Ausgangspunkt der Studie ist die sogenannte Optimalsteuer-Theorie: Wie bei jeder Steuer gibt es auch beim CO2-Preis ein Niveau, jenseits dessen das Wohlergehen nicht mehr steigt, sondern sinkt – weil dann die zusätzliche Abgabenlast für die Bürger und Unternehmen größer wird als die zusätzlich vermiedenen Klimaschäden. Bei dieser heiklen Abwägung spielt Ungleichheit eine wichtige Rolle, denn ärmere Haushalte sind dem Klimawandel in der Regel schutzloser ausgeliefert als reichere Haushalte. „Es gibt Hinweise darauf, dass der Klimawandel eine regressive, also Ärmere besonders stark treffende Form von finanzieller Belastung ist“, erklärt Ottmar Edenhofer, MCC-Direktor und einer der Autoren. „Unsere Studie liefert einen erweiterten Denkansatz, der Klimapolitik und Verteilungspolitik systematisch zusammenführt, und bietet auch Orientierung für die internationalen Klimaschutz-Verhandlungen.“
Die Ungleichheit zwischen verschiedenen Ländern wird schon in bisherigen Modellstudien berücksichtigt: Klimaschäden und wirtschaftliches Umfeld sind zum Beispiel in China anders als in Deutschland – deshalb geht es in den Klimaverhandlungen auch nicht um einen global einheitlichen, sondern um einen regional gestaffelten CO2-Preis. Die neue Studie nimmt zusätzlich – und nach Wissen des Autorenteams erstmals – Ungleichheit und Umverteilung innerhalb der Länder in den Blick und erweitert entsprechend den mathematisch ausformulierten Ansatz für die „globale soziale Wohlfahrt“. Dabei geht es beispielsweise um die begrenzten Möglichkeiten der einzelnen Staaten, Ärmere für hohe Klimaschäden zu kompensieren. Es zeigt sich: Wenn man das im Modell berücksichtigt, sind die sozialen Kohlenstoffkosten weltweit höher als gemäß der bisherigen Forschungsliteratur. Und weil ja auch die Bekämpfung von Ungleichheit auf der politischen Agenda steht, zum Beispiel im Zusammenhang mit den UN-Nachhaltigkeitszielen, müssen in der Konsequenz auch die CO2-Preise weltweit höher angesetzt werden.
Wie hoch die Klimaschäden dann in Euro und Cent sind, hängt natürlich auch von empirischen Daten ab – dazu hat das MCC im August 2020 eine große Studie vorgelegt. Aber entscheidend für die Berechnung ist das Verständnis über die Wirkungszusammenhänge. „In der wissenschaftlichen Politikberatung sind die Kohlenstoff-Kosten ein Schlüsselfaktor, da sie den Nutzen von Klimapolitik für den einzelnen zeigen“ sagt Ulrike Kornek, Senior Researcher am MCC und Leitautorin der Studie. Wie wichtig das ist, zeige sich derzeit in den USA. Dort koordiniert der Ökonom Michael Greenstone von der Universität Chicago die von Präsident Biden angeordnete Neuberechnung – das Ergebnis wird auch den nationalen Handlungsspielraum in der Klimapolitik abstecken. Gleichzeitig muss Biden die soziale Spaltung des Landes mindern. „Auch in vielen anderen Ländern stehen Klimapolitik und die Bekämpfung von Ungleichheit hoch auf der politischen Agenda“, erklärt Kornek. „Deshalb dürfen Wechselwirkungen zwischen den beiden nicht ignoriert werden.“
Weitere Informationen:
Kornek, U., Klenert, D., Edenhofer, E., Fleurbaey, M., 2021, The social cost of carbon and inequality: When local redistribution shapes global carbon prices, Journal of Environmental Economics and Management
https://doi.org/10.1016/j.jeem.2021.102450
Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
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