„Die fetten Jahre sind vorbei“

Noch sind die Zahlen schwarz, aber sie sprechen bereits eine deutliche Sprache: „Die fetten Jahre sind vorbei im Vogelsbergkreis“, betitelt denn auch Erster Kreisbeigeordneter Dr. Jens Mischak seine Haushaltsrede. Will heißen: Noch ist es gelungen, den Haushalt ausgeglichen zu gestalten, die Rahmenbedingungen aber haben sich erneut verschärft, die finanzielle Lage des Kreises ist angespannt, wie sich die Entwicklung der kommenden Haushaltsjahre gestalten wird, lässt sich seriös noch nicht sagen, erklärt der neue Finanzdezernent bei der Einbringung des Etatentwurfs 2022 am Montag in der Sitzung des Kreistages im Wartenberg Oval. Trotz aller Widrigkeiten auch im nächsten Jahr soll im Kreis investiert werden – und zwar in den Bereichen Schule, Gesundheit, Wirtschaft, Digitalisierung und Klima.

„Ergebnishaushalt und Finanzhaushalt können in 2022 nochmals ausgeglichen werden, aber schon die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung stellt uns vor echte Herausforderungen. Und ich sage ganz offen: Aus heutiger Sicht weiß ich noch nicht, wie wir vor dem Hintergrund weiterer zusätzlicher Aufgaben als ländlicher Kreis diesen Entwicklungen standhalten wollen“, erklärt Dr. Mischak.

Die Knackpunkte des Haushalts

Es sind mehrere Herausforderungen, die bewerkstelligt werden müssen.“ Da ist zunächst die Entwicklung der Sozialleistungen, auf die wir keinerlei Einfluss haben, zu nennen, beispielhaft die Reform des Bundesteilhabegesetzes.“ Sie führt dazu, dass die eigenen Sozialleistungen ständig steigen, weil neue Zuständigkeiten übernommen werden mussten. Zugleich werden die Aufwendungen zur Finanzierung des überörtlichen Trägers LWV geradezu explodieren.

Hinzu kommt die aktuelle Preisentwicklung, sei es auf dem Energiesektor, sei es im Baubereich, die den Vogelsbergkreis im kommenden Jahr mit voller Wucht treffen wird. Das hat Konsequenzen insbesondere für die Schulbauten und das KKH in Alsfeld.

Als dritten Punkt nennt Dr. Mischak den immer schwerer zu erfüllenden Sicherstellungsauftrag für die Gesundheitsversorgung. Bisher konnten die Verlustausgleiche des Krankenhauses Alsfeld bewältigt werden, „wir geraten aber durch die dort wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen absehbar noch stärker unter Druck“.

Und schließlich spricht er die steigenden Personalkosten an, die vor allem durch neue Aufgaben entstanden sind und weiter entstehen. Gerade im Bereich der Aufsichts- und Ordnungsverwaltung löse jedes neue Gesetz, jede neue Verordnung und jeder neue Erlass zusätzliche Aufgaben, Kontroll- und Berichtspflichten aus. „Wir hatten bisher im Vogelsbergkreis noch nie einen Fall „Wilke“ oder einen Fall von akuter Kindeswohlgefährdung“, so Mischak, dennoch hätten solche Vorkommnisse immer auch hohen Einfluss auf die Arbeit der Kreisverwaltung, nicht zuletzt durch strengere Vorgaben von oben.

Die Zahlen des Entwurfs 2022

Der Ergebnishaushalt überschreitet 2022 erstmals die 200-Millionen-Euro-Schwelle: Aufwendungen und Erträge von jeweils 200,7 Millionen Euro führen zu einem nur noch ganz leicht positiven Saldo von 2.020 Euro

Im Finanzhaushalt summieren sich die Ein- und Auszahlungen für Verwaltungstätigkeit, Investitionen und Kredite jeweils auf rund 212 Millionen Euro; in der Differenz erhöhen sich die liquiden Mittel um bescheidene 132.000 Euro. 2022 muss laut Mischak erstmals wieder mit einer Neuverschuldung gerechnet werden, die sich nicht aus der Inanspruchnahme von Förderprogrammen ergibt. „Da wir aber in den zurückliegenden Jahren die geplanten Kreditaufnahmen nicht alle vollzogen haben, ist das als Ausnahme und in Zeiten von nahezu Null-Zinsen vertretbar.“

Inhaltliche und politische Schwerpunkte

Es gibt gesetzliche Aufgabenschwerpunkte wie die Sozial- und Jugendhilfeträgerschaft und die Schulträgerschaft, die einen Großteil der finanziellen Mittel eines Kreises binden. Allein im Sozialbereich müssen im kommenden Jahr etwas mehr als 133 Millionen Euro und damit genau zwei Drittel des Gesamtvolumens aufgewendet werden. Abzüglich der zugehörigen Erträge entsteht in diesen Bereichen ein negatives Jahresergebnis von -76,3 Millionen Euro.

