Der Lockdown im Frühjahr 2020 schränkte das öffentliche Leben und weite Teile der industriellen Produktion weitgehend ein. Zahlreiche Betriebe erlitten dabei Produktionseinbrüche oder waren von Lieferschwierigkeiten der Zulieferer betroffen. Infolgedessen stellten etliche Betriebe auf Kurzarbeit um und reduzierten ihre Produktion. Nach dem Ende des Lockdowns konnten viele Unternehmen nicht wieder das Vorkrisenniveau erreichen und die Corona-Pandemie brachte weitreichende Verluste für die deutsche Industrie mit sich, die noch lange nachwirken werden.
Zu den genauen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Industrie in Deutschland liegen bislang allerdings nur wenig Erkenntnisse vor. Das Fraunhofer ISI führte daher im Herbst 2020 eine Sonderbefragung zum Thema "Folgen der Corona-Pandemie in der Produktion" durch, an der 237 Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes teilnahmen. Die Ergebnisse geben Auskunft über das Ausmaß der Veränderungen sowie mögliche längerfristige Auswirkungen und potenzielle Chancen der Pandemie. Dabei wurde insbesondere untersucht, welche Industriebereiche am stärksten unter der Krise litten und Kurzarbeit anmeldeten, ob und welche Umstrukturierungsmaßnahmen stattfanden und inwieweit die Produktion nach dem Lockdown wieder anlaufen konnte. Zudem klärt die Befragung, welche Rolle die Digitalisierung während des Lockdowns spielte und ob die Corona-Krise möglicherweise einen Digitalisierungsschub in der Produktion auslöste.
60 Prozent der befragten Betriebe in Kurzarbeit
Die Studienergebnisse bestätigen, dass die Industrie in Deutschland in weiten Teilen massive Produktionsverluste bedingt durch die Corona-Krise hinnehmen musste. Vier von fünf der befragten Unternehmen waren entweder durch Zulieferschwierigkeiten betroffen oder mussten aufgrund von Produktionseinbrüchen Kurzarbeit anzeigen. Jeder vierte Betrieb hatte sogar in beiden Bereichen Schwierigkeiten. Was die Kurzarbeit anbelangt, so beantragten diese etwa 60 Prozent der befragten Betriebe. Bei 34 Prozent waren sämtliche Beschäftigte in Kurzarbeit, bei 26 Prozent ein Teil. Kleinbetriebe (unter 50 Beschäftigte) meldeten weniger häufig (55%) Kurzarbeit an als größere Betriebe mit 50 oder mehr Beschäftigten (66%). Zulieferunternehmen sowie Hersteller von komplexen oder kundenindividuellen Produkten – tendenziell größere Betriebe am Ende der Wertschöpfungskette – beantragten überdurchschnittlich häufig Kurzarbeit.
Zwei Drittel der Betriebe produzieren weniger als vor der Krise
Eine weitere Erkenntnis ist, dass der Produktionsanlauf nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 nur schleppend in Gang kam und die Mehrzahl der Betriebe im Herbst 2020 nicht wieder ihr Vorkrisenniveau erreicht hatten: Nur jeder fünfte Betrieb (22%) produzierte wieder auf einem Niveau wie vor der Krise. Die große Mehrheit der Betriebe, etwa zwei Drittel (68%), erreichte hingegen nur eine geringere Produktionsmenge. Lediglich jeder zehnte Betrieb (10%) hat ein höheres Produktionsvolumen als vor dem Lockdown zu verzeichnen, allerdings bleibt hier offen, ob es sich um einen kurzfristigen Effekt handelt oder auf einen langfristigen Vorteil schließen lässt. Dabei ist festzustellen, dass bei Endproduktherstellern die Produktion schneller wieder anlief als bei Zulieferbetrieben.
Wenngleich die Nachteile überwiegen, bringen der Lockdown und die Corona-Krise auch Chancen mit sich: So haben 51 Prozent der befragten Betriebe entweder ihre Produktionsabläufe neu organisiert oder planen, ihr Zuliefernetzwerk umzustrukturieren. Ein kleiner Anteil der Betriebe (13%) nahm sogar in beiden Bereichen Umstrukturierungsmaßnahmen vor. Folglich ist von robusteren Produktionsabläufen und -netzwerken in der Industrie während und nach dem Lockdown im Frühjahr 2020 auszugehen.
Neue Chancen und Potenziale durch die Krise
Zudem ist in direkter Folge der Beschränkungen ein Digitalisierungsschub zu erwarten. Dazu Dr. Christian Lerch, der am Fraunhofer ISI das Geschäftsfeld Industrieller Wandel und neue Geschäftsmodelle leitet und Mitautor der Studie ist: »Etliche Betriebe haben über sämtliche Bereiche hinweg schon während des Lockdowns neue digitale Lösungen eingeführt und planen dies auch in Zukunft verstärkt zu tun. Auffallend war, dass Betriebe, die bereits vor der Krise eine höhere Digitalisierungsneigung hatten, auch während der Krise eher neue digitale Lösungen zur Aufrechterhaltung der Produktion einführten«. Laut Lerch führte die Krise demnach auch dazu, neue Chancen zu erkennen und neue Potenziale auszuschöpfen.
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