Die Syphilis ist in Deutschland neben HIV/AIDS die wichtigste meldepflichtige sexuell übertragbare Infektion. Im zurückliegenden Jahrzehnt stiegen die Fallzahlen jedes Jahr an. Das Robert Koch-Institut registrierte im Jahr 2018 erstmals einen kleinen Rückgang um 2,6 Prozent auf insgesamt 7.332 Syphilis-Fälle. Männer und Frauen können an Syphilis erkranken, mit über 80 Prozent sind aber vor allem Männer betroffen, die Sex mit Männern haben. „Das anhaltend hohe Niveau an gemeldeten Syphilis-Infektionen zeigt, wie wichtig eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist, um Infektionsketten möglichst frühzeitig zu unterbrechen“, sagt Professor Dr. med. Peter Elsner, Direktor der Klinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Jena und Beauftragter für die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG).
Syphilis ist eine durch das Bakterium Treponema pallidum verursachte Erkrankung, die auch unter den Namen Lues oder „harter Schanker“ bekannt ist. Kleinste Verletzungen in der Haut oder Schleimhaut reichen beim Sexualkontakt für die Weitergabe des Bakteriums. Auch während der Schwangerschaft kann es von der Mutter auf das Kind übertragen werden. Experten unterscheiden drei Syphilis-Stadien: Meist zwei bis drei Wochen nach der Infektion bildet sich an der Eintrittsstelle (am Penis, in der Scheide, im Analbereich oder am Mund) ein zumeist schmerzloses Geschwür. Es folgen im zweiten Stadium Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopf- und Gelenkschmerzen und Hautauschläge; Symptome, die oft von allein wieder abklingen. Jahre nach der Erstinfektion kann es im dritten Stadium zur Schädigung des Gehirns und der Blutgefäße kommen. „Dank moderner Diagnostik und Therapie kommt es heutzutage in Deutschland selten zu Taubheit, Blindheit und geistigem Verfall infolge von Syphilis“, betont DDG-Mitglied Professor Dr. med. Helmut Schöfer aus Frankfurt. Da Personen im Primär- und Sekundärstadium sowie bis etwa ein Jahr nach der ersten Ansteckung infektiös sind, ist ein frühes Erkennen und Behandeln sehr wichtig, so der Dermatologe.
Unterstützung gibt hierzu die im Mai 2020 veröffentlichte, aktualisierte S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Syphilis. Schöfer, der die interdisziplinäre Leitlinie koordinierte, an der elf Fachgesellschaften beteiligt waren, erklärt: „Die Aktualisierung der Leitlinien stand aus verschiedenen Gründen an: Wir verfügen mittlerweile über neue point-of-care-Tests und treponemale und non-treponemale Schnelltests, die Resistenzen der Syphilisbakterien auf bestimmte Antibiotika (Makrolide) haben weltweit zugenommen und der Beratungsbedarf für den Einsatz medikamentöser Prophylaxen ist gestiegen.“
Die therapeutischen Empfehlungen seien bis auf das Wegfallen der Makrolid-Antibiotika (darunter Erythromycin, Azithromycin) weitgehend unverändert, betont Schöfer, der auch Sprecher der Sektion Leitlinien der Deutschen STI Gesellschaft (DSTIG) ist. Benzathin-Benzylpenicillin (Depotpenicillin gluteal) bleibt weiterhin Therapie der Wahl. Als Alternativen, beispielsweise bei Penicillinallergie oder Kontraindikationen für intramuskuläre Injektionen, können Doxycyclin oder Ceftriaxon eingesetzt werden. Für Schwangere, aber auch für Syphilis-Patienten mit einer HIV-Koinfektion gelten die gleichen Therapieschemata.
Neu in der Diagnostik sind point-of-care-Tests (POCT) zum Abstrich-Erregernachweis aus ulzerierten (also „geschwürigen“) oder nässenden Verletzungen. Dabei handelt es sich um Nukleinsäure-Amplikationstests (NAAT), die den mikroskopischen Erregernachweis (Dunkelfeldmikroskopie) durch ihre höhere Spezifität und Sensitivität weitgehend ersetzen können.
Das Kapitel zur Partner-Benachrichtigung, Partner-Behandlung und Prophylaxen wurde in der Neufassung der Leitlinie erheblich erweitert. Bei einer Primärsyphilis sollen die Sexualpartner der letzten drei Monate, bei einer Sekundärsyphilis der letzten zwölf Monate bezüglich einer möglichen Ansteckung informiert werden. Bei einem relevanten Erregerkontakt soll eine Postexpositions-Prophylaxe (1x Benzathin-Benzylpenicillingabe) durchgeführt werden. Schöfer betont: „Wenn es gelingt, die Sexualpartner früh zu benachrichtigen und zu behandeln, können Infektionsketten unterbrochen, Re-Infektionen vermieden und die kollektive wie individuelle Krankheitslast gesenkt werden.“ Dass es für den jeweiligen Patienten schwierig sein kann, mit seinen Sexualpartnern über eine mögliche Ansteckung zu sprechen, ist dem Experten bewusst. „Hier ist im Aufklärungsgespräch auf ärztlicher Seite viel Empathie nötig, um gemeinsam mit dem Patienten eine Strategie zu entwickelt, mit der möglichst alle infrage kommenden Sexualpartner informiert, untersucht und ggf. behandelt werden können“, sagt Schöfer.
„Mit der aktualisierten Leitlinie zum Syphilis-Management verbessern wir die diagnostische und therapeutische Sicherheit für unsere Patienten“, ergänzt Elsner. Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten und Risikominimierung beispielsweise durch einen Kondomschutz blieben ebenfalls wichtig, so der Experte aus Jena.
Quellen:
Aktualisierung Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Syphilis“, AWMF-Registernummer: 059/002
Robert Koch-Institut. Syphilis in Deutschland im Jahr 2018 – Anstieg der Vorjahre stagniert auf hohem Niveau. Epidemiologisches Bulletin. 12. Dezember 2019, Nr. 50.
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) ist die wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschsprachigen Dermatologinnen und Dermatologen. Als eine gemeinnützige Organisation mit mehr als 3.700 Mitgliedern fördert sie Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Dermatologie und ihrer Teilgebiete. Die DDG setzt sich für die Förderung der klinischen und praktischen Dermatologie, Allergologie und Venerologie sowie ihrer konservativen und operativen Teilgebiete ein. Mit der Durchführung von wissenschaftlichen Veranstaltungen und Kongressen engagiert sie sich in der Fort- und Weiterbildung, sie entwickelt Leitlinien und unterstützt Forschungsvorhaben durch Anschubfinanzierungen und Förderungen. Darüber hinaus vergibt die DDG zusammen mit der Deutschen Stiftung für Dermatologie Forschungsgelder und Stipendien an vielversprechende Nachwuchsmedizinstudierende und an namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.
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