Zurück zum heutigen Newsletter, der gleich mit dem zweiten Titel ziemlich schnell Fahrt aufnimmt! Nehmen Sie bitte Platz im Beiwagen von Motorrad-Pilot Wolfgang Reuter und erleben Sie mit ihm gemeinsam die „Motorsportstadt Schwerin – zu Wasser und zu Lande“. In diesem Zusammenhang spielt besonders der Pfaffenteich eine wichtige Rolle …
Gleich in zwei spannenden Publikation setzen sich Verlagschefin Gisela Pekrul höchstselbst und ihr Haus- und Hof-Grafiker Ernst Franta wieder einmal mit der Geschichte und dem farbenfrohen Erkennungszeichen von zwei Handwerken auseinander – und zwar zum einen mit „Zunftzeichen der Bäcker und Konditoren (Zuckerbäcker)“ und zum anderen mit „Zunft- und Innungswappen der Buchbinder“. Beides gibt es auch als Poster mit Beschreibungen. Und auf einem davon kann sogar einen gewissen Herrn Eulenspiegel erkennen, der sich als Bäcker betätigt. Was da passiert war? Hier eine kleine Auffrischung unter dem Titel „Till wird Bäckergeselle“: „In Braunschweig war es, da kam Till Eulenspiegel eines Tages an einer Bäckerstube vorbei, aus der es köstlich roch. „Ei“, dachte er, „das kann nett werden.“ Er ging in die Backstube hinein und gab sich dort als Bäckergeselle aus, was den Meister sehr freute, denn er suchte gerade eine helfende Hand. Zwei Tage ging alles gut, dann sagte des Nachts der Bäckermeister zu Till, er möge die Arbeit nun alleine verrichten, er wäre zu müde und würde nun ins Bett gehen. „Was soll ich backen“, fragte Till. Doch sein Chef war ein griesgrämiger Geselle und so fuhr er Till unwirsch an: „Eulen und Meerkatzen! Du bist doch Geselle, da musst du wissen, was du backen sollst.“ Und er verschwand. Till tat, wie man ihm gesagt hatte. Er backte die ganze Nacht hindurch. Als am nächsten Morgen der Meister in der Tür stand, da traute er seinen Augen nicht. Nirgendwo war auch nur ein Brötchen oder gar Brot zu finden, nur Eulen und Meerkatzen sah er. Da trieb er Till Eulenspiegel aus dem Haus, befahl ihm aber noch, den verbrauchten Teig zu bezahlen und packte ihm alle Meerkatzen und Eulen schleunigst ein. Die wollte er nicht in seinem Laden haben! Nun war es aber so, dass am nächsten Tag Nikolaus gefeiert wurde. Und so stellte sich Till mit seinem Backwerk vor die Tür der Kirche, um seine köstlichen Leckereien den Kindern anzubieten. Die nahmen ihm das Naschwerk gerne ab und bald hatte Till viel mehr verdient, als er je für den Teig ausgegeben hatte. Als das der Bäckermeister hörte, da wollte er sich glatt das Geld wieder geben lassen. Doch Till Eulenspiegel war längst über alle Berge.“
Mit dem Verhältnis von Nebel und Denken setzt sich Uwe Berger in seinem historischen Roman „Das Verhängnis oder Die Liebe des Paul Fleming“ auseinander. Fleming muss darin eine Reise unternehmen. Denn der Mann war nicht nur Schriftsteller, sondern er war auch Arzt und was in diesem Zusammenhang besonders wichtig und ausschlaggebend ist, er war auch gewissermaßen Angestellter von Herzog Friedrich von Holstein-Gottorf, welcher ihn engagierte, dessen Gesandtschaft nach Russland als Hofjunker, Arzt und Truchsess zu begleiten. Ein Truchsess war ein Hofamt in der mittelalterlichen Hofgesellschaft für den obersten Aufseher über die fürstliche Tafel. Der Ausdruck stammt von althochdeutsch truhtsâzo ‚Vorgesetzter des Trosses‘ (lateinisch dapifer, französisch écuyer de cuisine, englisch steward, polnisch stolnik, niederländisch drossaard). Später war es die Bezeichnung für den Vorsteher der Hofhaltung, der vielfältige Aufgaben zu erfüllen hatte, eben auch auf Reisen zu gehen – ob er nun wollte oder nicht. Er musste mit.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. Das heutige Angebot besteht wieder einmal aus mehreren und zwar gleich aus vier Angeboten und greift gleich im Titel des Gesamtunternehmens eines der großen FfF-Theman auf. Es geht um das Thema Frieden. Wie wird er „produziert“? Und wie kann man sein Gegenteil, den Krieg, verhindern? Und dieses Bücher-Paket mit insgesamt 2183 Seiten ist ein gewaltiger Texte-Brocken wie Erik Neutsch, der im Sommer nächsten Jahres 90 Jahre alt geworden wäre, selber ein gewaltiger Brocken war. Ein bisschen wie ein Fels-Brocken in der Brandung der politischen Auseinandersetzungen seiner Zeit, teils heftige Auseinandersetzungen mit den eigenen Genossen eingeschlossen.
Es war das große Werk, vielleicht sogar das Lebenswerk von Erik Neutsch – der auf insgesamt sechs Bücher (der Schriftsteller selbst vermied es ausdrücklich von Bänden zu sprechen wie auch seine Texte auf die neue Rechtschreibung umzustellen) angelegte Roman-Zyklus „Der Friede im Osten“, von dem am Ende fünf Bücher erschienen sind. Erstmals veröffentlicht wurden sie allesamt im Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale) in den Jahren 1974, 1978, 1985 und 1987 – und wie schon erwähnt „Auf Wunsch des Autors wurde nicht auf neue Rechtschreibung umgestellt“: Ein Apriltag des Jahres 1945. An einer Panzersperre erleben Achim Steinhauer und Frank Lutter als Hitlerjungen das Ende des Krieges. Aber war wirklich zu Ende, was sie mit Blut beschworen hatten?
