„Wir haben es wenigstens versucht. Schließlich sind wir Dienstleister für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Aber ohne Wind gibt es eben keine Wettfahrten“, bilanzierte der Leiter der Kieler Woche-Regatten, Dirk Ramhorst, eine ausgesprochen ungewöhnliche erste Hälfte. Zwei fast komplette Ausfalltage in Folge sind zwar nicht neu, aber in der 139-jährigen Geschichte nur sehr selten vorgekommen. Immerhin wurden die Aktiven und Gäste in Schilksee von sommerlichen Temperaturen über 20 Grad Celsius und viel Sonnenschein verwöhnt. Aufgrund des noch 17 Grad warmen Ostseewassers reichte das wiederum kaum für den Aufbau einer thermischen Brise. „Das funktioniert an unserem angestammten Termin Ende Juni deutlich besser“, so Ramhorst – zur Disposition stehe der ohnehin nicht.
Mit Blick auf die ausgeschriebenen Segeldisziplinen freute sich der Regattachef über den großen Zuspruch in den Nachwuchsklassen 420er, Europe und ILCA 4. Auch die OK Dinghis seien aufgrund ihres hohen Grads an Internationalität zurecht ein fester Bestandteil. Unstrittig stehe die Kieler Woche zur offen inklusiv ausgeschriebenen 2.4mR. Ramhorst: „Und der Auftritt der ‚Wespen‘ wird sicher keine Eintagsfliege werden.“
Einen Abschluss nach Maß seiner Laserkarriere feierte der 17-Jährige Batbold Gruner in der ILCA-4-Klasse. Der Sieger 2020 hatte auch dieses Jahr bis auf eine Kenterung im letzten Rennen alles im Griff und verwies seinen Vereinskameraden Paul Ulrich vom Zwischenahner Segel-Klub mit sechs Punkten auf den Silber-Rang. Wer in ihm den Philipp Buhl, amtierender Laserweltmeister (ILCA 7), der Zukunft heranwachsen sah, wird leider enttäuscht. Denn Batbold Gruner ist nur 1,63 Meter groß – zu klein für eine Chance in der internationalen Spitze im Laser Standard. „Mit Radialrigg (ILCA 6, d. Red.) würde es vielleicht noch eine Weile gehen, aber da müsste ich auf Dauer auch 75 Kilogramm wiegen“, erklärt Gruner, der aktuell 58 auf die Waage bringt. Und wer nimmt schon freiwillig derart zu. „Ich gehe in die Waszp“, so das große Talent vom Zwischenahner Meer, wo er bereits so einen Foiler liegen hat, „damit komme ich nächstes Jahr wieder nach Kiel.“
„Am Ende war es leider nur aussitzen“, schmunzelte Wolfgang Hunger über seinen 24. Kieler Woche-Sieg, „aber das Kaisersegelwetter am Sonntag war ein einziger Traum.“ Das neue Boot habe sich gut angefühlt – und müsse nun schon ins Winterlager. Die Weltmeisterschaft in Bermuda wurde durch Corona und Transportkosten abgesagt. „Ich hätte dort gerne mit Julian Kleiner gesegelt“, so der Steuermann, der mit Kleiner von 2008 bis 2013 die Kieler Woche lückenlos in Serie gewann. Sein heimischer Vorschoter Holger Jess aus Eckernförde, mit dem der 61-Jährige nun zum zehnten Mal ganz oben auf dem Treppchen stand, hatte dort beruflich passen müssen. Das für nächste Jahr zu erwartende, vielbeschriebene Gesamtsieg-Jubiläum spielte der Wolfgang Hunger gewohnt kleinlaut herunter: „Ob 24 oder 25, das ist doch nicht so wichtig.“
Mädchen punktgleich besser als die Jungs
Mit den anderen Gewinnern der Kieler Woche um die Wette strahlten Lilli Zellmer und Franziska Steinlein. Sie waren punktgleich mit dem Münchener Florian Krauss und Jannis Sümmchen vom Chiemsee beste der fünf Qualifikationswettfahrten. Eine Bestätigung in der Goldflotte der oberen Tabellenhälfte versagte ihnen Petrus. Vater und Trainer Lucas Zellmer aus Schöneichen, früher im 470er erfolgreich, ist stolz: „Damit haben die beiden sich auch für die ISAF-Weltmeisterschaft im Dezember qualifiziert.“ Und ins Sultanat Oman darf pro Nation nur eine Crew. Das gilt genauso für Krauss/Sümmchen. Für die WM-Sechsten wird es das Grande Finale im 420er. Die Zukunft ist noch offen. Zellmers Stammvorschoter Vincent Bahr hat ein Studium begonnen. Eine gemeinsame 470er-Mixed-Kampagne für Olympia wäre die sportliche Alternative oder ein herausforderndes Parallelprojekt.
