Ruhepole in Ostsee-Nähe

Nebel liegt über dem See und die Farben von Kornblumen und Klatschmohn leuchten. Mächtige Linden behüten die St. Petri-Kirche. Es riecht nach Heu und Rosen, der Landregen zieht weiter, es ist frisch und klar. Das Geschnatter von Gänsen auf dem See ist zu hören, ein Hahn kräht. Bosau, ein kleiner wie verschwiegener Ort am Plöner See, liegt in samstagnachmittäglichem Frieden. Es klart auf und das Wasser beginnt zu strahlen.

Kies knirscht unter den Schritten, in den Kronen der Bäume wispert der Wind, über einem mächtigen Hof sausen die Schwalben und wieder weht das Geschnatter der Gänse vom See hinauf. Aus einem Gasthaus, es heißt Zum Frohsinn, weht frohes Lachen auf die Gasse. Bald ziehen kräftige, ruhige Paddelschläge das Boot hinaus; Wind wispert und die Rufe der Gänse nur noch ein Flüstern. Waren die weißen Mauern von St. Petri noch unter dem grünen Dach der Linden zu sehen als man fortfuhr, so ist es nur noch der Glockenschlag, der zu hören ist. Von Bosau am Ufer des Sees.

Ufer und Übergänge sind fließend, Wald scheint auf Wasser zu schweben. Noch liegt Dunst über dem See, doch die Sonne flutet zunehmend in diesen Raum, ein Kormoran sitzt auf dem Baum, der ins Wasser fiel, und trocknet sein Gefieder. Schwäne tauchen aus dem Nebel auf und gleiten auf den See hinaus. Das Wasser wird dunkler und tiefer, voraus erscheint das Schloss von Plön und es scheint über dem Wasser zu schweben. Aufbruch und Ankunft gleichermaßen. Schwäne am Ufer und Kormorane auf Bäumen. Später und anderswo: Ein Seeadler schwingt auf und gleitet über das Ufer, über das Wasser. Majestätisch nicht allein wegen seiner Größe, es ist ein erhabenes Gefühl, diesem Tier so unmittelbar, so selbstverständlich zu begegnen.

Es ist fantastisch und paradiesisch. Solche Augenblicke und Eindrücke sucht man nicht, man bereitet ihnen allenfalls den Weg sie zu erleben – abseits unterwegs mit Zeit und Muße, mit offenen Augen und Ohren, den Kopf wieder klar und im Herzen Zuversicht. Dann hört man einen Vogel rufen und lässt sich locken, weiter fort, tiefer hinein auf dem Fluss. In fast dschungelartigem Uferwald mit Moosen, Farnen. Und umgestürzten Bäumen im Fahrwasser, drumherum paddeln mit Erfahrung und Vorwärtskommen aus eigener Kraft, mit Mut. Urwaldartiges Grün mit obskuren Vogelstimmen, dann knallfarbige Seerosenblüten. Mit seltsam silbrig flirrenden Blättern der Pappeln.

Schwere Wolken bauen sich auf über dem Kellersee, die Wellen nehmen zu, gut, dass der Anleger zur Seehütte, einem Gasthaus, nah ist. Das Boot ist sicher festgemacht und wetterfest eingekehrt sind nicht nur die frischbelegten Fischbrötchen ein Genuss, sondern auch der Blick auf den See, wo das Wasser rauscht. Ein Blick auf die Wettervorhersage, Infos vom Bootsvermieter, eine fundierte Streckenplanung sind die Voraussetzung für einen gelungen und sicheren Ausflug. Wer zuhört, was die Leute sagen, bekommt auch einen Tipp zur Einkehr wie diesen. Auch dieses Unwetter zieht vorüber; in der Luft liegt der Duft nach Wasser, es riecht nach Wald und Wiese, Nonnengänse marschieren schnatternd am Ufer entlang, Boote, die nicht hoch hinaufgezogen wurden, sind vollgelaufen.  Das grüne Binnenland lässt sich mit dem Boot, dem Rad und zu Fuß entdecken. Strecken, die zum Entschleunigen einladen. Und schöne, spannende und wundersame Orte abseits der ausgetretenen Wege. So überraschend.

Im Naturpark Holsteinische Schweiz gibt es so viele schöne Orte zum Entdecken. Über einen sandigen Pfad und unter alten Bäumen geht es weiter. Wildkirschen und riesige Eichen stehen in diesem Wald, ein Bach plätschert. Nebel liegt über dem Ukleisee und ein einsamer Angler sitzt auf seinem Boot. Zander, Aal und Hecht- es lohnt sich, in den Restaurants und Fischräuchereien nach Spezialitäten aus den Seen Ostholsteins zu fragen. Hier unterwegs zu sein, ist ein Genuss und einer für alle Sinne. Denn die Hektik ist fort, die Sinne sind geschärft, der Kopf klar geworden mit jedem Schritt, mit jedem Tritt in die Pedale, mit jedem Paddelschlag. Am Ufer des Sees stehen Hasel und Holunder, alte Eichen im Wald und Buchen sowieso. Munteres Vogelgezwitscher von Singdrossel und Rotkelchen perlt durch den Wald und über das Ufer, der See liegt vollkommen still und im Nordwesten bauen sich abermals düstere, dunkle Wolkentürme auf.

