Wandel der Innenstädte unterstützen – „Förderprogramm Innenstadt“ des Bundes soll Corona-Folgen auffangen helfen

Bund und Länder müssen die Städte dabei unterstützen, Innenstädte und Stadtteilzentren für die Zeit nach Corona fit zu machen und neue Innenstadt-Konzepte zu starten. Der Deutsche Städtetag fordert den Bund auf, sofort ein „Förderprogramm Innenstadt“ aufzulegen. Das erklärte der kommunale Spitzenverband nach Videokonferenzen seiner Gremien mit fast 100 Stadtoberhäuptern.

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Burkhard Jung aus Leipzig, sagte: „Die Innenstädte wandeln sich rasant. In einigen Städten macht uns der Leerstand große Sorgen. Immer mehr Menschen bestellen am Computer und lassen sich die Waren nach Hause liefern. Aktuelle Umsatzrückgänge von teilweise bis zu 70 Prozent beim stationären Einzelhandel, leere Schaufenster in Einkaufsstraßen und immer mehr Geschäftsaufgaben zeigen: Handel lässt sich nicht mehr überall durch Handel ersetzen. Corona hat den Online-Handel der Vorjahre zum Online-Boom beschleunigt. Wir wollen und müssen die Innenstädte neu beleben, gemeinsam mit Vermietern, Unternehmen, der Kultur und allen anderen Akteuren vor Ort. Wir brauchen jetzt einen starken Impuls. Dafür sollte der Bund sehr schnell ein Förderprogramm Innenstadt aufsetzen. Wir stellen uns dabei 500 Millionen Euro jährlich für 5 Jahre vor, um nachhaltig etwas zu erreichen.“

Das Programm sollte

  • flexibel und einfach handhabbar sein.
  • das vorübergehende Anmieten von leerstehenden Ladenlokalen durch die Städte unterstützen. Das sollte der Bund fördern und durch ein Entgegenkommen der Eigentümer bei der Miete flankiert werden. Dann können die Städte neue Nutzer finden, die mit ihrem Konzept die Innenstadt beleben.
  • Städten den vorübergehenden Erwerb von städtebaulich relevanten Schlüsselimmobilien wie z.B. ehemaligen Kaufhäusern ermöglichen. Die Städte könnten so neue Nutzungen erproben, bevor sie solche Immobilien weiterverkaufen.
  • neue Innenstadt-Konzepte fördern, sowohl Planung als auch Umsetzung.
  • ein City- oder Zentrenmanagement finanziell unterstützen, um alle Akteure der Innenstadt besser zusammenzuführen. City-Manager können als Ansprechpartner für Händler, Gastronomen, Vermieter, Mieter oder Vereine vor Ort agieren.

Innenstadt-Konzepte mit neuem Nutzungs-Mix

Natürlich liegen in der Krise auch Chancen, machte Städtetagspräsident Jung deutlich: Immer mehr Menschen arbeiten im Home-Office. Auch Co-Working wird weiter zunehmen und in der City werden weniger Büros gebraucht. Die Menschen verlangen zudem ein größeres Angebot von regionalen und nachhaltig erzeugten Waren in den Innenstädten.

Wer in die Innenstadt kommt, möchte anderen begegnen, sich treffen und etwas Besonderes erleben. Hier muss das Herz der Stadt pulsieren. Zentrale Plätze sind immer auch Orte für Kommunikation. Derzeit sind die Innenstädte zu sehr vom Einzelhandel abhängig. Wir wollen eine lebendige Mischung von Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Kultur, Restaurants und Tourismus in den Innenstädten. Und wir wollen verstärkt Handwerk, Kultur und soziale Einrichtungen ins Zentrum holen. Warum nicht auch Schulen und Kitas? Mittelfristig geht es um neue Innenstadt-Konzepte und einen vielfältigen Mix. Das braucht Durchhaltevermögen und konsequentes Handeln aller Akteure“, so Jung.

Flankierend sollte auch das Vorkaufsrecht der Städte gestärkt werden. „Städte, die ihr Vorkaufsrecht ausüben, sollten Immobilien immer zum gutachterlich ermittelten Verkehrswert ankaufen können und nicht zum Höchstgebot“, forderte Jung. Das würde helfen, dauerhafte Leerstände und hässliche Ecken zu vermeiden.

