Inkontinenz: unangenehm und tabu – aber behandelbar

Nach aktuellen Zahlen der Deutschen Kontinenz Gesellschaft leiden rund 8 Millionen Männer und Frauen in Deutschland unter einer Erkrankung, die den Alltag stark einschränkt, die Lebensqualität enorm beeinträchtigt und nicht selten zu Partnerschaftsproblemen und sozialer Isolation führt. Und obwohl das Krankheitsbild mittlerweile gut zu behandeln ist, findet nur ein Bruchteil der Patienten den Weg zum Facharzt. Die Rede ist von der Harninkontinenz. Zum Weltinkontinenztag am 30.06.2021 gibt Dr. med. Mark Boockmann. Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe der Asklepios Klinik Lindau Tipps im Umgang mit der Krankheit.

Ständiger Harndrang oder ungewollter Urinverlust sind intime und gleichermaßen weitverbreitete Probleme. Die Harnblase sammelt den Urin, um ihn dann zu einem späteren Zeitpunkt kontrolliert abzugeben. Dies geschieht durch ein komplexes Zusammenspiel von Muskeln und Nerven. Menschen mit einer Reizblase leiden häufig und ganz plötzlich unter sehr starkem Harndrang und verspüren dann das Bedürfnis sofort die nächste Toilette aufzusuchen. „Harninkontinenz bringt meist einen großen Leidensdruck mit sich“, betont Dr. med. Mark Boockmann. Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe der Asklepios Klinik Lindau.  Er ermutigt Betroffene jeden Alters, über ihren Schatten zu springen und sich ärztlichen Rat zu holen: Denn in den allermeisten Fällen ist eine Inkontinenz gut zu behandeln.

Auf diesem Weg ist Ursachenforschung der erste und oftmals entscheidende Schritt – denn der unwillkürliche Harnverlust kann zahlreiche Gründe haben: Von einer Beckenbodenschwäche über Nerven-Erkrankungen bis zur Komplikation in Folge einer Operation. Entsprechend umfassend ist auch die Diagnostik: Ausführliche Gespräche, Protokolle des Trinkens und Wasserlassens, Blut- und Urinuntersuchungen kommen ebenso zum Einsatz wie Stresstests oder bei Bedarf Ultraschall oder funktionsdiagnostische Verfahren. 

Auch durch die Absenkung des Darms, der Blase, oder der Gebärmutter kann zu einer Inkontinenz führen. „Verschiedene Muskeln und Bänder halten normalerweise die Blase an ihrem Platz im Becken. Bei einer Blasensenkung verlagert sich die Blase nach unten in Richtung Beckenboden“, so   Dr. med. Mark Boockmann weiter. Betroffen sind in diesem Fall fast ausschließlich Frauen. Ihre Beckenmuskulatur ist von Natur aus etwas weniger stabil, dafür aber dehnbarer damit sich der Geburtskanal für eine Geburt erweitern kann. Ist der Beckenbogen in Folge einer Geburt geschwächt, kann es auch zu einer Absenkung der Gebärmutter oder des Darms kommen. Neben einer Geburt können auch starke körperliche Belastung oder eine familiäre Veranlagung Auslöser für die entsprechenden Senkungsbewegungen sein. Die Folge: Schmerzen im Beckenboden, ein Fremdkörpergefühl bis hin zum ungewollten Urin oder Stuhlverlust.  Ist das der Fall, stehen verschiedene konservative und operative Maßnahmen zur Verfügung.  „Mit dem Wissen um Ursache und Schweregrad können wir dann eine gezielte Therapieentscheidung treffen“, so Boockmann weiter. Zur Verfügung stehen zum Beispiel Beckenbodentraining, eine medikamentöse Behandlung und auch verschiedene Operationsverfahren, zum Beispiel zur Stärkung des Schließmuskels. Insbesondere die operative Behandlung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt:  Minimalinvasive Verfahren, die eine schnellere Genesung und weniger Belastung bedeuten, sind heute die Regel.

Weltinkontinenztag klärt auf

Trotz zahlreicher Betroffener und guter Behandlungsoptionen ist Harninkontinenz noch immer ein Tabuthema. Genau das möchte der Weltinkontinenztag der jährlich am 30. Juni stattfindet ändern, indem Fachgesellschaften und Fachärzte mit zahlreichen Informationen zu aktuellen Behandlungsmöglichkeiten, aufklären.

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