Corona-Infektionsgefahr in Innenräumen durch verbesserte Lüftungs- und Luftreinigungstechnik senken

Corona-Infektionen können auch durch Begegnungen ohne direkten Kontakt verursacht werden, z. B. wenn man allein in einem unbelüfteten Fahrstuhl fährt, den ein Infizierter zuvor benutzt hat. Um das Infektionsgeschehen in der Corona-Pandemie effektiver einzudämmen, sollten daher zusätzlich zu den üblichen Schutzmaßnahmen (Atemschutzmasken, Hygiene und Abstandhalten) verbesserte Lüftungs- und Luftreinigungstechniken für gemeinschaftlich genutzte Innenräume wie Verkehrsmittel, Großraumbüro oder Klassenzimmer angestrebt werden. „Zum besseren Verständnis muss man wissen, dass sich Viren wie SARS-CoV-2 in allererster Linie in Form von Aerosolen ausbreiten“, erklärt Dr. med. Thomas Voshaar, Vorstandsvorsitzender des Verbands Pneumologischer Kliniken (VPK) und Chefarzt des Lungenzentrums am Krankenhaus Bethanien in Moers. „Denn die Viren werden dort, wo sie sich vermehren – also in den Atemwegen, aber vor allem in der Lunge – an Tröpfchen gebunden und gelangen somit schon beim einfachen Ausatmen, vermehrt aber beim Sprechen, Schreien oder Singen in die Umgebungsluft. Da die Tröpfchen sehr klein (circa 0,2-0,3 μm) sind, bleiben sie über viele Stunden in der Luft in einem Schwebezustand. Dies unterscheidet sie ganz wesentlich von größeren Tropfen, wie sie vor allem beim Husten und Niesen entstehen. Diese größeren Tröpfchen verhalten sich eher ballistisch und sinken recht schnell zu Boden. Die größere Gefahr stellen also eindeutig die kleineren, länger in der Luft verweilenden infektiösen Tröpfchen dar. Daraus lässt sich auch direkt ableiten, dass die größte Ansteckungsgefahr in Innenräumen besteht. Draußen nämlich verdünnt sich die Aerosolwolke sofort in dem unbegrenzten Raum und durch Luftbewegung.“

Virusmenge in der Raumluft kann nur durch Lüften oder Luftreinigung verdünnt werden
Um die Infektionsgefahr in geschlossenen Räumen zu senken, sollte die Aerosolkonzentration – also die Anzahl der virusbeladenen Teilchen pro Raumvolumen – verdünnt werden, entweder indem für eine bessere Belüftung gesorgt wird oder eine Reinigung der Raumluft durchgeführt wird. „Große Räume müssen regelrecht ‚gespült‘ werden, sonst kommt es zu einer Aufkonzentrierung der Viren in der Luft, so dass die Virusmenge mit der Zeit immer weiter zunimmt. Das Infektionsrisiko in Innenräumen wird von etlichen Faktoren bestimmt – wie der Anzahl der anwesenden Menschen und ihrer Aufenthaltsdauer, der Raumgröße und vor allem auch der Raumhöhe, der Raumbelüftung und natürlich auch von den Möglichkeiten der Luftreinigung. Besonders betont werden muss, dass die Infektionsgefahr mit der Dauer des Aufenthaltes quadratisch zunimmt, also extrem zeitabhängig ist. Nur durch Lüftung und Luftreinigung kann man diese Situation ändern“, bekräftigt Dr. Voshaar.

Geringe Luftfeuchtigkeit fördert die Ausbreitung von Coronaviren
Unter den physikalischen Faktoren spielt zum Beispiel auch die Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle beim Infektionsgeschehen, wie Wissenschaftler des Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) festgestellt haben: In trockener Luft können sich die Viren stärker ausbreiten. Vereinfacht gesagt binden die Tröpfchen bei feuchter Luft mehr Wasser, werden schwerer, sinken deshalb schneller zu Boden und können damit weniger von Gesunden eingeatmet werden. Bei einer geringen Luftfeuchtigkeit unter 40 Prozent hingegen verdunsten die an die Viruspartikel gebundenen Flüssigkeitströpfchen, die Partikel schrumpfen also, werden leichter und können somit ihre Aufenthaltszeit in der Luft verlängern, so dass sie auch eher von Gesunden eingeatmet werden. Außerdem trocknen auch die Schleimhäute in unseren Atemwegen bei geringer Luftfeuchte stärker aus und verlieren dadurch an Abwehrkraft gegenüber Viren. Insofern können beheizte Innenräume die Ausbreitung von Coronaviren fördern. „Es ist daher vorteilhaft, die relative Feuchte in der Innenraumluft nicht zu stark absinken zu lassen, um die Aufenthaltszeit der Aerosolpartikel in der Luft durch Abtrocknen nicht zu erhöhen“, rät Dr. Voshaar.

Mit Raumluft-Überkopfabsaugung künftig auch andere Infektionswellen in Schach halten
Mehr Augenmerk sollte auch auf die Art des Lüftens gerichtet werden: Kleinere Aerosolteilchen steigen mit der warmen Atemluft auf und sammeln sich dann unterhalb der Raumdecke an. „Deshalb ist bei Lüftungsanlagen darauf zu achten, dass die Frischluftzufuhr nicht von oben nach unten erfolgt, da dies zu einer Verwirbelung von Frisch- und Atemluft führt und die Viren dann wieder in den gesamten Raum verteilt werden. Stattdessen sollte die Raumluft effektiv nach oben abgesaugt werden“, erläutert Dr. Voshaar. Deckenventilatoren wären in dieser Hinsicht also kontraproduktiv. In Flugzeugen oder im öffentlichen Nahverkehr könnte eine Umkehrung der Luft-Zu- und Abführung Abhilfe schaffen. Zur Reduzierung der Viren-Übertragung über Aerosole in der Gastronomie, Kultureinrichtungen, Krankenhäusern und Schulräumen raten Experten des TROPOS dazu, geeignete Entlüftungs- und Luftreinigungsanlagen mit Überkopfabsaugung zu installieren. CO2-Messgeräte können dabei anzeigen, wie gut die Belüftung wirkt. „Mit einigem technischen Aufwand und bei konsequenter Umsetzung der Maßnahmen könnten rund 90 Prozent der potenziell virenhaltigen Aerosole aus Innenräumen entfernt werden. Mit dieser Investition ließen sich künftig auch andere Infektionswellen wie die saisonale Grippe, die ja ebenfalls über Aerosole verbreitet wird, besser in Schach halten“, fasst Dr. Voshaar zusammen.

Quellen:
• Podiumsdiskussion mit Pressekonferenz zum Thema Aerosol & Corona am 17.3.2021
• Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) zum Verständnis der Rolle von Aerosolpartikeln beim SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen
• Stellungnahme des Arbeitsausschusses Feinstäube (AAF) von DECHEMA/ProcessNet, GDCh und KRdL am 08. Dezember 2020
• Clinical Infectious Diseases, Online-Veröffentlichung am 1.11.2020
• Aerosol and Air Quality Research, Online-Veröffentlichung am 28.7.2020
• Environmental International, Online-Veröffentlichung am 27.5.2020

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