Homeoffice ist keine Gefahr, sondern eine Chance

Die Inzidenzen in Deutschland sinken und die von der Politik eingeführte Homeoffice-Pflicht wird zum 1. Juli wieder aufgehoben. Viele Vorgesetzte fordern demnach ihre Mitarbeiter dazu auf, wieder in die Firma zu kommen. Laut einer Studie der Universität Mannheim waren bereits im Sommer nach der ersten Covid-19-Welle nur noch knapp fünf Prozent der Beschäftigten dauerhaft zu Hause – zum Höhepunkt der anfänglichen Krise waren es mehr als 30 Prozent. Grundsätzlich hat der Arbeitgeber das Recht, von seinen Mitarbeitern zu verlangen, im Büro zu arbeiten. Und viele Beschäftigte wollen auch zurück an den Arbeitsplatz. Aber das Homeoffice wird seinen neuen Stellenwert nicht verlieren. Nach dem Manager-Barometer 2019/2020 der Personalberatung Odgers Berndtson möchten 38,2 Prozent der Führungskräfte aus der Generation Y ortsunabhängig oder zuhause ihren Beruf ausüben. Und gemäß der Umfrage der Universität Mannheim befürworteten 73 Prozent der Bevölkerung Ende Juni 2020 einen entsprechenden Rechtsanspruch auf Remote Work. 

Viele Personalverantwortliche sind immer noch der Meinung, dass Angestellte im Heimbüro unproduktiv und unmotiviert sind. Aber eine Tätigkeit in den eigenen vier Wänden ist ohne Abstriche bei der Leistung möglich. Gerade flexible Regelungen motivieren die Mitarbeiter und binden sie an Unternehmen. Laut Bitkom-Untersuchungen zeigt sich bei vielen der Wunsch, im Grünen zu wohnen, bei anderen, in einer attraktiveren Stadt oder näher bei Freunden und Familie zu wohnen und Miete zu sparen. Daher gilt es, auf die Bedürfnisse und Wünsche seiner Mitarbeiter einzugehen und mit klassischen Argumenten für eine Büropräsenz aufzuräumen, die sich immer mehr als Mythos erweist.

Mythos 1: Wer in der Firma arbeitet, ist produktiver. 

Nur weil jemand in Sichtweite sitzt, heißt das noch lange nicht, dass er seine Zeit effizient nutzt. Das Tippen und Klicken mit Tastatur und Maus erzeugen zwar den Anschein von Produktivität, doch dieser kann auch trügen. Möglicherweise schreibt der Gegenüber gerade persönliche E-Mails, chattet mit Freunden oder liest online Zeitung.

Ein Bestehen auf der Präsenzpflicht kann sogar kontraproduktiv sein, vor allem wenn immer mehr Betriebe die Arbeit zuhause unterstützen. Vielmehr gilt es, Vertrauen zu beweisen und Freiheiten zu gewähren. Eine Studie der Krankenkasse DAK bei 7.000 Arbeitnehmern ergab, dass sich rund 59 Prozent als produktiver einschätzen. 82 Prozent der befragten Arbeitnehmer gaben außerdem an, dass sie grundsätzlich ihre Arbeitsaufgaben genauso gut im Homeoffice erledigen könnten.Gleitzeiten und frei wählbare Homeoffice-Tage motivieren eher, als dass sie zum Nichtstun ermutigen. Viele Beschäftige wollen schlicht und einfach die Zeit für die Anfahrtswege sparen, Termine besser mit dem Geschäftsalltag vereinbaren und vielleicht früher wieder bei der Familie sein, ohne die Arbeit zu vernachlässigen. 

Mythos 2: Teambuilding funktioniert nur im Büro.

Beim klassischen Präsenzmodell erfolgt das Netzwerken und die Gemeinschaft der Kollegen in den Pausen, im Rahmen von Events wie Sommerfesten und Weihnachtsfeiern, gemeinsamen Biergartenbesuchen oder Teambuilding-Maßnahmen. Bisher fanden solche Veranstaltungen analog statt. Laut Bertelsmann Stiftung sind rund 60 bis 80 Prozent der Befragten der Meinung, dass sich seit Ausbruch der Pandemie Aspekte wie Unternehmenskultur, Beziehungen zu Kollegen und Wohlbefinden nicht verändert haben.

