EU2020: Freiraum Festival

Kontakt- und Ausgangssperren, Grenzschließungen und Überwachung haben in den letzten Monaten der Corona-Pandemie das Leben der Europäer*innen bestimmt. Wie steht es heute um die Freiheit in Europa? Darüber diskutieren über 40 Kulturschaffende, Intellektuelle und Künstler*innen aus ganz Europa vom 30. Oktober bis 1. November auf dem hybriden Freiraum Festival. In einem multidisziplinären Online-Programm und physischen Veranstaltungen in mehr als 20 europäischen Städten geht es um den Zustand der Freiheit und der Künste, die anhaltende biopolitische Krise oder die Rolle sozialer Solidarität. Zu den Diskussionsgästen gehören u.a. die Soziologin Eva Illouz, der Politologe Ivan Krastev, der Schriftsteller Franco „Bifo“ Berardi oder die Theaterregisseurin Helgard Haug. Darüber hinaus wird ein „Freiraum-Manifest“ an die Europäische Kommission überreicht als Appell für den Schutz individueller Freiheiten. Das gesamte Programm kann über www.freiraumfestival.eu verfolgt werden.

Der Generalsekretär des Goethe-Instituts Johannes Ebert eröffnet das dreitägige hybride Festival am Abend des 30. Oktobers mit einem Appell: „Freiraum: Das bedeutet für mich Räume öffnen und Orte schaffen für nachhaltigen gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten der Krise. Die Menschen, die sich für Freiraum engagieren stoßen positive Veränderungsprozesse an und haben so eine Vorreiterrolle für eine solidarische und freiheitliche Gemeinschaft in Europa. Das Goethe-Institut ist stolz, dass es mit seinem Freiraum-Projekt als Türöffner fungiert, um die europäische Zivilgesellschaft zu unterstützen, die Meinungsfreiheit zu stärken und Kreativität und Innovation zu fördern. Das europaweite Freiraum-Netzwerk ist eine markante Stimme und ein kleiner, aber wichtiger Baustein in dem großen Prozess, Europa für uns immer wieder neu zu erfinden und einzuüben.“

Das dreitägige Freiraum Festival des Goethe-Instituts bringt eine Vielzahl europäischer Stimmen und Perspektiven zusammen. Im Zentrum der Live-Diskussionen, Vorträge und Performances und physischen Veranstaltungen in mehr als 20 europäischen Städten stehen offene Dialoge über die neuen pandemischen Realitäten in Europa und über solidarisches Handeln für eine widerstandsfähige und inklusive Gesellschaft.

So betont Ivan Krastev, bulgarischer Politologe, in der Eröffnungsdiskussion: „Das einzige, was Bürgerinnen und Bürger dem Staat nicht vergeben, ist, dass man nicht handelt. Dies erklärt übrigens die Grenzschließungen. Wissen die Staaten nicht, was sie tun sollen, tun sie etwas Symbolisches. Denn damit demonstrieren sie Verantwortung. […] Dies ist es, was der Staat tut: Er verteilt Einkommen, aber vor allem verteilt er die Risiken auf verschiedene Gruppen. Alle Covid-19-Maßnahmen der Staaten drehten sich darum, wie viel Risiko verschiedene Gruppen tragen, wie sehr sie dem ausgesetzt sein werden.“

Die Soziologin Eva Illouz beobachtet Freiheiten und Begrenzungen des „Selbst“ im scheinbar selbstlosen virtuellen Kommunikationsraum: „Eine Sache, die man beim Zoomen nicht tun kann, ist das Flirten. […] Die Darstellung des individuellen Selbst, die wesentlich ist für die menschliche Interaktion, also das, was Goffman die ‚Selbstdarstellung‘ nennt, wie wir uns kleiden, wie wir uns vor anderen geben – ist in der zoomifizierten Welt völlig neutralisiert.“

Im Zentrum des Eröffnungsabends steht die symbolische Überreichung des Freiraum-Manifestes durch die Künstlerin und Kuratorin Jane Dudman gemeinsam mit 12 Freiraum-Partner*innen. Das Manifest ist Ausdruck des Freiraum-Netzwerks für gelebte Diversität und dient als Appell für den Schutz und das Errichten von individuellen Freiräumen für die Europäer*innen. Zugleich ist das Manifest ein Symbol des Freiraum-Netzwerks, um sich weiterhin für persönliche und künstlerische Freiheiten sowie Meinungsfreiheit einzusetzen.

