Die Stellungnahmen basieren auf einem sorgfältig abgestimmten ExpertInnenkonsens und können sich – insofern neue Erkenntnisse veröffentlicht werden – zeitnah ändern. Die Verantwortung für das konkrete Vorgehen bleibt bei dem vor Ort medizinisch betreuenden Team, dessen Entscheidungen durch diese Empfehlung unterstützt werden sollen.
Derzeit sind zwei mRNA-COVID-19-Impfstoffe (Comirnaty® von BioNTech/Pfizer und COVID-19 Vaccine Moderna® von Moderna) in Europa zugelassen (1). Belastbare Daten zur Anwendung von mRNA-Impfstoffen in der Schwangerschaft liegen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor (2). Für beide Impfstoffe gilt, dass die Entscheidung über die Anwendung des Impfstoffs bei Schwangeren in enger Absprache mit einem Arzt, nach Abwägung der individuellen Vorteile und Risiken getroffen werden soll (2-4). Eine generelle Impfung aller Schwangeren wird derzeit mehrheitlich von den Fachgesellschaften nicht befürwortet (2, 5-7). Schwangere sollen jedoch nicht grundsätzlich von Impfprogrammen ausgeschlossen werden (4, 8).
Insbesondere Schwangeren mit Vorerkrankungen, einem hohen Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 oder hohem Expositionsrisiko gegenüber einer SARS-CoV-2-Infektion kann die Impfung angeboten werden. Im persönlichen Beratungsgespräch soll sowohl auf die individuellen und schwangerschaftsspezifischen Risiken einer SARS-CoV-2-Infektion, als auch auf das Fehlen von Langzeitstudien und die individuellen Risiken und Nutzen einer COVID-19-Impfung eingegangen werden. Nachfolgende Informationen adressieren wichtige Aspekte des Beratungsgespräches und finden je nach individueller Konstellation Berücksichtigung:
Die SARS-CoV-2-Infektion und COVID-19 in der Schwangerschaft
- Schwangere Frauen und Wöchnerinnen mit COVID-19 zeigen zwar im Vergleich zu gleichaltrigen nicht-schwangeren Frauen seltener Symptome wie Fieber und Gliederschmerzen, allerdings gibt es vermehrt schwere Verläufe mit der Notwendigkeit intensivmedizinischer Versorgung und Beatmung.
- Vorerkrankungen (z. B. Hypertonus, Diabetes mellitus), mütterliches Alter über 35 Jahren und Adipositas stellen dabei Risikofaktoren für einen schweren COVID-19-Verlauf bei Schwangeren dar (9-14).
- Schwangere Frauen mit COVID-19 weisen eine höhere Frühgeburtenrate (gepooltes OR 3,01; 95% KI 1,16 – 7,85) im Vergleich zu Müttern ohne Erkrankung in der Schwangerschaft auf (9). Eine SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft ist mit einer erhöhten Präeklampsie-Prävalenz (ca. 5,9 % bis 10,5 %; RR 1,84 (95 % KI 1,04 – 3,36) (15-17) und gehäuften thromboembolischen Ereignissen (18) assoziiert. Die Rate der Neugeborenen von Müttern mit COVID-19, die auf einer neonatologischen Intensivstation betreut werden mussten, ist ebenfalls erhöht (gepoolte OR 3,13; 95% KI 2,05– 4,79) (9).
- Bei altersentsprechend niedriger Gesamt-Mortalität ist die Sterblichkeit von Schwangeren mit COVID-19 jedoch deutlich erhöht (aOR 26.07 (95% KI 11.26-60.38); 141 [95% CI, 65-268] vs. 5,0 [95%CI, 3,1-7,7] Todesfälle pro 100.000Frauen) (18).
- Eine mögliche prä- und perinatale vertikale Transmission von SARS-CoV-2 wird in einigen Fallberichten (19, 20) beschrieben und in Übersichtsarbeiten (21) diskutiert. Neonatale SARS-CoV-2-Infektionen sind selten symptomatisch und die Infektionsrate ist nicht höher, wenn das Kind vaginal geboren wird, gestillt wird oder bei der Mutter verbleibt (22).
- Durch Impf-Immunisierung gebildete mütterliche Antikörper stellen einen potenziellen Infektionsschutz des Säuglings dar. Mütterliche IgG-Antikörper nach SARS-CoV-2-Infektion korrelieren positiv mit den Antikörperspiegeln ihrer Neugeborenen (23). Es konnten virus-spezifische IgA- (24), IgM- und IgG-Antikörper (25, 26) gegen SARS-CoV-2 in Muttermilch von Frauen mit aktiver oder durch-gemachter SARS-CoV-2-Infektion in der Schwangerschaft nachgewiesen werden. Auch wenn gesicherte Daten ausstehen, kann die so übertragene Nestimmunität eine passive Präventionsstrategie zum Schutz des Säuglings darstellen (27).
Die COVID-19-Impfung
- Derzeit existieren nur sehr wenig Daten zur Anwendung von mRNA-Impfstoffen und zu COVID-19-Impfungen in der Schwangerschaft: Tierexperimentelle Untersuchungen des Impfstoffherstellers Moderna berichten keine nachteiligen Auswirkungen auf die weibliche Fertilität, die embryonale/fetale oder die postnatale Entwicklung (28). Studien von Pfizer-BioNTech hierzu sind derzeit noch nicht abgeschlossen. Bisher wurden keine weiteren Sicherheitsbedenken aus den Safety Boards der DART (Developmental and Reproductive Toxicity)-Studien gemeldet. Beide Hersteller erheben zudem Beobachtungsdaten von akzidentiell geimpften Schwangeren in den bisher durchgeführten Studien. Ergebnisse zum Schwangerschaftsoutcome liegen bisher jedoch nicht vor.