Achim Steinhauer wird es nicht leicht haben, seinen Weg aus den Verstrickungen der geschlagenen Welt des Faschismus in eine neue Zeit zu finden. Er begegnet schwierigen Situationen, er erkennt seine künftigen Freunde nur schwer, etwa Matthias Münz, den Kommunisten, der aus dem KZ kommt. Auch Franks Weg, der sich bald den antifaschistischen Kräften anschließt, versteht er zunächst nicht. Und schwierig wird für ihn die Zeit im Gefängnis, wo ihm schließlich der sowjetische Oberst Koschkin zu sich selbst und zur Freiheit verhilft.
Bewähren und bestehen muss er die Station der Schule, wo man ihn, den Arbeiterjungen, anfeindet und vor allem wird ihn seine Liebe zu Ulrike Jaro in konfliktreiche Situationen führen. Wie wird er das alles meistern, und wie werden es seine Freunde schaffen?
So begegnen wir ihnen wieder: Frank Lutter ist Student der Journalistik, Achim Steinhauer studiert Biologie in Leipzig. Beide – jeder auf seine Art – haben nicht geringe Konflikte, Fragen, Zweifel zu bewältigen auf dem Weg durch das Studium. Sie durchleben den stürmischen, ereignisvollen, problemreichen „Frühling mit Gewalt“ der Jahre 1951 bis 1953 und werden mit brisanten weltanschaulichen, wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und entscheidenden politischen Ereignissen konfrontiert.
Was ist Objektivismus in der Wissenschaft in dieser Zeit? Ist Widerruf legitim? Ein Plan wird vorfristig erfüllt: Wo liegen die Grenzen zwischen Taktik und Betrug?
Wir begegnen auch Münz, dem Genossen und Freund, der mittlerweile Chefredakteur einer Parteizeitung geworden ist, und Erich Höllsfahrt, der als Arbeiter an einer schwierigen Phase des Aufbaus einer neuen Industrie teilnimmt. Und neue Gestalten kommen ins Bild, wie der faszinierende Biologieprofessor Beesendahl. In den Kämpfen und Konflikten gilt es, Standpunkte zu erwerben, zu prüfen und zu behaupten. Und nicht wenige Episoden des turbulenten Studentenalltags zeigen sich auch in ihrer heiteren Dimension.
Was bleibt nur Symbol und worin besteht der tatsächliche geschichtliche Sinn, wenn in den Niederschachtöfen von Eisenstadt „die Feuer verlöschen“?
Ein Werk, mit seiner Produktion einst lebensnotwendig für den jungen Arbeiter- und Bauern-Staat, wird „umprofiliert“, verschrottet. Dieser Prozess greift tief in die Schicksale, bis in die intimsten Beziehungen jener Figuren ein, die dem Leser bereits aus Erik Neutschs vorangegangenen Büchern seines großangelegten Romanwerkes „Der Friede im Osten“ bekannt sind: Achim Steinhauer und seine Frau Ulrike, Erich Höllsfahrt und Frank Lutter.
Und andere treten neu in die Handlung, so der Parteisekretär Kühnau und der Werkleiter Diepold, die, jeder auf seine Art, von den Konflikten bis an die Grenze ihrer physischen Existenz getrieben werden.
Überzeugend wird sichtbar, unter welcher Anspannung die Menschen am Ende der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre um den Aufbau der neuen Gesellschaft kämpfen, wie sie die Macht der Arbeiter und Bauern verteidigen.
Dabei erweist sich Erik Neutsch wiederum als ein Erzähler mit großem Atem, Sachkenntnis und geistig-moralischem Anspruch, dem es stets auch auf die „Profilierung“ seiner Helden in erregenden Bewährungssituationen ankommt.
Nahe der Grenze zur CSSR, in den Wäldern des Erzgebirges, begegnen wir Achim Steinhauer wieder, dessen Lebensweg eine überraschende Wende genommen hat: Vom Drang nach Selbstbehauptung erfüllte Jahre als Gleisbauer, Fernfahrer und Mitarbeiter einer Vogelwarte liegen hinter ihm seit jenem Abschied aus Eisenstadt. In dieser Zeit hat er zu schreiben begonnen, eine Erzählung wird publiziert, die er mit Soldaten und Offizieren in einem Feldlager der NVA nach den Ereignissen vom August 1968 diskutiert.
Doch in diesen Tagen erfuhren er und Ulrike auch von Ilse Lutters plötzlichem Tod. Was ist geschehen?
Ins Zentrum dieses Romans von Erik Neutsch rückt die Geschichte um Frank Lutters Ehe. Er hat promoviert und befindet sich im Aufstieg. Bohrend sind die Fragen, wieweit ihm dabei seine Frau und Lina Bonk, die Journalistin, zu helfen vermögen, und hat die Freundschaft zwischen ihm und Achim Steinhauer noch eine Chance?
„Nahe der Grenze“ – der Titel des Buches wird zum Bild für die inneren und äußeren Vorgänge, die der Leser miterlebt. Hier folgt allerdings ein kurzer Auszug aus dem Sechsten Kapitel des Zweiten Teils (Enge und Weite) des Drittes Buches „Wenn Feuer verlöschen“:
SECHSTES KAPITEL
Und wieder stöhnte die Niederung unter dem Dauerregen des Spätherbstes. Die Flüsse füllten sich auf, brachten schon von den fernen Bergen herab Hochwasser mit und quollen über. Die Siedlung Lerchenschlag, tief zur Elbe hin gelegen, verwandelte sich binnen kurzem in ein Sumpfloch. Schlamm, vermischt mit dem ersten Schnee, der in den Nächten fiel, tagsüber jedoch taute, zerweichte die Wege und spottete jeder Bezeichnung, die wie ein Straßenname klang.
Ob Winter oder Sommer, Frühling oder Herbst, stets war es dasselbe. Entweder versank man hier im Morast oder erstickte im Staub.
Die Siedler schienen sich damit abgefunden zu haben. Schließlich lebten sie mit den Unbilden der Witterung vor ihren Haustüren seit nunmehr vierzig Jahren. Was sollte sich daran noch ändern? Im besten Alter, manche sogar blutjung, waren die meisten hier eingezogen, und jetzt ging der eine und andere bereits den letzten aller Wege, bei dem es ihm gleich sein konnte, ob er über festen Asphalt oder durch kniehohe Pfützen führte. Bis dahin versorgte man sich lieber mit langschäftigen Gummistiefeln aus dem Werk in Graubrücken, stopfte die Keller für alle Fälle mit Eßbarem voll und wappnete sich so gegen jeden Winter wie Eskimos am Polarkreis.