Heiko Kröger genießt Siege in Kiel
Für Heiko Kröger, der mit dem Feld der 2.4mR am Dienstag zu den Early Birds gehörte, aber um halb zehn auch keinen Wind auf der Bahn India hatte, war es immerhin ein Basteltag weniger. Der paralympische Segelbotschafter und Titelverteidiger hatte während der Regattatage viel an seinem geliehenen Boot zu tun, um den zwölften Gesamtsieg unter Dach und Fach zu bringen. „Das Treppchen in Kiel ist und bleibt schon etwas Besonderes, weil prestigeträchtig mit großer Strahlkraft. Ich bin stolz und zufrieden, wieder ganz oben zu stehen“, so Kröger.
Skandinavier dominieren Europe
Drei Skandinavier standen bei der Europe-Klasse auf dem Siegerpodest. Zu einem Tagessieg reichte es bei dem Schweden Sebastian Knaack zwar nicht, dennoch sicherte er sich mit vier Punkten Vorsprung nach sechs Rennen den Gesamtsieg. „Ich freue mich immer, in Kiel zu segeln und diesmal bei den teilweise harten Bedingungen gewonnen zu haben“, sagte Knaack, der bereits mehrfach bei der Kieler Woche gestartet ist, aber nie zuvor so erfolgreich. Silber und Bronze gehen an Dänemark. Simon Christoffersen belegte mit zwei Punkten Abstand den zweiten Rang vor seinem Landsmann Simon Christiansen. Die beste deutsche Platzierung erreichte die Hamburgerin Tania Tammling von der Segler-Vereinigung Altona-Oevelgönne mit Rang fünf hinter dem Franzosen Cyril Richard. Lokalmatadorin Marisa Roch vom Kieler Yacht-Club lag hinter Niklas Dahm vom Segel-Club Dümmer auf Platz sieben.
Knapper Sieg bei den OK-Jollen
Aktive aus fünf Nationen kämpften bei den OK-Jollen um den Sieg. Mit nur einem Punkt Vorsprung siegte der Däne Bo Petersen vor Andrè Budzien vom Schweriner Yacht-Club. Die ersten der drei ausgetragenen Rennen entschied der Däne für sich, bis Budzien die Siegesserie beendete. Für den Gesamtsieg reichte der Tagessieg für Budzien nicht mehr. Bronze geht an den Schweden Benjamin Hammerö.
Contender: Dänischer Doppelerfolg
Zwei Dänen haben sich bei den Contendern durchgesetzt. Der EM-Dritte Søren Dulong Andreasen aus Hellerup siegte mit zwei Punkten Vorsprung vor Europameister Jesper Armbrust aus Aarhus. Bronze ging an Alexander Gröhlich vom Segler-Verein Grossenheldorn. Weltmeister Max Billerbek aus Elmshorn lag einen Punkt zurück und musste sich mit dem vierten Rang zufriedengeben. Die geplante Aufholjagd blieb ihm versagt.
Nur ein Flugtag für die „Wespen“
Für die „Wespen“ nur ein einziger Wettfahrttag möglich. Deshalb stand nach den fünf Rennen am Sonntag mit anspruchsvollen Bedingungen schon die Siegerin der Waszp-Klasse fest. Sie heißt Mathilde B. Robertstad und kommt aus Tønsberg in Norwegen. „Das war ein harter, langer Wettfahrttag. Nun freue ich mich umso mehr über den Sieg“, sagte sie bei der Siegerehrung strahlend. Die Norwegerin gewann mit nur einem Punkt Vorsprung vor Lokalmatador Adrien-Paul Farien vom Kieler Yacht-Club. Bronze geht an den Schweizer Linus Rindsfüser.
Der Weltmeister ganz vorne
Seiner Favoritenrolle gerecht wurde Michael Berghorn beim Kiel-Cup in der Wertungsgruppe ORC I. Der frischgebackene Weltmeister von Tallinn siegte mit seiner Mills 45 „halbtrocken 4.5“ vor der niederländischen Ker 46 „Van Uden“ mit Gerd-Jan Poortman. Bei sehr leichter, nach einer Runde vor dem Zieltor fast vollständig eingeschlafener Brise siegte der Flensburger Gewinner des Welcome Race am Wochenende, Torsten Bastiansen, mit der X-41 „Xen/Sydbank“ auch beim Kiel-Cup-Rennen nach ORC II, lag aber in I&II zusammen hinter den beiden größeren Yachten. Uwe Kleinvogels Projektion 762 „nemo“ ist erster Spitzenreiter in der Gruppe ORC III/IV.
Am Mittwoch (8. September) wollen die Starboot-Teams endlich ihre erste Wettfahrt der 99. Weltmeisterschaft ins Ziel bringen. Die WM dauert noch bis Sonnabend (11. September). Auf der Seebahn geht der Kiel-Cup der Dickschiffsegler zu Ende. Vorhergesagt wurden leichte, aber stetere Winde als die beiden Tage zuvor.
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