Soziale Bewegungen und die Frage nach neuen Allianzen für Europa

Der zweite Festivaltag (31. Oktober) wird die Debatten um Europa als politisches, wirtschaftliches, kulturelles und gesellschaftliches Projekt vertiefen. Zum Auftakt spricht Eva Illouz zum Thema „Kann das Zuhause in einer krisengeschüttelten Welt einen sicheren Hafen bieten? Gedanken zu den politischen Folgen von Covid-19“. Die Soziologin und Schriftstellerin wird darin die vielbeschworenen „eigenen vier Wände“ als Zufluchtsort und Gefängnis gleichermaßen beleuchten. Im Anschluss diskutieren Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen in zwei Diskussionsrunden über „Die aktuelle biopolitische Krise der Demokratie" und "Soziale Bewegungen und neu entstehende Solidaritäten“. Zu den Teilnehmer*innen gehören u.a. der italienische Schriftsteller und Medientheoretiker Franco „Bifo“ Berardi, die Anthropologin Svetlana Slapšak, die Schriftstellerin und Ökonomin Nitasha Kaul und der Künstler Liam Gillick. Die Podien werden ergänzt durch künstlerische Interventionen, experimentelle Performances, sowie durch Live-Übertragungen der lokalen Veranstaltungen. Das Moderator*innen-Duo Lydia Chatziiakovou und Sotirios Bahtsetzis führt im Live-Studio als „Master of ceremonies“ durch das Festivalprogramm.

„State of the Arts“ in Europa

Am 1. November 2020 wird das Online-Programm in Zusammenarbeit mit dem Projekt Common Lab des Goethe-Instituts weitergeführt. Unter dem Titel „State of the Arts – Neue Formate und ein neues Publikum“ werden Kunst- und Kulturschaffende aus ganz Europa und aus den Vereinigten Staaten wie etwa Thomas Oberender, Helgard Haug, Daria Mille, Julieta Aranda oder Mark Titchner die durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen neuen Herausforderungen für die Kunstwelt in den Bereichen Produktion, Verbreitung, Vertrieb und Rezeption von Kunstwerken diskutieren. Gleichzeitig blicken sie auch auf Möglichkeiten für neue Formate, die Einbeziehung des Publikums und die Repräsentation des Widerstands.

Lokale Events vor Ort

Neben dem Online-Programm finden in vielen europäischen Städten auch zahlreiche physische Veranstaltungen unter Einhaltung coronabedingter Hygienemaßnahmen statt. So wird in Berlin Yasser Almaamoun von der Plattform Nachwuchsarchitekten zusammen mit dem Büro für Klimakultur eine Finissage zur Ausstellung über den Inselrundweg auf dem Mierendorffplatz organisieren und einen „pop-up“ Treffpunkt anbieten, wo Bürger*innen sich live vor Ort zur Frage austauschen können: „Wie verändert der Klimawandel unsere Städte und welche Auswirkung hat dies auf kollektive und individuelle Freiheit?“. In Dresden widmet sich das Kunsthaus Dresden Fragen der „Empathie“. Die Künstlerin Erika Richter wurde eingeladen, um im Kunsthaus zu arbeiten und individuelle, künstlerische Arbeitsprozesse sichtbar zu machen. Ein Gespräch zwischen ihr und der Künstlerin Fatma Bucak ergänzt das Dresdener Freiraum-Programm.

Detailliertes Festival-Programm (EN)

30.10.2020, 18:30-21:30 Uhr (MEZ)

31.10.2020, 14:00-18:30 Uhr (MEZ)

01.11.2020, 14:00-19:30 Uhr (MEZ)

www.freiraumfestival.eu

Medieninformationen (EN/DE)

www.freiraumfestival.eu/press

Freiraum-Projekt (EN/DE)

www.goethe.de/freiraum

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„Freiraum“ ist ein Projekt des Goethe-Instituts und geht seit 2017 gemeinsam mit 53 Akteur*innen aus Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in 42 Ländern Fragen zum Stand der Freiheit in Europa nach. Das Freiraum Festival wird in Zusammenarbeit mit einem Kurator*innenteam aus dem Partnernetzwerk und unter der künstlerischen Leitung von ArtBOX Creative Arts Management organisiert. Der letzte Tag findet in Zusammenarbeit mit Common Lab statt, einem Exzellenzprojekt des Goethe-Instituts Thessaloniki & ArtBOX sowie TIF-Helexpo (GR).

Über Goethe-Institut e. V.

Das Goethe-Institut ist das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland. Mit 157 Instituten in 98 Ländern fördert es die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland, pflegt die internationale kulturelle Zusammenarbeit und vermittelt ein aktuelles Deutschlandbild. Durch Kooperationen mit Partnereinrichtungen an zahlreichen weiteren Orten verfügt das Goethe-Institut insgesamt über rund 1.000 Anlaufstellen weltweit. Als nationales und europäisches Kulturinstitut setzt sich das Goethe-Institut ein für die Vision einer fortschreitenden europäischen Integration und plädiert in seinen Aktivitäten kontinuierlich für die weitere Stärkung der Werte der Europäischen Union – Freiheit, Gleichheit und Offenheit. In Europa unterhält es insgesamt 52 Institute.

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