Nur eine dachte nicht so, die Mutter Hanna.
Zwar, hatte sie lange keinen Brief mehr geschrieben, war dazu auch kaum ermutigt worden, außer von Münz einmal, während einer zufälligen Begegnung beim Bauern Siebenlehn in Felgen, doch nun hatte sich ihre Geduld erschöpft.
Den letzten Anstoß gaben ein paar Dutzend Stiegen mit Apfelsinen, das heißt, sie wurden es, indem an ihnen wieder der alte Konkurrenzneid zwischen der Verkaufsstelle des Konsums und Wonnigkeit aufbrach, der mittlerweile als Kommissionär sein Lebensmittelgeschäft mit dem staatlichen Handel, der HO teilte.
Er nämlich war mit diesen seltsamen saftigen, sonnig leuchtenden, sanft in Holzwolle gelagerten und fein mit Seidenpapier umwickelten, schon beim Anblick das Wasser im Munde zusammenlaufen lassenden Früchten aus Marokko vor dem Einsetzen des Dauerregens beliefert worden. Die Ladung hingegen, die dem Konsum zugedacht war, blieb irgendwo hinter der Stadt bereits im Schlamm stecken, so daß der Lastwagenfahrer, angesichts des unheilvollen, eher einem Teufelsmoor als einer Straße gleichenden Geländes vor sich, das ihn mitsamt dem Auto zu verschlingen drohte, nur noch erschrocken den Rückwärtsgang einlegte.
Die heißersehnte Ware kam also nicht, und für Hanna war das Maß voll. Denn selbst ihre getreuesten Kunden liefen daraufhin wieder zu Wonnigkeit, und weil das alles so kurz vor Weihnachten geschah, kauften sie bei ihm gewiß auch anderes ein, Mehl und Puderzucker für die Stollen, Süßigkeiten und Schnäpsereien, selbst das Notwendigste, Butter und Brot, deckten sich ein für das Fest.
Sie machte mobil. So nannte sie es. Vielleicht aus der Erinnerung noch an die Zeit, als sie in jungen Jahren Robert kennengelernt und er schon bald danach ins Feld hatte ausrücken müssen, und weil ihr dieser Ausdruck besser gefiel als Kampf oder Kämpfen, er zwar ebenfalls damit zu tun hatte, nicht aber gleich so kriegerisch klang. Die gesamte Siedlung versetzte sie in Aufruhr, suchte Männe Moosschwamm auf, dessen Häuschen hinter den kahlen, dezembertrüben Gärten in der gegenüberliegenden Straße stand und der, seit er in Rente gegangen, Sekretär der Wohnparteigruppe im Lerchenschlag war.
Unterwegs, schon während der Dunkelheit, nur die paar hundert Schritte bis hierhin, war sie durch Modder und Matsch gestiegen, hatte mehrmals ihre uralten, hohen Kragenschuhe verloren, sie aus dem Schlamm gezogen und wieder übergestreift, und nun sah sie durch das Fenster, hinter dem sie die gute Stube wußte, ein Lämpchen brennen und den Fernsehapparat flimmern. Sie klopfte gegen die Scheibe.
Hinter der Gardine tauchte ein breitgestaltiger Schatten auf. „Wer is’n da?“
„Muß dich sprechen, Männe. Is was Parteiisches.“
Der aber traute seinen Augen nicht, nachdem er die Hoftür geöffnet hatte und Hanna ins funzlige Licht des Vorbaus trat. Bis an die Knie war ihre Trainingshose, die sie sich angeschafft hatte, um sie an kalten Tagen wie jetzt unter dem Rock zu tragen, verschmutzt. Sie bemerkte seinen Blick, hielt sich an einem Stuhl fest und mühte sich, von einem Bein auf das andere hüpfend, aus den völlig durchnäßten Schuhen zu schlüpfen.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters.
Erstmals 2015 erschien als Eigenproduktion von EDITION digital, herausgegeben von Ulrich „Uli“ Grunert, „Motorsportstadt Schwerin – zu Wasser und zu Lande“ von Wolfgang Reuter: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden auch im Nordosten Deutschlands neue sportliche Strukturen. Die Regierung der gerade gegründeten DDR wollte internationale Anerkennung auch durch sportliche Erfolge erlangen. Der Motorsport wurde gefördert, um die internationale Reputation zu beschleunigen. Der Kult um Rennmaschinen und Rennboote faszinierte schnell Jung und Alt. In vielen Regionen der Republik gründeten sich Motorsport-Clubs, in denen engagierte Sportler bald internationale Erfolge feierten. Dieses Buch erzählt die Geschichte von der Entwicklung und Blüte des Motor-Rennsports in der damaligen Bezirksstadt Schwerin bis Ende der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Hier ein gleichsam rasanter Auszug, der eine legendäre Veranstaltung beschreibt:
„Immer rund um den „Papendiek“
1950
Die Renaissance des Motorsports in der Landeshauptstadt begann am Pfaffenteich, jenem kleinen, nur zwölf Hektar messenden Gewässer mitten in der Stadt, das der Graf von Schwerin bereits im 12. Jahrhundert als Mühlenteich anlegen ließ.
Die „Landes-Zeitung“ (L-Z), Organ der SED für Mecklenburg, berichtet im Zusammenhang mit einem Radrennen im Sommer 1950:
„Eine besondere Delikatesse wurde den Radsportfreunden durch kleine Motorradrennen geboten… Die Fahrer erklärten, nachdem sie mehrere Runden gefahren hatten, daß sich auf dieser Straßenstrecke durchaus Motorrennen ausfahren ließen, daß aber die Straßen vorher noch überholt werden müßten.“
1951
Von der geforderten Überholung der laut einem Zeitungsbericht mit „Grauwackersteinen“ gepflasterten Straßen war allerdings ein Jahr darauf nichts zu sehen. Trotzdem versprach die „L-Z“ am 24. August 1951 in ihrer Vorschau auf das erste Motorrad- und Kleinstwagenrennen „Rund um den Pfaffenteich“ ein motorsportliches Ereignis ersten Ranges.
