Die Erarbeitung des digitalen Bestandskatalogs in der Porzellansammlung erfolgt in Zusammenarbeit mit über 20 internationalen Expert*innen, unter anderem aus China, Japan, Taiwan, den Niederlanden, Großbritannien und den USA. Unter ihnen ist auch die weltweit anerkannte Spezialistin für chinesische Keramik, Regina Krahl. Die Wissenschaftlerin wurde bei einem Besuch in Dresden Anfang 2020 im Depot auf dieses auf den ersten Blick eher unscheinbare Stück aufmerksam, dessen betont schlichte Eleganz und Schönheit in der Qualität der Ausführung, der Intensität der Farbe und dem Glanz der Glasur liegt. Bei dem Objekt handelt es sich um eine flache Schale mit einem Durchmesser von 13 Zentimetern, welche wahrscheinlich zum Waschen von Pinseln hergestellt wurde. Sie hat einen geraden Rand und steht auf einem schmalen, nach außen gebogenen Fuß. Die Schale hat eine zurückgenommene blaugrüne Glasur mit dem für Ru-Keramiken typischen Krakelee, ein Muster, welches an gesplittertes Eis erinnert. Ursprünglich war das Schälchen Teil der Sammlung des Arztes Oscar Rücker-Embden, welche dieser während eines China-Aufenthaltes von 1913 bis 1914 erworben hatte. 1927 wurde es von Ernst Albert Zimmermann, dem damaligen Direktor der Porzellansammlung, angekauft und gelangte in die Dresdner Sammlung chinesischer und koreanischer Keramiken. Ernst Zimmermann galt als international geachteter Kenner ostasiatischen Porzellans und konnte aufgrund seiner Expertise auf diesem Gebiet und guten internationalen Verbindungen schon früh einen herausragenden Bestand chinesischer Frühkeramik für die Porzellansammlung erwerben.
Ru-Keramiken stammen aus der Zeit der Nördlichen Song-Dynastie in China (960-1127) und wurden nur während einer sehr kurzen Zeitspanne von ungefähr 20 Jahren hergestellt. Heute sind weltweit nur noch wenige Stücke erhalten. Das Material wurde in einem der fünf berühmten Brennöfen der Song-Dynastie gebrannt. Aufgrund der Seltenheit von Ru-Ware wurde der Ursprung der Schale in der Dresdner Porzellansammlung lange Zeit im Korea des 10. bis 13. Jahrhunderts vermutet. Koreanische Porzellan- und Keramikobjekte dieser Epoche haben eine große Ähnlichkeit zu Ru-Stücken, die Abgrenzung ist oftmals schwierig. Bereits 2018 wiesen Mitarbeiter*innen des Palastmuseums in Beijing auf die Möglichkeit hin, dass es sich bei der Schale aus Dresden um ein Ru-Stück handeln könnte. Diese Annahme konnte durch Regina Krahl nun bestätigt werden. Somit handelt es sich bei dem Objekt in der Porzellansammlung der SKD um das 88. zum jetzigen Zeitpunkt bekannte Ru-Stück.
Julia Weber, Direktorin der Porzellansammlung: „Wir wussten natürlich, dass die Dresdner Porzellansammlung kostbare und teils auch noch wenig bekannte Schätze birgt. Dass sich darunter aber eine der sagenumwobenen Ru-Keramiken befindet, ist eine echte Sensation. Das Schälchen gehört zu den allerersten Keramiken, die vor mehr als 900 Jahren exklusiv für den chinesischen Kaiserhof entstanden. Da Invasoren wenig später die Song-Dynastie in den Süden Chinas vertrieben, wurden die Ru-Keramiken schon unmittelbar nach ihrer Entstehung zu einem mythisch aufgeladenen Andenken an die eine idealisierte verlorene Vergangenheit. Bis heute gelten sie als Ikonen der chinesischen Kultur, die aber aufgrund ihrer großen Seltenheit nur wenige im Original bestaunen oder gar ihr Eigen nennen können. Das geschichtsträchtige Schälchen passt ganz wunderbar nach Dresden, wo August der Starke die größte Sammlung chinesischen Porzellans außerhalb Asiens zusammentrug.”
Regina Krahl, Expertin für chinesische Keramik: „In der Fülle chinesischer Keramiken, die es aus allen Zeiten gibt, sind Ru-Keramiken die aller Seltensten und gelten seit jeher als die Krönung überhaupt. Das liegt nicht nur an ihrer schlichten Schönheit, sondern vor allem auch an ihrer historischen Bedeutung. Weltweit haben sich weniger als hundert Stücke erhalten und jedes einzelne ist registriert und publiziert. Dieser Fundus vergrößert sich eigentlich nicht. Der „Fund“ in Dresden ist deshalb nicht nur für mich persönlich eine aufregende Entdeckung, sondern international von großem Interesse. Ein Ru-Stück jetzt auch in einem deutschen Museum zu finden, erhöht die Bedeutung der hiesigen chinesischen Sammlungen insgesamt; besonders erfreulich ist es aber, dass das Dresdner Ru-Schälchen ein außergewöhnlich guter Vertreter seiner Gattung ist, qualitativ unter Ru-Keramiken ganz oben anzusiedeln.“
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