskussionsrunde auf eine kürzlich vorgestellte IW-Studie, wonach auch Auswertungen der Einkommensmobilität eine beachtliche Stabilität bei der Zugehörigkeit zur Mittelschicht belegen. So verbleiben in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Jahren etwa 80 Prozent in der eng gefassten Einkommensmitte. Nur weniger als drei Prozent rutschen aus dieser Mitte direkt in die Armutsgefährdung. Diese beiden Größen sind seit der Wiedervereinigung weitestgehend stabil.

2022, so ein Fazit der Diskussionsrunde, müsse angesichts der gestiegenen Preise mit Reallohneinbußen gerechnet werden. Die Kaufkraftverluste durch die markant angestiegene Inflation können nicht völlig durch Lohnsteigerungen aufgefangen werden. Die Meinungen zur geplanten Anhebung des Mindestlohnes auf zwölf Euro ab Oktober dieses Jahres klafften ein ganzes Stück auseinander. Die Beurteilung reichte von der Frage, ob der Mindestlohn das beste verteilungspolitische Instrument sei, bis zur Feststellung, dass er gerade richtig komme, weil damit den Einkommensschwächsten geholfen werde. Gesamtwirtschaftlich seien die Auswirkungen des Mindestlohnes eher gering. Nach Modellrechnungen beträgt der Preiseffekt der Mindestlohnanhebung nur 0,2 Prozentpunkte. Offen bleibe allerdings die Frage, ob er Unternehmen in strukturschwachen Regionen zu stark belastet und so Abwanderungsbewegungen verstärkt.

Den Mitschnitt der Diskussionsrunde finden Sie wie auch alle früheren Ausgaben von DIA Digital in der Terminrubrik auf den DIA-Webseiten.

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