Aus heutiger Sicht völlig unvorstellbar, dass sich auf der rumpeligen Straße nicht nur Solo- und Seitenwagenmaschinen, sondern sogar Rennwagen packende Auseinandersetzungen geliefert haben.
Ursprünglich wollte die veranstaltende Sektion Motorrennsport Schwerin im Landessportausschuss Mecklenburg lediglich den Nachwuchs- und Ausweisfahrern des Landes und Brandenburgs eine Chance bieten. Dieser Rahmen aber wurde durch das große Interesse auch jenseits der Interzonengrenze bald gesprengt.
50.000 Zuschauer hatten sich an diesem 24. August 1951 eingefunden, um die spannenden Rennen zu verfolgen.
Den Höhepunkt bildeten die Lizenzfahrer in der Seitenwagen-Klasse bis 500 ccm. Bis zur vierten Runde lagen die Westberliner Pusch/Wehler an der Spitze, die sie jedoch wegen eines Maschinenschadens an Krause/Trinkhaus (Berlin) abgeben mussten. Lange konnten diese sich der Angriffe von Willi Krenkel mit seiner Beifahrerin Marianne Schwarze erwehren, doch in der 18. Runde mussten sie unter dem Jubel der begeisterten Fans das Dresdner Gespann vorbeiziehen lassen.
Bei den Ausweisfahrern in der 500-ccm-Klasse hatte der Schleswig-Holsteiner Hans Steinau am Ende die Nase vorn, den Jenaer Auer auf Platz 2 verweisend. Der Mann aus Neumünster markierte mit 94,5 km/h auch die schnellste Runde des Tages.
In der Klasse der Kleinwagen bis 500 ccm fuhr Willy Lehmann (Bitterfeld) einen ungefährdeten Start-Ziel-Sieg heraus. Dahinter belegte Otto Kolan (Neumünster) den Ehrenplatz. Lehmanns schnellste Runde wurde mit 91,8 „Sachen“ gemessen.
Zu einem überraschenden Erfolg kam der Warnemünder Albert Lässig bei den Rennwagen bis 750 ccm. Zwar lag er lange aussichtslos zurück, doch eine Runde vor Schluss profitierte er vom Pech des bis dahin souverän führenden Eugen Müller, denn der Mann aus dem anhaltinischen Güsten verlor kurz vor dem Ziel ein Rad.
Den Abschluss des Renntages bildete der zweite Lauf der Motorboote.
(Bericht siehe: Motorbootrennen.)
Ergebnisse:
Nachwuchs:
Klasse 4: 1. Kollwitz (Stralsund), 2. Weber (Hagenow), 3. Burmann (Strelitz);
Klasse A: 1. Kurt Stieg (Schwerin), 2. Körner (Rostock), 3. Langenbeck (Neuruppin);
Klasse B: 1. Kollwitz (Stralsund), 2. Gehrmann, 3. Böttke (beide Rostock);
Klasse C: 1. Alfred Wünsche (Jena), 2. Schnur (Schwerin), 3. Schleier (Apolda);
Ausweis:
Klasse 4: 1. Heilmann (Zeitz), 2. Henkel (Potsdam), 3. Wagner (Rostock);
Klasse A: 1. Hoyer (Leipzig), 2. Flemming (Lindow), 3. Schilling (Berlin);
Klasse B: 1. Bauer (Jena), 2. Rosenhahn (Berlin), 3. Buchmann (Stralsund);
Klasse C: 1. Steinau (Neumünster), 2. Bauer (Jena), 3. Rosenbaum (Apolda);
Lizenz:
Klasse Cs: 1. Willi Krenkel/Marianne Schwarze (Dresden), 2. Horst Krause/Fritz Trinkhaus (Berlin);
Formel III: 1. Willy Lehmann (Bitterfeld), 2. Otto Kolan (Neumünster);
Rennwagen bis 750 ccm: 1. Albert Lässig (Warnemünde).
1952
Trotz strömenden Regens hatten sich 25.000 Zuschauer zur zweiten Auflage des Pfaffenteichrennens am 22. Juni 1952 eingefunden.
Wegen der erfreulich starken Beteiligung in der Nachwuchs-Klasse bis 350 ccm wurde der Sieger in zwei Läufen ermittelt. Die bessere Zeit entschied letztlich für Hans-Joachim Scheel aus Suhl vor dem Ludwigsluster Karl Gävert, der sich damit als bester Nachwuchsfahrer aus Mecklenburg den erstmals ausgefahrenen „Kurt-Bürger-Gedächtnispokal“ (zur Erinnerung an den ein Jahr zuvor gestorbenen Ministerpräsidenten) holte.
Auf dem nassen und deshalb gefährlich glitschigen Kurs begeisterte Christa Böttcher (Niedersedlitz) die Zuschauer. Rundenlang lieferte sie sich in der Nachwuchs-Klasse C einen erbitterten Zweikampf mit Harald Nusse. Der Güstrower musste allerdings wegen eines Defekts ausscheiden, und so fuhr die Amazone einen überlegenen Sieg vor dem Parchimer Harald Lemke heraus. Das war für die 24-jährige der Aufstieg in die Lizenzklasse.
