Hinzu kommen steigende Tierwohlanforderungen und deren Umsetzung. „Wir hoffen auf politische Signale, dass Schweinehaltung in Thüringen eine Zukunft hat“, so Dr. Lars Fliege, Vizepräsident des TBV und selbst Schweinehalter im Weimarer Land. Es brauche, so Fliege, eine langfristige und verlässliche finanzielle Unterstützung der schweinehaltenden Betriebe in Thüringen. „Ohne Unterstützung wandert die Schweinehaltung aus Thüringen ab! Bereits heute liegt der Selbstversorgungsgrad nur bei rund 75 Prozent. Werden die notwendigen Umbaumaßnahmen durch die Politik nicht finanziell unterstützt, droht ein Bestandsabbau von knapp 100.000 Tieren. Dann dürften kaum 50 Prozent des im Freistaat verzehrten Schweinefleisches noch aus Thüringen stammen“, so die Prognose Flieges.
Die IGS und der TBV fordern zur Unterstützung der Thüringer Schweinehalter die Zahlung einer staatlichen Investitionsförderung und einer Tierwohlprämie, die auch bei den Erzeugern ankommt. Die Investitionsförderung soll als einmaliger Zuschuss ausgezahlt werden, die Tierwohlprämie muss hingegen durch langfristige Verträge abgesichert werden.
Zur Unterstützung der Erzeugung und Verarbeitung von Schweinefleisch sollten zudem Möglichkeiten gefördert werden, mehr Schweine in Thüringer zu schlachten. Zurzeit wird nur noch ein Viertel der in Thüringen erzeugten Schweine auch hier geschlachtet. Um dies zu erreichen, muss u.a. ein Landesprogramm für Thüringer Schlachtunternehmen bzw. für landwirtschaftliche Betriebe mit Hofschlachtung aufgelegt werden. Um die voll- und teilmobile Schlachtung für kleine Schlachtmengen zu fördern, gelte es zudem landeseinheitliche Regelungen zu treffen, damit nicht wie aktuell jeder Landkreis nach eigenem Ermessen über eine Zulassung von mobilen Schlachtanlagen entscheidet.
Auch die regionale Vermarktung kann aktiv unterstützt werden. Die Landesregierung sollte öffentliche Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Kantinen etc.) dazu verpflichten, regional erzeugte Lebensmittel für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten zu verwenden. Als erster Schritt sollte sich die Landesregierung darauf festlegen, dass 60 Prozent der Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung bis 2025 in öffentlichen Küchen und Kantinen des Freistaates aus regionaler Erzeugung stammen.
Die gemeinsame Stellungnahme der IGS und des TBV zum Fragenkatalog des Landetages für das Anhörungsverfahren am 20. Mai ist auf der Homepage des TBV unter Service/Downloads/Downloadbereich Öffentlich/Stellungnahmen/ nachzulesen.
Hintergrund
Rückgang der Sauenhaltung
Insgesamt werden heute in Thüringen noch 65.000 Zuchtsauen (TSK, Stichtag 1. März 2021) gehalten – 5.500 Sauen weniger als noch Anfang 2020. Innerhalb eines Jahres hat sich damit der Zuchtsauenbestand der 71 Thüringer Sauenhalter (ab 10 Sauen) um fast acht Prozent reduziert. In den zurückliegenden acht Jahren haben bereits 42 Betriebe ihre Sauenhaltung vollständig aufgegeben. Einige Betriebe haben ihren Sauenbestand erheblich abgebaut (um 25 bis 70 Prozent).
Bei den Mastschweinen ist der Bestandsrückgang nicht so extrem ausgeprägt wie bei Sauen, doch in einigen Fällen wurde der Bestand deutlich zurückgefahren. Insgesamt werden heute in Thüringen noch rund 700.000 Schweine gehalten
Schlachtungen
2007 wurden in Thüringen noch mehr als 1,7 Millionen Schweine jährlich von sieben Schlachtunternehmen geschlachtet. Inzwischen sind es noch drei Unternehmen, die mehr als 200 Tiere je Woche schlachten. Dies erfolgt allerdings auf einem niedrigen Niveau: 238.000 Schweine wurden im Jahr 2020 noch gewerblich geschlachtet, d.h. nur noch ein gutes Achtel gegenüber 2007. Über 75 Prozent der in Thüringen erzeugten Schweine werden außerhalb des Freistaates geschlachtet. Nachdem ein Schlachthof in Weimar geschlossen hatte, stellte der Schlachthof in Altenburg (Vion) Anfang 2020 seine Schweineschlachtungen ein. In Altenburg wurden 15.000 Schweine pro Woche geschlachtet, davon 3.000 in Lohnschlachtung für Direktvermarkter und das regionale Fleischerhandwerk. Dadurch verloren insbesondere Schweinemäster in Ostthüringen regionale Vermarktungsmöglichkeiten.
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