Antibiotika-Resistenzen aus industrieller Tierhaltung: Rechtsgutachten belegt, dass Bundesregierung entschiedener handeln muss

Die Bundesregierung tut bisher nicht genug, um die Bildung und Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen in der industriellen Tierhaltung einzudämmen. Damit verletzt sie ihre im Grundgesetz verankerte Schutzpflicht gegenüber den Bürger:innen. Zu diesem Schluss kommt ein heute veröffentlichtes Rechtsgutachten der Anwaltskanzlei Günther (Hamburg) im Auftrag von Germanwatch. Zentrale Ergebnisse daraus sollten schon bei der „One-Health“-Minister:innen-Konferenz am Montag in Paris berücksichtigt werden, fordert die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation. Dort soll der EU-Aktionsplan zu Antibiotikaresistenzen aktualisiert werden.

Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel (AMR) wie Antibiotika sind heute eine der größten Bedrohungen der globalen Gesundheit. Wie eine kürzlich im Fachjournal „The Lancet“ veröffentlichte Studie (Link s.u.) belegt, stehen schon jetzt fast 1,3 Millionen Todesfälle weltweit in direktem Zusammenhang mit solchen Resistenzen. Erwartet wird Szenarien zufolge bis 2050 ein Anstieg auf bis zu zehn Millionen Todesfälle pro Jahr. Ein sehr großes Problem bei Bildung und Ausbreitung dieser Resistenzen ist der übermäßige Antibiotikaeinsatz in der industriellen Tierhaltung. Dabei geht es vor allem auch um sogenannte Reserveantibiotika, die bei Menschen erst dann eingesetzt werden, wenn andere Antibiotika bereits nicht mehr wirken.

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, erklärt: „Die Gefahr, die von antibiotikaresistenten Erregern aus großen Ställen ausgeht, ist seit vielen Jahren bekannt. Doch das neue Rechtsgutachten zeigt auf, dass bislang getroffene Regelungen zur Bekämpfung von Resistenzen aus der industriellen Tierhaltung bei weitem nicht ausreichen. Es kommt zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber damit seine Schutzpflichten verletzt. Landwirtschaftsminister Özdemir und Gesundheitsminister Lauterbach stehen nun gleichermaßen in der Pflicht, schnell und entschieden Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Resistenzen einzuleiten.“

Konstantinos Tsilimekis, Leiter des Teams Welternährung, Landnutzung und Handel bei Germanwatch, betont, dass es möglich ist, mit Gesetzen und Verordnungen wirksam zu handeln: „Zum einen muss die Menge des Antibiotikaeinsatzes – insbesondere von Reserveantibiotika – reguliert werden, das heißt es müssten eine Höchstabgabemenge und AMR-Grenzwerte etabliert werden. Zum anderen muss die Tierhaltung endlich umgebaut werden – mit Fokus auf die Tiergesundheit und auf eine deutliche Reduktion der Tierzahlen.“

Das Gutachten der Rechtsanwältin Dr. Davina Bruhn fragt im Kern, inwieweit sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerG) zum Klimaschutz aus dem April vergangenen Jahres auf die Antibiotikaresistenz-Problematik übertragen lässt. Es bezieht zudem den staatlichen Umgang mit und die Rechtspraxis in der Covid-19-Pandemie in seine Betrachtung ein. Die Ergebnisse des Gutachtens sollten nach Ansicht von Germanwatch in allen zentralen nationalen Prozessen rund um Antibiotika berücksichtig und von den Bundesministern auch bei internationalen Gelegenheiten eingebracht werden. Neben der „One Health” Ministerial Conference on Antimicrobial Resistance am Montag ist dabei das für Mai angesetzte Treffen der G7-Gesundheits- und Agrarminister:innen besonders wichtig.

Das aktuelle Rechtsgutachten: www.germanwatch.org/de/85044

Zur im Text genannten Studie in „The Lancet“: Antimicrobial Resistance Collaborators: Global burden of bacterial antimicrobial resistance in 2019: a systematic analysis (2022)

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