Eine weitere junge Dame machte auf sich aufmerksam: Walter Fülle (Jena) mit Tochter Lore im „Boot“ fuhren in der Ausweis-Klasse Cs vom Start weg allen davon. Mehr als 20 Sekunden später überquerten die Berliner Fritz Trinkhaus/Paul Haustein als Zweite die Ziellinie.“
Redaktionsschluss für die Ausgabe „Zunftzeichen der Bäcker und Konditoren (Zuckerbäcker)“ von Gisela Pekrul (Texte und Recherchen) und Ernst Franta (Grafiken) – eine weitere Eigenproduktion von EDITION digital – war der 31. März 2011: Das E-Book enthält 39 historische ZUNFTZEICHEN (Zunftwappen, Zunftsymbole), INNUNGSZEICHEN (Innungswappen, Innungssymbole), HANDWERKSZEICHEN (Handwerkswappen, Handwerkssymbole) und BERUFSWAPPEN (Berufszeichen, Berufssymbole) der Bäcker und zwei der Konditoren mit Beschreibung und Quellenangaben sowie die Berufsbeschreibung und eine Aufstellung alter Berufsbezeichnungen. Enthalten sind Innungszeichen vom 16. bis 20. Jahrhundert. Hier ein kurzer Einblick in eine lange Geschichte eines noch immer existierenden Handwerks:
„Zunftzeichen der Bäcker
Laut Handwerksordnung ist der Beruf des Bäckers ein Gewerbe, das als zulassungspflichtiges Handwerk betrieben werden kann.
Bäcker gehören zur Berufsgruppe 39: Back-, Konditorwarenhersteller. Sie backen Brot, Brötchen, Kleingebäck und feine Backwaren. Die Ausbildung in Industrie und Handwerk drei Jahre.
In Österreich ist die Berufsbezeichnung ebenfalls Bäcker, in der Schweiz Bäcker – Konditor. In der DDR wurden Backwarenfacharbeiter, Spezialisierungsrichtung Bäcker ausgebildet.
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks mit Sitz in Berlin vertritt gemeinsam mit 16 Landesverbänden und rund 390 Bäckerinnungen die Interessen des deutschen Bäckerhandwerks.
Historisches
Alte Berufsbezeichnungen des Bäckers sind z. B. Beck, Brotbeck, Pfister, Weißbäcker, Flader, Semmler, Fastbäcker, Grobbäcker, Feinbäcker, Festbäcker, Losbäcker, Rockener, Schwärzbäcker, Hiepenbäcker, Kiechler, Küchler, Lebzelter, Placzbeck, Revenirer, Stutner, Mutzenbäcker, Bretzenbäcker, Peugler, Beugelbäcker, Krapfenbäcker, Hohlhipper, Konfektmacher, Hartbäcker.
Seit der Zeit Karls des Großen (768 – 814) ist der Bäckerberuf in Deutschland bekannt. Der Pfister hatte oft zu seiner Bäckerei noch eine Mühle und war außerdem Getreidehändler. Diese Bezeichnung wurde vor allem im Süden Deutschlands verwendet.
Erst im späten Mittelalter aß die breite Bevölkerung Brot, da es vorher zu teuer war. Bis dahin aß sie Brei.
Ab dem 12. Jahrhundert organisierten sich die Bäcker in Zünften. Es begann bald eine Spezialisierung, so dass wieder neue Zünfte entstanden. Es gab z. B. die Berufe Weißbäcker (Weißbrot- und Brötchenbäcker), Flader (Weißbrot- und Kuchenbäcker), Semmler (Weißbrot-, Brötchen- und Weckenbäcker), Fastbäcker (Bäcker von Roggenbrot), Grobbäcker (Bäcker von Roggenbrot), Fein-, Fest- oder Losbäcker (Weißbrot- und Brötchenbäcker), Rockener (Schwarzbrotbäcker), Schwärzbäcker (Bäcker von Roggenbrot), Hiepenbäcker (Bäcker von Oblatenkuchen), Kiechler (Hersteller von Kuchen und Feingebäck), Küchler (Feinbäcker, Konditor), Lebzelter (Lebkuchenbäcker), Placzbeck (Hersteller von Kuchen und Feingebäck), Revenirer (Zuckerbäcker, Konditor), Stutner (Bäcker von Stuten, einem feineren Weizenbrot), Mutzenbäcker (Bäcker eines zwiebackartigen Feinbrotes), Bretzenbäcker (Bäcker von Brezeln), Peugler oder Beugelbäcker (Hersteller eines handtellergroßen Hefegebäcks mit einem Loch in der Mitte, in Deutschland heißt es Bagel), Krapfenbäcker, Hohlhipper (Hersteller von Hippengebäck, vor allem in Österreich beliebte Waffenrollen), Konfektmacher und Hartbäcker (Bäcker von Schiffszwieback).
Diese Unterscheidung wurde erst 1752 in Preußen aufgehoben. Zum Reichsinnungsverband des Bäckerhandwerks gehörten laut Anordnung über Reichsinnungsverbände vom 21. Mai und 13. August 1935 die Bäcker und Brezelbäcker.
Gleiches wie für die Bäcker und Konditoren gilt für die folgende Publikation: Redaktionsschluss für die Ausgabe „Zunft- und Innungswappen der Buchbinder“ von Gisela Pekrul (Texte und Recherchen) und Ernst Franta (Grafiken) – eine weitere Eigenproduktion von EDITION digital – war ebenfalls der 31. März 2011: Die Publikation enthält 21 alte Handwerkszeichen der Buchbinder mit Beschreibung und Quellenangaben sowie die Berufsbeschreibung und eine Aufstellung alter Berufsbezeichnungen. Enthalten sind Innungszeichen vom 16. bis 20. Jahrhundert. Hier ein kurzer Einblick in eine lange Geschichte eines noch immer existierenden Handwerks:
Die Publikation enthält 21 alte Handwerkszeichen der Buchbinder. Dazu gibt es eine Beschreibung aller Zeichen mit Quellenangaben. Auch ein kurzer Einblick in eine lange Geschichte eines trotz aller Digitalisierung noch immer existierenden Handwerks:
„Historisches
Laut Handwerksordnung ist der Beruf des Buchbinders ein Gewerbe, das als zulassungsfreies Handwerk oder handwerksähnliches Gewerbe betrieben werden kann.
Buchbinder gehören zur Berufsgruppe 16: Papierhersteller, -verarbeiter.
Sie bringen das Buch in die endgültige Form und erstellen den Einband, aber auch Kästen und Kassetten. Sie sind sowohl für das Ordnen und Zusammenfügen der Lagen als auch die künstlerische Gestaltung zuständig. Sie übernehmen auch die Restaurierung und Reparatur.
Die Ausbildung in den Fachrichtungen Buchfertigung (Serie), Druckweiterverarbeitung (Serie) sowie Einzel- und Sonderfertigung dauert drei Jahre.