Für schulische Aufgaben nimmt der Kreis für laufende Kosten 44,8 Millionen Euro in die Hand, das sind mehr als 22 Prozent aller Aufwendungen,

8 Millionen Euro fließen in den Bereich öffentliche Sicherheit und Ordnung, schwerpunktmäßig für die Organisation des Rettungsdienstes, Brand- und Katastrophenschutzes, im Gesundheitsdienst beträgt der Jahresaufwand rund 7 Millionen Euro, im Bereich Natur- und Landschaftspflege, Landwirtschaft, Wirtschaft und Tourismus sind es 6,2 Millionen Euro. Im Bereich Bauen, Wohnen und Verkehr mit einem deutlichen Schwerpunkt auf der Unterhaltung der Kreisstraßen liegt der Jahresaufwand bei 5,4 Millionen Euro und schließlich fließen zusammen 3,1 Millionen in den unter den Schlagworten Kultur, Erwachsenenbildung und Sport zusammenfassten Bereich.

Ausgaben und Investitionen

Stellvertretend für den Aufgaben- und Aufwandsschwerpunkt im Bereich Soziales beziffert der Finanzdezernent noch einmal die Mehrbelastung durch das Bundesteilhabegesetz: „Waren früher rund 3,3 Millionen Euro für Eingliederungshilfe aufzuwenden, müssen wir nun von etwa 5,8 Millionen Euro ausgeben.“ Diese extreme Belastungsverschiebung wurde im Jahr der Gesetzesänderung 2020 noch halbwegs durch eine Senkung der Umlage an den Landeswohlfahrtsverband abgemildert. Für das kommende Jahr allerdings hat der LWV einen Umlagebedarf angekündigt, der beim Vogelsbergkreis mit 21,2 Millionen Euro um mehr als 2,5 Millionen über dem Betrag von 2020 liegt. „Obwohl wir diese Entwicklung so nicht erwartet hatten, führt sie nicht zu einer Kreisumlageerhöhung, macht uns eine Senkung des Hebesatzes auch im kommenden Jahr allerdings unmöglich“, betont der Erste Kreisbeigeordnete.

Als Schulträger investiert der Vogelsbergkreis gleich in mehrere Projekte: Vor zehn Tagen wurde das Mehrzweckgebäude der Alsfelder Stadtschule seiner Bestimmung übergeben, begonnen wurde inzwischen auch mit dem ersten Bauabschnitt der Sanierung der Oberwaldschule in Grebenhain, der den Neubau einer Aula und Mensa umfasst, und mit der Komplettsanierung des Werkstattgebäudes für den Fachbereich Metalltechnik an der Vogelsbergschule in Lauterbach. Massive Kostensteigerungen sprengten den Kostenrahmen, „sodass wir deutlich mehr aus eigener Tasche drauflegen müssen, als das ursprünglich vorgesehen war“, so Dr. Mischak. Weil man auch die Belastung der Gemeinden durch die Schulumlage im Auge behalten muss, wird sich der Abschluss der Gesamtsanierung der Oberwaldschule durch diese Kostenentwicklung unweigerlich verzögern.

Noch ist das zu bewältigende Kreditvolumen durch die Neubaumaßnahme der Gesamtschule Schlitz gebunden, mit 4,5 Millionen Euro erneut die größte Einzelinvestition im Haushalt. Mit diesem Betrag kann der Neubau im nächsten Jahr fertiggestellt werden.

Einen weiteren Investitionsschwerpunkt bildet die digitale Ausstattung der Schulen mit rund 1,5 Millionen Euro.

„Bei der Gebäudeunterhaltung wird der Fokus künftig verstärkt auf der klimaschützenden Wärmeerzeugung liegen“, kündigt der neue Kämmerer an. Künftig soll auf den Einsatz regenerativer Energieträger umgestellt werden. Zudem wird der Vogelsbergkreis einen Klimaschutzmanager einstellen.

Auch in das große Kreisstraßennetz werden rund 2,5 Millionen Euro investiert, im Ergebnishaushalt sind zudem 100.000 Euro für ein Radverkehrskonzept vorgesehen.

Innerhalb der Kreisverwaltung liegt der Investitionsschwerpunkt eindeutig auf dem Ausbau der IT-Technik.

Der Ausblick

Mit Mischaks abschließendem Ausblick in die Zukunft schließt sich der Kreis zur eingangs gewählten Überschrift. „Die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung bis zum Jahr 2025 können wir ebenfalls ausgeglichen gestalten, aber – das will ich nicht verschweigen – zu einem recht hohen Preis. Der wird maßgeblich beeinflusst von der geplanten hohen Neuverschuldung, die größtenteils durch den im Januar gefassten Beschluss zum Neubau des Kreiskrankenhauses in Alsfeld bedingt ist.“ Die zu diesem Projekt in den letzten Tagen bekannt gewordenen Entwicklungen haben in dieser Größenordnung überrascht. Die neuen Erkenntnisse ändern jedoch zunächst einmal nichts daran, dass das im Investitionsprogramm 2021 veranschlagte Volumen die mit der Aufsichtsbehörde abgestimmte Obergrenze für die finanzielle Belastung des Kreishaushalts darstellt. 

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