Es ist ein Wechselspiel der Empfindungen – hier tote und vermooste Baumriesen, dort bunter Fingerhut oder roter Aronstab, hier noch flutendes Sonnenlicht, dort schon schweres Wetter, hier munterer Vogelruf, das melodische Singen der Mönchsgrasmücke zum Beispiel, dort Donnergrollen, hier der Duft nach Waldmeister, dort der nach Moder, Moor und Sumpf. Erste Böen verwerfen den Spiegel des Sees – Wolken, Bäume, Boot mit Angler – zu Zerrbildern. Letztes Licht strömt über den See, durch frisches Grün, es glitzert. Es sind Lichtspiele, ein Wechsel von hell und dunkel, es ist ein seltsames Spiel der Eindrücke. Es wirkt melancholisch, auch wegen der Bäume, in denen Käuzchen und Spechte hausen. In Holstein gibt es Uhus, vielleicht hört man nächstens seinen schaurigen Ruf.

Vom Boot aufs Rad gewechselt, geht es weiter. Vorbei (oder in die Nähe) an Kirchen, kostbaren Kleinoden mit großartiger Geschichte. Unterwegs ist aber auch Zeit für Rast und Einkehr an gastlichen Orten wie zum Beispiel Fischräuchereien oder -gaststätten am See, Cafés an fantastischen Gärten. Orte sind das für die Ankunft, fürs Verweilen und Genießen. 

Man entdeckt Orte wie diesen: den Ostsee-Bibelgarten neben der Kapelle in Neustadt-Pelzerhaken. Hier wachsen Pflanzen, die einen Bezug zur Bibel haben und gleichzeitig in typischer Ostsee-Atmosphäre gedeihen. Strandkorb, Sanddorn, Wind und die Nähe zum kleinen Meer. Aber auch: Feige, Ysop, Minze. Es riecht nach Lavendel, bei den Heilpflanzen nach Thymian und Salbei. Immer mehr nehmen die Sinne wahr – man fühlt die Ruhe in dieser Oase und das Dasein in der Natur, hört den Wind und die Bienen, sieht Farben und riecht Aromen und fast vergessene Gewürze. Dies ist kein großer Park oder ein botanischer Garten; dies sind liebevoll und mit Leidenschaft angelegte Beete rund um die Kapelle, ein Ort auf der Anhöhe, einer zum Abschalten. Ein Ort, den man unterwegs findet, wenn man sich treiben lässt und Ohren und Augen offenhält.

Cismar zum Beispiel, war Kloster und ist ein Schatz. Cismar war mächtig, wurde im 13. Jahrhundert gegründet und das frische, freie Denken der Brüder machte es zu einem geistigen Zentrum. Die Glocke schlägt, die alten Gemäuer erheben sich – beinahe möchte man ehrfürchtig sein – vor den mächtigen Bäumen. Stockrosen an den Wänden und Lavendel duftet. Laternen an den Eingängen, es schönes Setting. Zwielicht im Kirchenschiff, Gitter im Gewölbe – und dann strahlt es in Gold und Purpur, faszinierende Figuren in biblischen Szenen. Im Kloster Café duftet es nach frisch gebackenem Kuchen, eine Einladung zur Rast an erhabenen Gemäuern.

Der Weg führt weiter nach Norden; stille Wege vorbei an Hecken, den Knicks, voll Vogelstimmen und Blüten, unter Pappeln, Ahorn und Obstbäumen. Heiligenhafen ist erreicht. Mit seinen Silos, Frachtern und Kuttern ist der Hafen echt und lebendig, Fisch gibt es frisch vom Kutter und in den Gaststätten, auch gleich am Hafen. Von hier führt der Radweg auf die Fehmarnsund-Brücke und die Insel ist erreicht. Über Burgstaaken zum Beispiel (leckere Fischbrötchen am Hafen) geht es in den Südosten von Fehmarn, auch hier ruhige Ecken, zum stillen Genießen von Land und Meer.

Der Weg führt durch eine Allee, Pappeln rauschen im Wind, durch die Blätter flimmert und flirrt die Sonne, auch hier ein Spiel von Licht und Schatten. Eichen und Eschen stehen hier, ein Vogel ruft. Knicks, also die Hecken als Windbremse und zur Begrenzung der Äcker und Weiden, geben der Gegend ein wildromantisches Gepräge, Rosen und andere Blüten, die Luft voller Vogelstimmen. Und nun kann man das Meer riechen und hören, spüren. Ein Pfad führt nahe dem Leuchtturm hinunter an den Strand, die Ostsee glitzert munter, es ist still und einsam. Nur die Brandung ist zu hören, ein verhaltenes, einladendes und sanftes Rauschen, und die Rufe der Möwen, der Wind in den Kronen der Bäume; es ist schön und still.

Muschelschalen klirren unter den Schritten, es duftet nach der See, die Segel der Boote weit draußen setzen muntere Akzente auf dem Blau der Ostsee und unter dem hohen Himmel. Ein Schiffshorn ist zu hören. Der Strand, das Ufer, ist einsam und auf eine schöne Weise „unaufgeräumt“, so liegen von der Sonne und vom Wasser gebleichte Stämme am Ufer. Oben auf der Küste führt der Weg mit herrlicher Aussicht, auch durch Alleen, durch einen verwunschenen Küstenwald. Der sanfte Abendwind weht den Klang ferner Kirchenglocken vorüber. Ein feines Rauschen der Brandung ist zu hören, hier oben auf der Steilküste. Der frische, sanfte Wind ist belebend und die Aussicht beinahe berauschend. Und bilderbuchschön mit dem Leuchtturm, der See. Der Abend kommt mit einem tiefen, wunderschönen Blau. Und mit einem Seelenfrieden weit weg vom Rest der Welt.

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