Die Berufe Fertigmacher und Deckenmacher, sowie teilweise der alte Beruf des Futteralmachers sind in dem Buchbinderberuf enthalten.
Bis Gutenberg um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden hatte, wurden vorwiegend in den Klöstern handgeschriebene und handbemalte Bücher erstellt, die kunstvoll eingebunden wurden. Die durch Gutenbergs Erfindungen ermöglichte Serienproduktion von Büchern erforderte neben dem Drucker einen weiteren Handwerksberuf, den Buchbinder.
Schon 1434 nahm man in Basel Buchbinder in die Safran-Zunft der Krämer auf. 1502 gehörten in Straßburg Buchbinder zur Zunft "Zur Stelze", vereint mit Armbrustmachern, Goldschlagern, Goldschmieden und Malern. Es gab zu dieser Zeit auch Buchbinder als „freie“ Künstler.
Erst rund hundert Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks blühte das Buchbinderhandwerk auf. Eigene Zünfte entstanden z.B. 1533 in Augsburg, 1534 in Wittenberg, 1544 in Leipzig und 1549 in Ulm. In dieser Zeit übernahmen auch andere Handwerker, wie die Spielkartenmacher, Buchbinderarbeiten. Andererseits betrieben viele Buchbinder zusätzlich noch einen Buchhandel. Gleichzeitig entstand der Handwerksberuf des Futteralmachers, den oft ebenfalls die Buchbinder ausübten.
Zunft- und Innungswappen der Buchbinder
Das Reichsinnungszeichen des Buchbinderhandwerks zeigt auf lichtgrünem Grund ein Buch in der Buchbinderpresse. Darüber schräg gekreuzt Falzbein und Pinsel hinter einem senkrecht stehenden Vergolderrädchen.
Quelle: Deutsches Handwerk Nr. 31. Verlag Karl Zeleny & Co., München, 6.8.1937
ISBN Buchbinder_53_4c
Zum Reichsinnungsverband des Buchbinderhandwerks gehörten laut Anordnung über Reichsinnungsverbände vom 21. Mai und 13. August 1935 die Buchbinder, Kartonagenmacher und die Liniierer.
Dieses Zeichen der Buchbinder in Einbeck zeigt ein aufgeschlagenes Buch mit der Inschrift Biblia Sacra, gehalten von einem hinter dem Buch stehenden Engel.
Quelle: SEYLER, GUSTAV A.: Berufswappen oder des Großen u. allgemeinen Wappenbuchs von A. Siebmacher, Teil VII. Verlag von Bauer & Raspe, Nürnberg, 1895. Farbgestaltung: Ernst Franta
ISBN Buchbinder06_si
Dieses Zeichen der Buchbinder zeigt im blauen Schild ein Buch in der Presse.
Quelle: Brockhaus’Konversations-Lexikon. F. A. Brockhaus’Geogr.-artist. Anstalt, Leipzig, 14. Auflage, 1892 – 1897
ISBN Buchbinder_br_4c
Dieses Zeichen der Buchbinder war in einem vom „Bund deutscher Buchbinder-Innungen“ im 19. Jahrhundert herausgegebenen Lehrbrief enthalten. Es zeigt eine Kleisterschüssel, darin senkrecht rechts eine Filette (ein Werkzeug zur Handvergoldung), links ein Schärmesser; darüber gekreuzt schrägrechts ein „Glättkolben“, schräglinks ein Glättzahn. Oben quergelegt ein schiffartiges Falzinstrument mit Öffnung und Band zum Anhängen.
Quelle: SEYLER, GUSTAV A.: Berufswappen oder des Großen u. allgemeinen Wappenbuchs von A. Siebmacher, Teil VII. Verlag von Bauer & Raspe, Nürnberg, 1895. Farbgestaltung: Ernst Franta
Dieses Zeichen der Buchbinder in Dresden von 1568 zeigt oben eine Buchbinderpresse und unten drei (2, 1) Bücher.
Quelle: SEYLER, GUSTAV A.: Berufswappen oder des Großen u. allgemeinen Wappenbuchs von A. Siebmacher, Teil VII. Verlag von Bauer & Raspe, Nürnberg, 1895. Farbgestaltung: Ernst Franta
Erstmals 1983 veröffentlichte Uwe Berger im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar „Das Verhängnis oder Die Liebe des Paul Fleming“ und widmete sein Buch dem russisch-sowjetischen Germanisten, Schriftsteller und Übersetzer Lew Ginsburg.
Der Paul-Fleming-Roman von Uwe Berger (3 Auflagen: 1983, 1985, 1987) folgt dem historischen Optimismus, der 1975 in seinem Sonett „Nebel“ ausgedrückt ist: „Kein Nebel hält das Denken auf.“ Paul Fleming bricht 1634 mit einer holsteinisch-gottorpischen Gesandtschaft nach Reval auf, um eine „moskovitische und persianische“ Gesandtschaft anzutreten, nämlich die auf kaiserlichen Wunsch hin stattfindende Erkundung eines Landwegs für Handelsbeziehungen zum Osten. Psychischen Nebel zerteilend verlässt Fleming für fünf Jahre die Heimat, in der der Krieg wütet, die Pest haust, die Geliebte gestorben ist. Er begegnet den freien Kolonisatoren bei Nowgorod, trifft auf Esten, Russen, Nogaier, Dagestaner und Perser, fährt mit dem hölzernen Schiff auf der Wolga bis zur Kaspisee und muss Schiffbruch miterleiden. Gewalttätige Auseinandersetzungen mit usbekischen Gästen des Schahs in Isfahan bleiben ihm ebenso wenig erspart wie die ätzende Arroganz des zweiten Gesandten Brüggemann, der die Ziele der Gesandtschaft und auch diese selbst gefährdet. Dem Fremdenhass setzt Fleming seine poetische Gesinnung entgegen. Noch in Reval hatte er sich in Elsabe, die Tochter eines reichen deutschen Kaufmanns, verliebt, aber sie lehnte den Mann ohne Amt ab. In Astrachan wendet er sich Roxolane zu, wie er sie nennt, die aus den „Steppen des Ostens“ stammt. Wieder in Reval gewinnt er das Herz seiner Anna. Um sich ihrer wert zu erweisen, bricht er, ohne sich von den Strapazen der großen Reise erholt zu haben, überstürzt auf, um in den Niederlanden einen medizinischen Titel zu erlangen. Auf dieser europäischen Reise stirbt Paul Fleming.