Platz für Ideen und Experimente

Um Leerstand zu begegnen, brauche es auch kreative Ansätze, sagte Markus Lewe, Vizepräsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister in Münster: „Nicht jede Veränderung ist planbar oder steuerbar. Innenstädte waren auch früher Orte, an denen gesellschaftliche Veränderungen sichtbar werden. Wir brauchen in den Städten mehr Mut zum Experiment. Akteure der Kreativwirtschaft, Kulturschaffende, gemeinwohlorientierte Initiativen oder Start-Ups können innovative Impulse liefern. Das zeigen zahlreiche Projekte in Deutschland. Hier brauchen wir Weichenstellungen der Politik, damit Innenstädte tatsächlich zu Experimentierräumen werden können, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Beispielsweise sollte das Bauplanungsrecht des Bundes gemischte Nutzungen von Flächen besser ermöglichen, also etwa Handel, Kultur, Arbeiten und Wohnen.“

Digitalisierung verändert die Stadt

Viele Händler halten im aktuellen Corona-Lockdown ihr Geschäft mit klugen Konzepten zumindest teilweise aufrecht, zum Beispiel mit Online-Kaufberatungen, Liefer- und Abhol­services.

Auch im Bereich Mobilität sei der Digitalisierungsbedarf groß, so Lewe: „Die Digitalisierung hat durch Corona einen kräftigen Schub erhalten und verändert den Alltag. Der Wandel der Innenstädte muss mit der Digitalisierung Hand in Hand gehen. Viele Städte haben inzwischen neue Verkehrskonzepte, die unterschiedliche Verkehrsmittel miteinander vernetzen. Der Wechsel zwischen Verkehrsmitteln sowie Verkehrsverbünden sollte erleichtert werden. Hier geht es um das E-Bike oder das E-Auto an der Endhaltestelle, die zusammen mit dem ÖPNV-Ticket gebucht werden können. Solche Lösungen müssen ausgebaut und noch attraktiver werden, damit die Menschen sie gerne nutzen.“

Zentrale Forderungen des Deutschen Städtetages zur Zukunft der Innenstädte sind:

  • Aktuell müssen die Wirtschaftshilfen aufgrund von Corona rasch und unbürokratisch ausgezahlt werden. Denn immer mehr für die Innenstädte relevante Geschäfte sind akut von einer Insolvenz bedroht. Die Wirtschaftshilfen müssen für begrenzte Zeit über das Ende der Pandemie hinaus für besonders von Corona betroffene Branchen weiterhin zur Verfügung stehen. Denn diese Betriebe können sich dann nur in die Gestaltung der Innenstadt einbringen, wenn ihre Existenz gesichert ist.
  • Ein sehr schnell vom Bund aufgelegtes „Förderprogramm Innenstadt“ sollte die Städte gezielt unterstützen, um Innenstädte, Stadtteilzentren und Quartiere zu beleben, weiterzuentwickeln und neue Innenstadtkonzepte mit den Akteuren vor Ort umzusetzen. Es sollte auch die vorübergehende Anmietung oder den Zwischenerwerb von leerstehenden Schlüsselimmobilien durch die Städte unterstützen. 
  • Die Städte halten eine koordinierende Ansprechperson für ein City- oder Zentrenmanagement für wichtig, um Innenstädte und Stadtteil- und Quartierszentren weiterzuentwickeln. Bund und Länder sollten das Zentrenmanagement finanziell fördern.
  • Stadtteil- und Quartierszentren haben einen erheblichen Nachholbedarf bei der virtuellen Auffindbarkeit im Netz. So, wie die nächste Tankstelle oder das Restaurant auf digitalen Plattformen angezeigt werden, sollte auch der nächste Park, das Kulturhaus oder das Stadtteil-Café auffindbar sein. Auch hier braucht es zumindest fachliche Unterstützung für die Akteure.
  • Die Städtebauförderung muss entbürokratisiert werden. Die Städtebaufördermittel von Bund und Ländern von derzeit 790 Millionen Euro jährlich sind bewährt und wichtiger denn je, um städtebauliche Missstände zu beheben. Allerdings müssen sie einfacher gehandhabt und weniger aufwändig beantragt werden können. Wir brauchen ein integriertes Fördermittelmanagement. Und die Kommunen sollten mit den Mitteln stärker eigenverantwortlich handeln können.
  • Kommunales Vorkaufsrecht stärken: Wenn Immobilien verkauft werden, können Städte ihr Vorkaufsrecht ausüben, um beispielsweise dauerhafte städtebauliche Missstände zu vermeiden. So sieht es die laufende Baugesetzbuchnovelle vor. Es fehlt allerdings noch eine preisdämpfende Komponente. Für Städte sollte es immer möglich sein, Immobilien zum gutachterlich ermittelten Verkehrswert anzukaufen. So könnten Städte überbordenden Boden- und Immobilienpreisen entgegenwirken.
  • Leerstehende Gebäude, die bisher auf den Einzelhandel ausgerichtet sind, müssen leichter für neue Zwecke umgewidmet werden können, um sie schnell anders nutzen zu können. Dafür muss das Bauplanungsrecht des Bundes flexibilisiert werden.
  • Der im Jahr 2020 vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) eingerichtete „Beirat Innenstadt“ sollte auch in der neuen Legislaturperiode fortgeführt werden. Ein bundesweites Service- und Kompetenzzentrum für die Transformation der Innenstädte sollte die Kommunen beraten und unterstützen, die Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
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