„Just Transition“, dieser Schlüsselbegriff inspirierte viele Transparente bei Klima-Demos – und steht in der Präambel des Weltklimaabkommens: Ein „gerechter Strukturwandel für die arbeitende Bevölkerung“, heißt es dort, sei „zwingende Notwendigkeit“ im Kampf gegen die Erderwärmung. Doch angesichts der bislang mäßigen Bilanz warnen jetzt Fachleute aus vier Kontinenten: Dieser Ansatz reicht nicht. Es sei an der Zeit, den Begriff Just Transition auf Industrie und Verbraucher auszuweiten, argumentieren sie in der August-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change. Federführend bei dem Beitrag war das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change).
Wie wichtig ein umfassendes Verständnis von Gerechtigkeit ist, zeigt das Autorenteam am Beispiel des dringend erforderlichen weltweiten Ausstiegs aus der Kohle. In der öffentlichen Debatte werde zwar intensiv beleuchtet, dass Jobabbau in der Kohlewirtschaft durch neue Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen ausgeglichen werden sollte. Doch andere, nicht minder wichtige Aspekte blieben oft außer Betracht: namentlich die regionale Wirtschaftsentwicklung, globale Wertschöpfungsketten, der Effekt höherer Energiepreise auf die Kaufkraft der Konsumenten und die Anliegen von energieintensiven Industrien.
„Für das Erreichen der international vereinbarten Klimaziele braucht die Welt einen schnellen Kohleausstieg“, sagt Jan Steckel, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und menschliche Entwicklung und Leitautor. „Der wird durch Covid-19 eher schwieriger – deshalb braucht es jetzt wirklich tragfähige Strategiepläne. Und es funktioniert nur, wenn die politisch Verantwortlichen sämtliche Stakeholder gleichermaßen in den Prozess einbinden und ihre Anliegen mitdenken.“ Bislang, so heißt es in dem Beitrag, gibt es global gesehen keinen Rückgang der Kohle, obwohl ihr großer Beitrag zum Klimawandel seit Jahrzehnten bekannt ist. Allein der Kohlebergbau kommt weltweit auf 8 Millionen Beschäftigte und 900 Milliarden Dollar Jahresumsatz.
Die Politik müsse auch das Problem lösen, dass der Verzicht auf Kohle die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien wie Stahl, Aluminium und Chemie beeinträchtigen kann, betont Michael Jakob, Senior Researcher am MCC und ebenfalls Leitautor. „Sie muss genau hinschauen, wo die Abwanderung in Regionen mit laxerem Klimaschutz droht, und darauf angemessen reagieren. Dabei sind Handelsrestriktionen in Form eines sogenannten CO2-Grenzausgleich eine Option, auch im Rahmen einer im Prinzip freiheitlichen Welthandelsordnung.“
Weitere Informationen:
Jakob, M., Steckel, J., Jotzo, F., Sovacool, B., Cornelsen, L., Chandra, R., Edenhofer, O., Holden, C., Löschel, A., Nace, T., Robins, N., Suedekum, J., Uprelainen, J., 2020, The future of coal in a carbon constrained climate, Nature Climate Change
https://doi.org/10.1038/s41558-020-0866-1
Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
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