Steigen wir in den Text ein:
„1. Kapitel
Aber es gibt auch einen Sinn, den wir dem Leben geben können, indem wir Verhängtes annehmen und Gesetze beachten …
Am 28. Februar 1634 wurde der vierundzwanzigjährige Fleming mit einigem Begleitvolk und schwerem Gerät der Expedition vorausgeschickt, deren Aufbruch aus Narva sich verzögerte. Noch war die Schlittenbahn nach Nowgorod gut; doch befürchtete man bald Tauwetter und Morast. Fleming hatte gelernt, Pferd und Schütten zu lenken, ohne umzuwerfen, und betrachtete die Landschaft, die sie durchfuhren, Verschneite Talhänge am Eis des Flusses entlang. Dichte schwarze Fichtenwälder, weiß bedacht, und die kahlen, gefleckten Ruten der Birken mit den Klümpchen der Saatkrähennester.
Fleming spürte fast leibhaftig die Säfte in dem scheinbar toten Geäst, das, was blieb von der Zeit, wenn der Mensch nicht mehr war. Das Leben machte sich zum Aufbruch bereit. Zurück lagen die brennenden Häuser Leipzigs, die brüllenden Söldner des dänischen Grafen Holk, die für kaiserlichen Sold mordeten und brandschatzten, und die auf Karren fortgebrachten Pestleichen. Er fühlte sich frei und ohne Beschwernis. Im Augenblick waren nicht einmal die Herren Gesandten über ihm, der stille, gemessene Crusius, der aufbrausende, herrschsüchtige Brüggemann, und beider Rat, sein gelehrter und überlegener Freund Olearius. Die Männer, deren Schlitten dem seinen folgten, waren ihm anvertraut. Nicht nur der Frühling und die Überraschungen des Lebens erwarteten sie, vor ihnen lagen auch die Weiten Russlands.
In Dörfern, die nur aus wenigen Holzhäusern bestanden, machten sie halt. Die Frauen der Bauern brachten ihnen mit vorgestreckten Armen Brot und Salz. Die Männer stellten ihnen Fragen über Herkunft und Absicht. Den Strelitzen, der die Reisenden seit dem Überschreiten der russischen Grenze begleitete, beachteten sie kaum. Manche waren freie Bauern, Swojezemzy, wie sie sich dem Dolmetsch gegenüber bezeichneten. Ihre Väter hatten einst ein Stück Wald gerodet und das Land, das niemand gehörte, urbar gemacht. Die Nachfahren, so vernahm Fleming von ihnen, konnten es noch immer als das ihre betrachten. Mit Gefallen sah er, der sich den Bauern und dem bäuerlichen Leben von Kindheit an verbunden fühlte, die stattlichen, grobgesichtigen Männer. Sie waren hart und im Gespräch voll zurückhaltendem Stolz. Ihre Weiber hatten ihnen zu gehorchen, aber wussten sich bei Gelegenheit auch zu wehren.
Während einer Rast geschah es, dass sich Fleming bei einer schlanken Frau für das säuerliche Getränk bedankte, das sie vor die Gäste auf den Holztisch stellte. Sie sah nicht auf. Aber als der Hausherr sie mit einer Handbewegung aus dem Raum wies, fuhr sie ihn heftig an und ging mit stolz erhobenem Kopf…
Und dann Nowgorod. Auf Schwemmland beiderseits des Wolchow eine große Zahl von Holzhäusern, die von steinernen Kathedralen überragt wurden. Verfallene Kirchen außerhalb der bebauten Gebiete zeigten, dass die Stadt einst noch größer gewesen war. Vor zwei Jahrhunderten, vor dem Niedergang und dem Anschluss Nowgorods an das Großfürstentum Moskau, hatte sich der Einfluss der Bojarenrepublik bis zum Ural erstreckt. Aber war auch die große Zeit vorbei und gab es keine Volksversammlung mehr, in der die einfachen Leute neben den Bojaren und Kaufleuten gesessen hatten, die Vergangenheit war noch in der Stadt zu spüren, und ihre Traditionen lebten fort.
In einem hölzernen Haus, bei einem schlichten Manne nahm Fleming Quartier. „Parva, sed ad magnos mihi jam domus utilis usus“, schrieb er schon bald in einem Gedicht, „lignea, sed domino non minus aequa suo.“ Und das hieß: Klein ist das Haus, doch brauchbar für mich; aus Holz, doch auch seinem Herrn gerecht. Fleming besaß die Gabe, das Fremde nicht mit den Augen des Fremden zu sehen, sondern die Dinge aus sich, aus ihrem eigenen Wesen heraus zu verstehen. Er schlüpfte in das Gehäuse mit dem großen gemauerten Ofen, der Schlafbank, dem Tisch, zwei Stühlen und der Truhe und fühlte sich wohl in ihm.
Aber er konnte nicht verhindern, dass ihn die Erinnerung befiel, als er, in dem gut gewärmten Zimmer sitzend, kunstvolle lateinische Verse baute. Auch seiner geliebten Rubella hatte er in Latein gedacht: Rubella seu Suaviorum liber, das Buch der Küsse. Schmerz und Verlangen ergriffen ihn. Ihr waches Gesicht mit der hellen, leicht sommersprossigen Haut schwebte vor ihm. Das rötliche Haar war hochgebunden – er hatte seine Hand so gern hineingesteckt. Er meinte die Wärme ihres Leibes zu spüren. Da sah er ihren Hals von Pestbeulen entstellt. Flehend richteten sich ihre Augen auf ihn und verblassten. Ach, Rubella. Das Knarren des Leichenwagens nahm dich hinweg, den Klang deiner spöttischen Worte.
