Der genaue Schaden ist noch gar nicht absehbar. Denn weder ist der Sachverhalt abschließend ermittelt noch ist absehbar, welche weiteren Sanktionen z.B. in den USA auf den Volkswagen-Konzern und ihre früheren Organmitglieder zukommen. Trotzdem sollen die Ersatzansprüche bereits jetzt abschließend geregelt werden.
Hierzu sollen sog. Haftungsvergleiche mit Herrn Prof. Winterkorn und Herrn Stadler, den früheren Vorstandsvorsitzenden der VW AG und der AUDI AG, geschlossen werden. Diese Personen sollen persönliche Ersatzleistungen erbringen, zum großen Teil allerdings durch Verzicht auf noch ausstehende Boni. Mit diesen Zahlungen sollen nicht nur alle Schadensersatzansprüche gegen die genannten Herren erledigt werden. Sie sollen damit auch noch eine Freistellung von allen Ansprüchen Dritter durch die VW AG erhalten.
Darüber hinaus soll zu TOP 11 ein sog. Deckungsvergleich mit den D&O-Versicherern geschlossen werden. Mit diesem Vergleich sollen nicht nur die Deckungsansprüche gegen die Versicherungen erledigt werden, sondern darüber hinaus auch alle anderen amtierenden und früheren Vorstandsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder von allen Ansprüchen freigestellt werden. Begünstigt werden damit auch diejenigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder, die die angefochtenen Beschlüsse vorbereitet und der Hauptversammlung vorgeschlagen haben.
Rechtsanwalt Markus Kienle, Vorstandsmitglied der SdK, hält diese Vergleichsverein-barungen für völlig unangemessen: „Vorstände erhalten eine außerordentlich hohe Vergütung, mit der auch die Haftungsrisiken abgegolten werden sollen. Leider ist immer wieder zu beobachten, dass diese Haftung nur theoretischer Natur ist. In der Praxis greift diese auch bei eindeutigen Fällen so gut wie nie. Im Falle von Volkswagen wird das ganze ad absurdum geführt. Obwohl weder die strafrechtliche Aufarbeitung noch die interne Aufarbeitung abgeschlossen ist, soll schon ein Vergleich geschlossen werden, der für die Gesellschaft in seiner Höhe völlig unbedeutend ist. Dies kann nicht rechtens sein.“
Die SdK hat die Beschlüsse daher rechtlich prüfen lassen. Diese Prüfung hat ergeben, dass die gefassten Beschlüsse nichtig bzw. anfechtbar sind, und zwar insbesondere aus folgenden Gründen:
- Die Beschlüsse sind nicht bestimmt. Ein objektiv-urteilender Aktionär weiß gar nicht, was im Einzelnen beschlossen werden soll.
- Zudem sind die Beschlüsse von vornherein wegen der vom OLG Celle angeordneten Sonderprüfung (Beschluss vom 8.11.2017, 9 W 86/17) gesperrt.
- In Anbetracht des Inhalts der Vergleiche liegt ein Rechtsmissbrauch vor: Die Vergleiche und die diesbezüglichen Beschlüsse sind gegen die Gesellschaft gerichtet. Mit den Vergleichen werden bestehende Schadensersatzansprüche, deren Geltendmachung mit keinem ins Gewicht fallenden Prozessrisiko verbunden wäre, zu einem Betrag von weniger als 1 % des Gesamtschadens verglichen. Dies, obwohl insbesondere die handelnden Personen nach unserem Kenntnisstand zu weitaus größeren Schadensersatzleistungen in der Lage sind.
- Die Vergleiche enthalten zudem gesellschaftswidrige Freistellungen zugunsten weiterer Organmitglieder und einen unzulässigen Vorausverzicht.
- Die Beschlussvorbereitung durch den Aufsichtsrat war unzureichend. Der jeweilige (Vorlage-)Beschluss des Aufsichtsrates nach § 124 Abs. 3 AktG ist bemakelt und nichtig.
- Der Beschlussvorschlag ist darüber hinaus deshalb fehlerhaft, weil die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder selbst von dem Vergleich begünstigt werden und damit einem Interessenkonflikt unterlagen.
- Zudem wurden der Hauptversammlung wesentliche Informationen nicht vorgelegt, die für eine sachgerechte Entscheidung zwingend erforderlich sind. Dies gilt insbesondere für den Grund und die Höhe der Ansprüche, die kurzerhand „wegverglichen“ werden sollen sowie für die diesbezüglichen Prozessrisiken. Vor allem die Ansprüche gegen Aufsichtsratsmitglieder, die großenteils von den Mehrheitsaktionären gewählt wurden, werden gar nicht näher thematisiert und sollen durch eine versteckte Regelung im Deckungsvergleich erledigt werden. Entweder wurden diese Parameter gar nicht erst ermittelt oder jedenfalls aber der Hauptversammlung nicht vorgelegt.
Die SdK hat daher beim zuständigen Landgericht Hannover Klage erhoben und wird über Neuigkeiten zum Verfahren informieren. Die SdK lädt für den 27.8.2021 um 10:00 Uhr zu einer virtuellen Pressekonferenz ein, in deren Rahmen der Rechtsvorstand der SdK, Markus Kienle, und die Prozessanwälte für Fragen zur Verfügung stehen werden. Wir bitten Medienvertreter sich zuvor bis spätesten 9:30 Uhr unter presseinfo@sdk.org anzumelden. Nach erfolgter Anmelduung erhalten Sie die nötigen Zugangsdaten übermittelt.
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