86 Prozent der Deutschen sind demnach zu deutlichen Einschränkungen ihres Lebensstils bereit, um das Klima zu schützen. Rund 85 Prozent würden dies tun, um das Artensterben zu stoppen, und 87 Prozent für den Kampf gegen die Umweltverschmutzung. Die Zustimmung ist in allen drei Bereichen sehr hoch, wobei jüngere eine noch größere Bereitschaft zur Änderung des Lebensstils bekunden als ältere Menschen. Frauen können sich Einschränkungen eher vorstellen als Männer. Befragt wurden im Zeitraum vom 15. bis 17. Dezember insgesamt 1014 repräsentativ ausgewählte Deutsche. Klimaschutz, Ressourcenwende und der Erhalt der biologischen Vielfalt müssen 2021 ganz oben auf der politischen Agenda stehen, fordert der BUND. Denn ohne eine Kehrtwende in den Produktionsweisen und im Konsumverhalten droht ein ökologischer Kollaps.
Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender: „2020 hat der Menschheit auf dramatische Weise ihre Verwundbarkeit vor Augen geführt. Klima- und Biodiversitätskrise, Umweltzerstörung und die Übernutzung unserer Ressourcen sind noch weit größere Bedrohungen unserer Existenz als die folgenschwere Corona-Pandemie. Mit unserem Lebensstil und unserer Wirtschaftsweise, mit denen wir einen gigantischen Raubbau an unseren Lebensgrundlagen betreiben, setzen wir unsere Zukunft aufs Spiel. Wir brauchen einen umfassenden sozial-ökologischen Wandel, um den ökologischen Kollaps noch abzuwenden und die Klimakatastrophe abzumildern. Das Wahljahr 2021 muss den Weg weisen für eine echte Verkehrs-, Agrar- und Ressourcenwende.“
Deutschland als starke Wirtschaftsnation mit großem ökologischen Fußabdruck trägt im Kampf gegen die großen Krisen eine besondere Verantwortung. Bürgerinnen und Bürger wollen, dass die Politik handelt. Das belegt die repräsentative Umfrage im Auftrag des BUND (siehe Anhang) auch im Einzelnen:
Gefragt nach der Bedeutung politischer Maßnahmen für Natur- und Umweltschutz bezeichneten insgesamt 91 Prozent der Befragten eine verpflichtende Kennzeichnung von Inhaltsstoffen in Alltagsprodukten zur Identifizierung von umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien als „sehr wichtig“ bzw. „wichtig“. Knapp dahinter folgte der Ausbau erneuerbarer Energien (87 Prozent) und eine Förderung besserer Bus- und Bahnverbindungen auf dem Land und in der Stadt (86 Prozent).
Ebenfalls sehr weit oben auf der Wunschliste stehen eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern bei Einsatz von Gentechnik enthaltendem Futter in der Tierhaltung (82 Prozent) sowie verbindliche Vorgaben für die Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Ersatzteilverfügbarkeit von Produkten (80 Prozent). Drei Viertel der Befragten (73 Prozent) fordern zudem die Politik zu Handeln auf, wenn es um verpflichtende Mehrwegsysteme bei mitgenommenen Speisen und Getränken sowie Versandverpackungen geht. 68 Prozent sehen Handlungsbedarf beim Verbot von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in Klein- und Privatgärten. 37 Prozent befürworten einen Verzicht auf den Bau zusätzlicher Autobahnen.
Bei der Bereitschaft zu einer deutlichen Änderung des Lebensstils für Klima-, Biodiversitäts- und Umweltschutz liegen die Gruppen der 14- bis 29-Jährigen und der 30- bis 39-Jährigen durchweg vor den übrigen Altersgruppen (zwischen maximal 13 Prozentpunkten und drei Prozentpunkten je nach Referenzgruppe). Die geringste Bereitschaft legen hier die 40- bis 49-Jährigen an den Tag. Mit Blick auf das Bildungsniveau zeigen sich bei den Antworten kaum Unterschiede, wobei Schülerinnen und Schüler überall den größten Veränderungswillen bekunden. Ebenfalls gering sind die Unterschiede zwischen Ost und West. Allerdings sind Befragte mit den kleinsten Haushaltsnettoeinkommen (unter 1500 Euro) fast durchweg zu größeren Veränderungen bereit.
Aus Sicht des BUND lässt sich aus den Ergebnissen der Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung nach einem Wandel, mehr Natur- und Umweltschutz und die Aufforderung an die Politik ablesen, mutig zu handeln. Klima-, Biodiversitäts- und Umweltschutz müssen endlich ganz oben auf die politische Agenda gesetzt werden, um in der nächsten Legislaturperiode eine umfassende sozial-ökologische Transformation der Gesellschaft einzuleiten.