Fleming stand auf, schwankte und ging unsicher zum Ofen, wo er sich mit beiden Armen festhielt. –
Gern wanderte er durch die Straßen, die von verblichenen alten und bunten neuen Blockhütten gesäumt waren. Andächtig verharrte er vor der Erlöser-Kirche in der Ilja-Straße. Die Fassaden waren unsymmetrisch gegliedert; aus der Mitte eines viergiebeligen Satteldaches erhob sich der mächtige und zugleich schlanke Turm mit dem gestreckten Zwiebeldach.
Wie ein Stein gewordener Traum von Liebe und Hoffnung stand diese Kathedrale vor der waldigen Ebene mit dem Strom.
Am Ufer des Wolchow lag der Djetinez. Die roten Mauern trugen eigenartige M-förmige Zinnen. Sie umschlossen verschiedene Gebäude. Im Granowitaja Palata, einem dreigeschossigen Ziegelbau, hatte er, angetan mit steifem Rock und gespornten Stiefeln, dem Statthalter des Zaren ein Schreiben der Herren Gesandten übergeben. Nicht weit davon entfernt hob die ehrwürdige Sophien-Kathedrale ihre weißen Mauern mit den vielen blinkenden Kuppeln in den Frühjahrshimmel. Sie sei schon sechshundert Jahre alt, erfuhr er. Ihren Westeingang schmückten die Flügel einer hohen Bronzetür, die ein Magdeburger Meister angefertigt hatte.
Die Tür war sicher ebenfalls mehrere hundert Jahre alt. Mit zugekniffenen Augen suchte Fleming das bewegte und stilisierte Ganze zu erfassen. Danach begann er die einzelnen Relieffelder, die Szenen und Figuren zu studieren. Es vergnügte ihn, Maria mit dem Spinnrocken zu sehen, während der Heilige Geist auf sie niederfuhr. Maria und die schwangere Elisabeth umarmten einander, und die primitive Darstellung war von der schwesterlichen Geste beseelt. In der linken unteren Ecke – er musste sich dazu hinhocken – fand er Adam und Eva, die sich Blätterbündel vor den Leib hielten. Sieh an, jeder der beiden trug einen Apfel der Verführung in der Hand! Dazu gesellten sich die plastischen Bildnisse des Bischofs Wicmannus von Magdeburg, des Erzgießers Abram und anderer. Zwei Krieger mit Schwert und Lanze setzten ihren Fuß auf getötete Feinde, den Sieg der Tugend über das Laster symbolisierend. Auf dem rechten Türflügel hockten zwei Männer in einem Burgverlies, von Kriegern bewacht. Und dann, wiederum ganz unten, der Kindermord zu Bethlehem. Ein Mann, auf einem Berg von Leichen stehend, einem Kind den Kopf abschlagend…
Was für eine finstere, von simplen Gegensätzlichkeiten eingeengte Welt, in welcher der einzelne versank. Die neue Zeit atmete etwas anderes, den Geist, der auf die Einheit der Widersprüche, das Selbstbewusstsein des Menschen zielte. Dennoch – Deutschlands Gegenwart war wie sein Mittelalter. Dieses Meisterwerk kündete vom heimatlich Vertrauten und von dem, was es in sein Gegenteil verkehrte. Wärme, Güte, Liebe ebenso wie Verblendung, Unterdrückung, Mord. Heute waren die Dörfer verbrannt, die Städte ausgelaugt oder zerstört. Die Bürger fristeten verzweifelt ihr Leben. Die Bauern fanden sich ausgetrieben.
Auch geistig ausgetrieben. Was hatte der Bauernsohn, der Peter Timm, der als Diener und Pferdeknecht bei ihm war, mit der „Neujahrsode“ anzufangen gewusst? Gegen jede Regel hatte Fleming ihm vor Tagen einige Strophen seines Gedichtes mitgeteilt, darunter die, welche davon sprach, dass die brache Erde Spieß und Degen brauche, doch verändert zu Pflug und Spaten. Timm hatte nur verlegen gehüstelt und verstohlen gegähnt.
Fleming dankte den Russen, die ihn zur Sophien-Kathedrale geführt hatten. Er fühlte sich bestärkt in dem Vorhaben, das er und andere als Ziel der Expedition ansahen, nämlich durch Verbindung zum Osten, zu Russland und zu Persien, dem deutschen Krieg auf irgendeine, noch zu ergründende Weise beizukommen. Hatte er doch den heimatlichen Feldern vor seinem Weggang zugerufen: „Denkt, dass eurer Ruhe wegen wir der Mühe ziehn entgegen!“ Streng und warmherzig zugleich waren sie, die Russen. Was aber wusste man in Leipzig vom Osten, außer dass er von Barbaren bevölkert sei? Selbst der geschulte humanistische Geist seines Freundes Olearius blieb in diesem Vorurteil befangen.“
Zugegeben, das ist zeitlich wie räumlich ziemlich weit weg. Aber eine spannende Geschichte bleibt es dennoch. Uwe Berger bleibt ein Autor, mit dem sich zu beschäftigen lohnt. Seine Gedichte muss man allerdings am besten mal laut lesen, dann wird ihre Kraft noch deutlicher.
Eher zum Anschauen sind dagegen die in diesem Newsletter angebotenen Handwerkszeichen geeignet. Und zum Staunen, wie lange schon es Bäcker und Buchbinder gibt – beide Berufsgruppen haben auf ihre jeweils eigene Weise mit Lebensmitteln zu tun – und was sich an zusätzlichen Informationen über diese Gewerke herausfinden ließ.
Und nicht zuletzt lohnen sich auch ein paar Blicke in die Geschichte der Landeshauptstadt als Motorsportstadt betrachtet. Schade eigentlich, dass es heute nicht mehr so ist. Würde doch ganz gut klingen – Formel 1, der Große Preis von Schwerin …
Viel Vergnügen beim Lesen, weiter einen schönen Herbst (diesmal habe ich selber dran gedacht), bleiben Sie weiter gesund und vorsichtig und bis demnächst. Und bitte dran denken: In weniger als vier Wochen ist Weihnachten! Und verpassen Sie nicht den neuen literarischen Adventskalender mit täglichen kostenlosen E-Books, wahre Schnäppchen.
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