- Spezifische Risiken durch Nicht-Lebendimpfstoffe in der Schwangerschaft sind nicht bekannt. Da derzeitige Impfstoffe keine replikationsfähige Viren enthalten, ist eine Infektion weder von Schwangerer noch dem Feten mit SARS-CoV-2 durch die Impfung möglich (5).
- Tierexperimentelle Daten zeigen, dass i.m. injzierte mRNA zu großen Teilen in der Einstichstelle selbst und in den nächsten drainierenden Lymphknoten zu finden ist. Die mRNA ist dabei für circa 72 Stunden nachweisbar (29, 30). Ob diese die plazentare Perfusion erreicht oder übertritt, ist nicht bekannt. Das Risiko der Integration der mRNA in das zelleigene Genom ist nicht plausibel, da mRNA nicht selbstständig den Eintritt in den Zellkern bewirken kann (31).
- Der Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion für die schwangere Frau ist mit dem gleichen hohen Wirkungsgrad der Impfung anzunehmen, wie dies in den bisherigen Studien für nicht-schwangere Frauen gezeigt werden konnte, auch wenn detaillierte Angaben hierzu fehlen. Neutralisierende Antikörper nach Infektion oder Impfung stellen zum jetzigen Zeitpunkt das beste humorale Immunkorrelat zum Schutz vor einer Infektion dar (32).
- Es ist nicht zu erwarten, dass das Nebenwirkungsprofil einer Impfung gegen COVID-19 bei Schwangeren von dem Nicht-Schwangerer abweicht. Schwangeren, die nach der Impfung Fieber haben, kann zur Einnahme von Paracetamol geraten werden (33). Sollten in der Vergangenheit bereits eine schwere allergische Reaktion auf einen anderen Impfstoff aufgetreten sein, soll sie hierzu beraten werden.
In informierter partizipativer Entscheidungsfindung und nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen ist die Impfung schwangerer Frauen gegen SARS-CoV-2 möglich. Um Schwangere indirekt zu schützen, sollen zudem enge Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren PartnerInnen, sowie Hebammen und Ärzte priorisiert geimpft werden (2).
Für Frauen mit Kinderwunsch ist es wichtig, dass es bisher keine Hinweise darauf gibt, dass mRNA-Impfstoffe die Fertilität beeinträchtigen. Eine Immunisierung vor Schwangerschaftseintritt kann die Infektionsgefahr während der Schwangerschaft und die damit verbundenen Risiken minimieren (7). Eine Schwangerschaftsverhütung nach Impfung ist nicht erforderlich (5-7, 31).
Bei laufender Kinderwunschbehandlung sollte eine noch fehlende Immunisierung oder die Ablehnung der Impfung durch die Patientin nicht dazu führen, dass Paaren eine Therapie vorenthalten wird (8). Insbesondere bei Vorerkrankungen mit höherem Risiko für Komplikationen der Schwangerschaft oder einer Covid-19-Erkrankung, und auch bei höherem Expositionsrisiko sollte jedoch unter Berücksichtigung der individuellen Zeitfenster die Beratung über eine Impfung vor geplanter Therapie erfolgen (8). Ein Behandlungsbeginn assistierter Reproduktionstherapien sollte um einige Tage nach Abschluss der Impfung (d. h. nach der zweiten Dosis) verschoben werden, um die Immunreaktion abzuwarten (8). Ob ein zurückhaltendes Vorgehen darüber hinaus mit einer weiteren Verschiebung des Beginns der ART-Behandlung nach Impfung sinnvoll ist, kann aufgrund der aktuellen Datenlage nicht belegt werden. Frauen, die nach der ersten Dosis des Impfstoffs schwanger werden, sollten eine zweite Dosis erhalten (6, 7, 33). Eine „akzidentielle Impfung“ bei noch unbekannter Schwangerschaft stellt keine Indikation zum Schwangerschaftsabbruch dar (2). Eine routinemäßige Schwangerschaftstestung vor Impfung ist nicht erforderlich (5).
Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM),
der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG),
der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin (DGPGM),
der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin (DGRM),
der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF),
der AG Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der DGGG (AGG),
der AG Universitäre Reproduktionsmedizinische Zentren der DGGG (URZ)
des Dachverbands Reproduktionsbiologie und –Medizin (DVR)
der Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Ärztinnen und Ärzte in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe (BLFG)
und des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF)
Redaktionsgruppe:
DGPM Dr. med. Janine Zöllkau* (Jena), Prof. Dr. med. Ulrich Pecks (Kiel), Prof. Dr. med. Ekkehard Schleußner (Jena)
DGGG Prof. Anton Scharl (Amberg), Prof. Dr. med. Michael Abou-Dakn (Berlin), Prof. Dr. med. Sven Kehl (Erlangen), Dr. med. Carsten Hagenbeck (Düsseldorf)
DGPGM PD Dr. med. Dietmar Schlembach (Berlin)
DGRM Dr. rer. nat. Dunja Baston-Büst (Düsseldorf)
DGGEF, URZ und DVR Prof. C. Thaler (München)
BVF Dr. C. Albring (München)
*Universitätsklinikum Jena, Klinik für Geburtsmedizin, Am Klinikum 1, 07747 Jena janine.zoellkau@med.uni-jena.de
QUELLEN
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Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM)
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