COVID-19-Pandemie erschwert Situation von Holocaustüberlebenden

Der Bedarf an psychosozialen Hilfsangeboten für Überlebende des Holocaust ist auch 77 Jahre nach ihrer Befreiung hoch, wie Zahlen der Hilfsorganisation AMCHA zeigen. Pro Kopf stieg der Bedarf sogar an.

Zwar ist die Zahl der Überlebenden, die Hilfe bei AMCHA, dem nationalen Zentrum für psychosoziale Hilfe für Überlebende des Holocaust in Israel, erhalten, von 2020 auf 2021 um 28 Prozent, auf 5.130 Personen gesunken, im Vergleich zu 2011 sogar um 51 Prozent. Dies ist vor allem mit dem altersbedingten Ableben der Überlebenden zu erklären. Das Durchschnittsalter der Klient*innen liegt bei ca. 90 Jahren.
Gleichzeitig aber ist die Zahl der Therapiestunden auf nahezu altem Niveau: Sie sanken von 2020 bis 2021 nur um 17 Prozent von 116.639,04 auf 96.888,74 Stunden. Im Vergleich zu 2011 sogar nur um 13 Prozent. Damit wird deutlich: Der Bedarf der weniger werden Überlebenden steigt.

Grund hierfür ist der mit dem Alter zunehmende Unterstützungsbedarf bei traumatischen Erinnerungen an die Holocaust-Verfolgung. Aber auch die Folgen der Covid-19-Pandemie haben einen großen Anteil am gestiegenen Bedarf, wie Aussagen von Pnina Katsir zeigen. 1930 in der rumänischen Bukowina geboren, überlebte sie den Holocaust in Ghettos und Zwangslagern und wird heute von AMCHA in Jerusalem betreut. „Die schlechte Erinnerungen sind vor allem in den letzten zwei Jahren wieder zurückgekommen. Ein Albtraum aus meiner Kindheit zur Zeit der Verfolgung hat mich erst jetzt wieder eingeholt.“

Lukas Welz, Vorsitzender von AMCHA Deutschland e. V., sieht die Pandemie als Beschleuniger der Traumata: „An diesen Tagen des Gedenkens an die Ermordeten dürfen wir nicht die Überlebenden vergessen. Das soziale Netz wird schwächer und die Einsamkeit wird Herrin über ihre belastenden Erinnerungen. Die in den letzten beiden Jahren durch die COVID-19-Pandemie erzwungene Isolation hat die psychosozialen Belastungen der Überlebenden weiter verstärkt und führt bei vielen zu schweren Depressionen und Angstzustände. Die immer weniger werdenden Überlebenden brauchen mehr Unterstützung als zuvor.“

Hinsichtlich der Therapieleistungen ist vor allem deutlich, dass der Anteil der häuslichen Therapiestunden im Zehnjahresvergleich zu 2011 um 56 Prozent auf 54.531 Stunden gestiegen ist, da das Alter eine zunehmende Immobilität der Überlebenden bedeutet. Für AMCHA stellt dies eine Herausforderung dar, da häusliche Therapiestunden einen deutlich höheren Aufwand bedeuten, der nicht vollständig durch Entschädigungsleistungen finanziert werden kann.

Förderung der Bundesregierung für zweite Generation nötig
Parallel dazu nimmt, wenngleich in geringerem Maße, der Bedarf psychologischer Unterstützung für die Nachkommen von Überlebenden zu, die oft selbst unter den Holocaust-Traumata ihrer Eltern leiden mussten. Deren Zahlen sind innerhalb eines Jahres um 47 Prozent auf 646 Personen gestiegen. Dass die Hilfe für diese Betroffenengruppe möglich wurde, ist auch einer Förderung durch das Auswärtige Amt (Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom 26. Januar 2021) zu verdanken. Aufgrund des steigenden Bedarfs mahnt Welz an, dass die neue Bundesregierung diese Förderung weiterverfolgen und ausbauen muss. „Wir sind überzeugt davon, dass die neue Bundesregierung die Verantwortung zur Unterstützung von Holocaustüberlebenden und ihrer Familien mindestens so intensiv verfolgen wird wie die Vorgängerregierung.“

AMCHA – Zahlen und Fakten 2021

·       1987 als Selbsthilfeorganisation von Überlebenden des Holocaust in Israel gegründet, die erkannten, dass sie und ihre Familien spezialisierte Hilfsangebote benötigen, die in der Gesundheitsversorgung bis dahin nicht beachtet wurden.
·       Amcha (Hebräisch: Dein Volk, sinngemäß: eine/r von uns) Der Begriff wurde schon zur Zeit der NS-Verfolgung von Juden benutzt, um sich untereinander zu erkennen zu geben.
·       13.921 Menschen wurden 2021 durch AMCHA in Psychotherapien und sozialen Aktivitäten in Israel unterstützt, um trotz ihrer teils schweren Traumatisierungen ein würdevolles Leben führen zu können. Das sind fast doppelt so viele Betreute, wie noch vor zehn Jahren. Von ihnen sind 6.816 Menschen Überlebende des Holocaust und 646 Menschen Angehörige der Folgegenerationen. Die übrigen Klientengruppen sind traumatisierte Hilfesuchende anderer Kontexte (6.459 Menschen).
·       Die Zahl der Therapiestunden stieg im Zehnjahresvergleich von 137.705 Stunden (2011) auf 236.314 Stunden (2021).
·       Der Anteil der Therapien, die bei den Überlebenden selbst stattfinden mussten (zu Hause, in Krankenhäusern, Altenheimen, Hospizen), liegt bei 23 Prozent.

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