Aber auch über Videokonferenz und Chat können sich Teams am Bildschirm zum Mittagessen oder zum informellen Austausch verabreden oder ein „virtuelles Bier“ trinken. Selbst gemeinschaftsfördernde Aktionen lassen sich aus der Distanz durchführen: Escape-Room-Anbieter haben beispielsweise ihre Online-Angebote für Teambuilding-Events ausgebaut und sich auf verteilt arbeitende Teams eingestellt. Eine zusätzliche Vor-Ort-Veranstaltung unter Einhaltung der Hygienevorgaben ist natürlich nicht ausgeschlossen und hat nun sogar einen höheren Stellenwert als zuvor.

Mythos 3: Hybride Präsenzmodelle sind zu kompliziert. 

Die Corona-Situation hat gezeigt, dass einige Mitarbeiter lieber dauerhaft zu Hause bleiben, andere hingegen an unterschiedlichen Tagen in die Firma kommen wollen. Viele Verantwortliche haben Bedenken, wie sie eine solche Flexibilität gestalten können. Sie sehen Probleme beim ständigen Pendeln zwischen Wohnzimmer und Zentrale sowie angesichts wechselnder Schreibtischbelegungen im Büro.

Doch solche Befürchtungen sind unbegründet. Vor allem Start-Ups und kreative Tech-Unternehmen zeigen, wie sich mit wenigen Mitteln ein flexibles Büro einrichten lässt. Hier hat jeder eine persönliche Ablage, in die er nach Feierabend den Laptop und andere persönliche Dinge verstaut oder nimmt sie für das Homeoffice mit nach Hause. Am nächsten Morgen holt er sie wieder heraus und sucht sich einen freien Platz.

Vor allem angesichts der Corona-Vorgaben und Abstandsregeln macht die Startup-Strategie Sinn. Einigen Mitarbeitern gefällt es sogar, sich jeden Morgen einen neuen Schreibtisch zu suchen. Ein weiterer Vorteil: Mit Homeoffice lassen sich Kosten einsparen. Denn je weniger Personen täglich präsent sind, desto weniger feste Plätze benötiget ein Unternehmen. Das heißt, Firmen können Personal einstellen, ohne sich zwingend nach einem größeren Gebäude umsehen zu müssen.

Mythos 4: Neue Kollegen müssen im Büro anfangen.

Neue Teammitglieder erhalten oft die Vorgabe, zunächst nur im Büro zu arbeiten, um das Team besser kennenzulernen. Sicher verkürzt die Anwesenheit vor Ort die Wege bei häufigen Rückfragen und beim notwendigen Austausch. Und gerade am Anfang ist es durchaus sinnvoll, die neue Wirkungsstätte kennenzulernen. Doch auch über Video-Calls gibt es Wege neue Teamkollegen zu begleiten. So haben laut ICR Blitzumfrage 36 Prozent der befragten Unternehmen bereits Wege für ein virtuelles Onboarding gefunden. 20 Prozent machen weiter wie bisher. Doch wenn die Kollegen immer im Homeoffice arbeiten, macht die Vorgabe für den Neuen, immer im Büro zu sein, auch zu Beginn wenig Sinn.

Mythos 5: Beim Angebot von Homeoffice bleiben alle zu Hause.

Es ist zudem nicht zu befürchten, dass die Beschäftigten nur noch zuhause arbeiten wollen. Besonders Eltern empfinden die ständige Anwesenheit der Kinder als starke Belastung – vor allem, wenn es sich um Kleinkinder handelt. Dies bestätigen 12,6 Prozent der von LogMeIn befragten Deutschen. Der Arbeitstag wird in viele Abschnitte zerrissen und in den frühen Morgen oder den Abend ausgedehnt, um Kinderbetreuung und Job vereinbaren zu können. Der Lockdown mit geschlossenen Kindergärten und täglichem Homeoffice ist noch vielen Eltern in bleibender Erinnerung. Um eine Balance zwischen Job und Kindern zu finden, kommt es auf eine räumliche Distanz an – sofern für die Betreuung der Kinder gesorgt ist. Aber auch Beschäftigte ohne Kinder schnuppern gerne wieder Office-Luft. Entscheidend ist die flexible Nutzung beider Möglichkeiten.

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