Um katastrophale Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern, muss die Nutzung fossiler Energien entsprechend einem 1,5°C-Szenario beendet werden. In seinem 2018er Spezialbericht „Global Warming of 1.5°C“ (Deutsch: Globale Erwärmung um 1,5°C) hat das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) Modellpfade aufgezeigt, die nicht oder nur wenig über eine globale Erwärmung um 1,5°C hinausgehen. Diese sehen Emissionsreduktionen zwischen 40 und 60 Prozent bis 2030 gegenüber dem Ausstoß von 2010 vor. Entsprechend müssen die Emissionen um jährlich fast acht Prozent bis 2030 zurückgehen. Dieses Jahr hat der IPCC in seinem sechsten Bericht einen „Alarmzustand für die Menschheit“ (Englisch: „Code Red for Humanity“) ausgerufen und dabei klar gemacht, dass globale Emissionen reduziert werden müssen, bevor es zu spät ist. Die Internationale Energieagentur (kurz IEA) hat im Mai 2021 in ihrem „Net Zero by 2050“-Bericht (Deutsch: Netto-Nullemissionen bis 2050) klar gemacht, dass für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels der Bau von und die Investitionen in neue Gas- und Ölanlagen sofort gestoppt werden müssen.
Lindsay Keenan von Insure our Future: „Wenn Versicherer ihre Verpflichtung zum Pariser Abkommen wirklich ernst nehmen und weiter für sich in Anspruch nehmen wollen, führend in den Industrieinitiativen für Net-Zero zu sein, müssen sie aufhören, neue Öl- und Gasprojekte mit Investitionen und Versicherungen zu unterstützen. Ebenso müssen sie existierende Öl- und Gasversicherungen entsprechend einem 1,5°C Pfad beenden.“
Lucie Pinson, Geschäftsführerin von Reclaim Finance: „Der für die Menschheit vom IPCC ausgerufene Alarmzustand könnte nicht klarer sein. Es ist verrückt, jetzt noch neue fossile Infrastruktur zu bauen, die jahrzehntelang weitere Treibhausgasemissionen nach sich ziehen und damit den Klimawandel weiter anheizen wird. Alle Versicherer von Gasunie müssen zeigen, dass sie die Klimawissenschaft ernst nehmen und eine Versicherung für das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel ausschließen. Insbesondere rufen wir AXA zum Handeln auf. Der französische Versicherer hat den Ausstieg der Versicherungsbranche aus der Kohle angeführt. Nun ist es an der Zeit, dass AXA diese Rolle auch bei Öl und Gas übernimmt.“
Regine Richter, Energie- und Finanzcampaignerin bei urgewald: „Allianz, Munich Re, Zurich Insurance Group und AXA gehören zu den wichtigsten Versicherern weltweit für Öl- und Gasprojekte, obwohl sie gleichzeitig zu den Gründungsmitgliedern der ‚Net Zero Insurance Alliance‘ gehören. Sie müssen Vorbild für die Versicherungsbranche sein und den Ausstieg aus der Öl- und Gasexpansion anführen. Dazu gehört als erster Schritt, den Bau eines weiteren umstrittenen und aller Voraussicht nach wenig genutzten LNG-Terminals wie in Brunsbüttel nicht zu unterstützen.“
Sofia Rodriguez Engelbrecht, Parents for Future Berlin: „Als Eltern sind wir uns unserer Verantwortung für den Schutz der Zukunft unserer Kinder bewusst. Es ist erschütternd zu sehen, wie Regierungen und Konzerne, auch aus der Versicherungsbranche, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse ignorieren und den Ausbau der Infrastruktur für fossile Brennstoffe vorantreiben. Wir fordern die Versicherer inständig auf, sich von diesen rückständigen, zerstörerischen Projekten fernzuhalten und die Zukunft in Form von erneuerbaren Energien und eines lebenswerten Klimas mitzugestalten.“
Anmerkungen:
1. In einem im März veröffentlichten Bericht „Taking the Next Step“ (Deutsch: „Den nächsten Schritt gehen“) fand urgewald heraus, dass die meisten europäischen und US-amerikanischen Versicherer neue LNG-Projekte in jüngerer Vergangenheit unterstützt haben, auch die NZIA-Mitglieder Allianz, AXA und Munich Re. Link: https://urgewald.org/gas-insurance-report
2. Auch wenn die fossile Industrie und viele Politiker*innen von „Brückentechnologie“ sprechen, hat fossiles Gas (ebenso wie Flüssiggas) einen negativen Einfluss auf das Klima. Es besteht fast ausschließlich aus Methan, das über einen 20-Jahreshorizont einen 86 Mal größeren Erwärmungseffekt hat als CO2. Das LNG-Terminal in Brunsbüttel soll 450 Millionen Euro kosten, von denen bis zu 100 Millionen von deutschen Steuerzahler*innen kommen sollen. LNG-Terminals ebenso wie andere fossile Infrastruktur brauchen Jahrzehnte, um die ursprünglichen Investitionskosten wieder einzuspielen. Damit wird die weitere Nutzung von fossilen Energien ebenfalls über Jahrzehnte festgeschrieben – oder das Risiko eines „stranded assets“ in Kauf genommen. Der EU-Energiesektor muss bis 2035 vollständig dekarbonisiert werden, was in völligem Widerspruch zum Bau eines LNG-Terminals steht, das mindestens 40 Jahre betrieben werden soll.
3. Im Mai 2021 kam die Internationale Energieagentur (IEA) zu dem Schluss, dass bei einem Netto-Nullenergiepfad bis 2050 „kein Bedarf an Investitionen in neue fossile Brennstoffe“ besteht und dass „abgesehen von den bereits 2021 zugesagten Projekten keine neuen Öl- und Gasfelder für die Erschließung in [diesem] Pfad genehmigt werden und keine neuen Kohlebergwerke oder Bergwerkserweiterungen erforderlich sind“. Nach dieser entscheidenden Stellungnahme im Mai wird der IEA World Energy Outlook-Bericht am 13. Oktober veröffentlicht.
4. Klimaaktivist*innen nehmen verstärkt neue Öl- und Gasinfrastruktur in den Blick. Am 30. Juli 2021 besetzten „Ende Gelände“ und die „Shale Must Fall“-Kampagne die Fläche, auf der das LNG-Terminal Brunsbüttel errichtet werden soll. Tausende demonstrierten in der schleswig-holsteinischen Stadt und blockierten die Zubringerstraße zu dem entsprechenden Industriegelände. Andere blockierten den Nord-Ostsee-Kanal mit Kanus.
Der Brief an die Versicherer kann hier runtergeladen werden: https://insureourfuture.co/wp-content/uploads/2021/10/Brunsbu%CC%88ttel-Letter-1.pdf
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