Bandt: „Das Wahljahr muss die Wende bringen. Wir brauchen einen neuen, sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag mit einem neuen, gemeinwohlorientierten Wirtschaftssystem. Das bisherige Wirtschaftssystem ist gänzlich auf Wachstum ausgerichtet. Die drastischen Folgen unserer Produktionsweise und unseres Konsumverhaltens werden mit der Klimakrise, dem Artensterben und der Ressourcenkrise weltweit und auch bei uns deutlich sichtbar. Die Grenzen unseres Planeten sind an kritischen Stellen bereits weit überschritten. Und ständiges Wachstum ist auch nicht gerecht: Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den vergangenen Jahren weiter gewachsen. Wir müssen unsere Art zu leben und zu wirtschaften radikal ändern.“
Mit Blick auf das Wahljahr, mit der Bundestagswahl und mehreren Landtagswahlen, muss sich bei den politischen Parteien das Bewusstsein durchsetzen, dass stetiges Wirtschaftswachstum nicht länger ein Ziel der Politik sein kann. Bandt: „Oberste politische Priorität muss die Bewahrung der ökologischen Lebensgrundlagen sein. Diesen Zielen müssen die Parteien auch hinsichtlich der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie Rechnung tragen, die endlich ambitioniert und wirksam umgesetzt werden muss. Eine neue Bundesregierung muss endlich die Krisen an ihren Wurzeln packen. Nur dann gibt es eine Chance, einen Kollaps von Natur und Klima noch abzuwenden. 2021 muss den Startschuss für eine sozial-ökologische Transformation geben.“
Weitere Informationen:
BUND-Forderungen zum Klimaschutz: Deutschland muss seine Klimapolitik in der nächsten Legislaturperiode endlich auf das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels ausrichten. Dazu müssen wir endgültig bis spätestens 2030 aus Kohle und bis 2040 vollständig aus Öl und Gas aussteigen. Unser Ressourcen- und Energieverbrauch muss deutlich reduziert werden. Dazu braucht es eine ökologische Transformation, bei der soziale, ökologische und demokratische Fragen zusammengedacht werden müssen. Deutschland hat eine besondere Verantwortung für die Klimakrise und muss dieser gerecht werden. Der BUND fordert daher, die aufgelegten Konjunkturprogramme entlang sozialer und ökologischer Kriterien weiterzuentwickeln, den naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien ambitioniert voranzutreiben und alle Fernstraßenprojekte zunächst zu stoppen und auf ihre Gesamtwirkungen und umweltverträglichere Alternativen zu prüfen.
BUND-Forderungen zum Erhalt der Biodiversität: Corona hat einmal mehr gezeigt, wie abhängig Menschen von intakter Natur sind. Der globale Zustand der Natur verschlechtert sich jedoch rasant, mit dem Verlust der biologischen Vielfalt sind unsere Lebensgrundlagen unmittelbar bedroht. Auch der diesjährige Lagebericht der Regierung zur Natur in Deutschland und Europa zeigt, dass die Krise der Natur ebenso verhängnisvoll wie die Klimakrise wirkt, die diesen Trend noch verschärft. Die Menschheit muss radikal umsteuern, wenn sie einen ökologischen Kollaps der Erde verhindern will. Ein radikaler Wandel in der Art, wie wir leben und wirtschaften, ist dringend erforderlich, so die eindringliche Mahnung des Weltbiodiversitätsrates. Der BUND fordert daher endlich eine konsequente finanzielle Unterstützung überall dort, wo Verbesserungen zugunsten der Natur unverzichtbar sind, insbesondere in der Landwirtschaft, aber auch in der Verkehrspolitik und dort, wo Schutzgebiete die Natur noch nicht ausreichend schützen. Begleitet werden muss dies durch das Ende umweltschädlicher Subventionen, die deutliche Pestizidreduktion, das Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten wie auch in Privat- und Kleingärten. Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen zudem Gewissheit darüber, womit die Tiere gefüttert werden, deren Milch, Eier oder Fleisch sie verzehren. Deshalb fordern wir weiterhin eine verbindliche Kennzeichnung von tierischen Lebensmitteln, wenn bei der Tierfütterung Gen-Futter verwendet wurde, und Biodiversitätsregeln für Lieferketten. Flankiert von einer viel mehr auf pflanzlichen Lebensmitteln basierenden Ernährung kann eine Agrarwende vorangetrieben werden.
BUND-Forderungen zu Ressourcen: Die Auswirkungen der Ressourcenverschwendung, unseres auf Wirtschaftswachstum ausgerichteten Systems, sind massiv. Sie ist der Motor hinter den anderen ökologischen Problemen, denn über 90 Prozent des Biodiversitätsverlusts und 50 Prozent der Treibhausgasemissionen gehen auf sie zurück. Recycling wird dieses Problem nicht lösen. Wir brauchen daher eine radikale Ressourcenwende, die beispielsweise über nachhaltiges Produktdesign und ein Recht auf Reparatur Abfallvermeidung schon am Anfang des Wirtschaftssystems in den Vordergrund stellt. Mehrwegsysteme sind dabei genauso Teil der Lösung wie die Vermeidung und Kennzeichnung von umwelt- und gesundheitsschädlichen Chemikalien. Der BUND fordert daher den Ressourcenverbrauch drastisch und absolut zu senken, dafür braucht Deutschland ambitionierte und verbindliche Reduktionsziele.
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