Als es im Juni 2020 zu mehreren massiven Corona-Ausbrüchen in den Betrieben des Tönnies-Fleischkonzerns in Rheda-Wiedenbrück kam, berichteten mehrere Zeitungen über die Arbeits- und Wohnsituation der Werkmitarbeiter. Das Vorstandsmitglied der Caritas im Kreis Gütersloh Volker Brüggenjürgen ist seit jeher – schon vor der Corona-Pandemie – ein bekannter Kritiker der Fleischindustrie und Sprachrohr gegen die Betriebspraxis von Tönnies & Co. So wurde Brüggenjürgen in einem Artikel der Westfälischen Nachrichten vom 03.07.2020 mit den Worten wiedergegeben: „Die drei Männer leben in einem verkommenen, 15 Quadratmeter kleinen Zimmer, für das sie 960 Euro zahlen müssen“. Laut Berichterstattung der Westfalenpost sollte er diese Aussage in Bezug auf „drei Tönnies-Werkvertragsarbeiter aus Bulgarien“ getätigt haben.
Zunächst hat sich der Tönnies-Konzern erfolglos an den Verleger der Zeitung – der Funke Medien NRW GmbH – gewandt, um eine Unterlassung dieser Aussage zu erwirken. Der Verleger führte an, dass sich Brüggenjürgen bei einem Telefonat mit einem Redakteur der Zeitung ausschließlich auf Werkwohnungen von Tönnies bezogen habe.
Daraufhin verklagte Tönnies Brüggenjürgen persönlich vor dem Landgericht (LG) Essen auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Hinblick auf diese veröffentlichte Aussage.
Rechtsanwältin Renate Schmid, die den Prozess für Brüggenjürgen geführt hat: „Allerdings konnte Tönnies nach Überzeugung des Gerichts nicht beweisen, dass Brüggenjürgen die von der Westfalenpost veröffentlichte Aussage gegenüber ihrem Journalist getätigt hatte. Tatsächlich hatte Brüggenjürgen mit seiner Aussage dem Journalisten über einen Fall um Werksvertragsarbeiter bei einem Logistikunternehmen berichtet. Der Journalist hatte die Aussage des Caritas-Vorstands dann in einen völlig anderen Kontext gesetzt und somit Brüggenjürgen falsch zitiert.“
Schmid weiter: „Meiner Auffassung nach wurden hier seitens der Zeitungen journalistische Sorgfaltspflichten, namentlich die korrekte, sinngemäße Wiedergabe von Zitaten verletzt. Unser Mandant Brüggenjürgen kann nicht für eine falsche, aus dem Kontext gerissene veröffentlichte Aussage juristisch zur Verantwortung gezogen werden. Dies hat das Gericht hier erkannt und richtigerweise für unseren Mandanten entschieden.“
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