RSF kritisiert Isolationshaft und neue US-Anklage gegen Julian Assange

Reporter ohne Grenzen (RSF) ruft die britischen Behörden dazu auf, den Wikileaks-Gründer Julian Assange sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Anlässlich seines 49. Geburtstages am 3. Juli hat RSF gemeinsam mit vielen anderen Menschenrechtsorganisationen einen Offenen Brief an Großbritanniens Regierung formuliert, in dem die Strafverfolgung und die Art, wie Assange in Haft behandelt wird, kritisiert werden. Eine  Gruppe von mehr als 200 Ärzten hatte Assanges Haftbedingungen jüngst in dem Fachmagazin „The Lancet“ kritisiert und darauf hingewiesen, dass der Australier aufgrund der Corona-Pandemie im Gefängnis besonders gefährdet sei.

Assange werde die meiste Zeit in Isolationshaft gehalten, seine anwaltlichen Rechte könne er nur ungenügend wahrnehmen. Sein gesundheitlicher Zustand habe sich weiter verschlechtert. Ende 2019 hatte bereits der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, darauf hingewiesen, dass Assange Anzeichen psychologischer Folter zeige und dass sein Leben in Gefahr sei.

An der jüngsten Anhörung vor Gericht per Videoschalte konnte Assange nach Angaben seiner Anwälte aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen. Die Vorsitzende Richterin Vanessa Baraitser warnte ihn nun vor einem weiteren Fernbleiben, wenn keine medizinischen Beweise vorlägen. Die nächste Anhörung soll am 27. Juli stattfinden. Am 7. September soll der Prozess über den Auslieferungsantrag der USA fortgesetzt werden. Wegen der Corona-Krise wurde der zunächst Mitte Mai geplante Termin verschoben.

Die USA verlangen Assanges Auslieferung. Sie werfen ihm Spionage und Geheimnisverrat vor. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Der Whistleblower hatte auf der Plattform Wikileaks geleakte Geheimdokumente veröffentlicht, die unter anderem Verbrechen der US-Armee im Irak-Krieg dokumentierten. Die US-Justiz hat mittlerweile eine weitere Anklage gegen Wikileaks-Gründer Assange wegen Verschwörung zum Hacken erhoben. Er soll Menschen gezielt damit beauftragt haben Netzwerke zu hacken, um für Wikileaks an brisante Informationen zu gelangen. Unter anderem seien die Hacker in das Computernetzwerk eines Nato-Landes eingedrungen. Insgesamt soll Assange in den USA in 18 Anklagepunkten der Prozess gemacht werden. Die Wikileaks-Veröffentlichungen waren Grundlage vieler investigativer Recherchen und Berichte.

„Julian Assange wird von den USA wegen seiner Journalismus-ähnlichen Aktivitäten verfolgt. Sowohl eine Auslieferung als auch eine spätere Verurteilung würden einen gefährlichen Präzedenzfall für Whistleblowerinnen und Whistleblower in einem Land schaffen, in dem die Pressefreiheit zuletzt immer stärker erodiert“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Julian Assange muss sofort freigelassen werden – schon aus humanitären Gründen.“

Reporter ohne Grenzen setzt sich seit Jahren für Julian Assange ein und war unter anderem als eine von wenigen Menschenrechtsorganisationen beim Auftakt seiner Anhörungen in London anwesend. Dabei wurde deutlich, dass die US-Vertreter keine Beweise dafür vorlegen konnten, dass Julian Assange Quellen „ernsthaft und unmittelbar“ gefährdet habe, aber ihre Anklage dennoch auf der Grundlage der von ihm vermeintlich wissentlich verursachten Risiken weiterführen.

Mittlerweile wurde bekannt, dass die USA Julian Assange offenbar über Jahre in der ecouadorianischen Botschaft in London, in der sich Assange von 2012 bis 2019 aufgehalten hatte, überwachen ließen. Die spanische Justiz ermittelt gegen die spanische Sicherheitsfirma Undercover Global – kurz: UC Global – die bis 2018 für die Sicherheit in dem Botschaftsgebäude zuständig war. Mitarbeitende des Unternehmens sollen die Zimmer per Video überwacht und auch Tonmitschnitte gemacht haben. Der Chef von UC Global sei etliche Male in die USA gereist, um das Material dort mutmaßlich einem Nachrichtendienst zu übergeben und um weitere Anweisungen zu erhalten.

Nicht nur Julian Assange wurde überwacht, sondern mit ihm auch Berufsgeheimnisträger wie Ärztinnen und Anwälte, die in der Botschaft verkehrten, sowie Journalistinnen und Journalisten, die den Whistleblower besuchten und interviewten – ein eklatanter Verstoß gegen die Pressefreiheit. Unter den mutmaßlich betroffenen Medienschaffenden sind auch drei Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks. Der NDR stellte Strafanzeige wegen des Verstoßes gegen datenschutz- und persönlichkeitsrechtliche Bestimmungen. Unter anderem belegen Unterlagen, dass von Besucherinnen und Besuchern Pässe kopiert und Besuchsvermerke angelegt wurden. Ende Juni berichtete die spanische Tageszeitung El País, dass die Staatsanwaltschaft in Deutschland die spanische Polizei gebeten hat, Informationen über die Bespitzelung durch UC Global zu teilen.

Im April 2019 hatte die Regierung Ecuadors Assange das diplomatische Asyl entzogen. Unmittelbar darauf nahm ihn die britische Polizei noch in den Räumen der Botschaft in London auf der Grundlage eines Haftbefehls aus dem Jahr 2012 fest, weil er seine Kautionsauflagen verletzt und sich seinerzeit nicht einem Gericht gestellt habe. Assange hatte von der damaligen Regierung Ecuadors Asyl erhalten, nachdem ein britisches Gericht seine Auslieferung nach Schweden erlaubt hatte. In dem Land sollte er sich wegen Vergewaltigungsvorwürfen verantworten, die 2017 fallengelassen wurden.

Zum Auftakt der Anhörungen im Februar 2020 hat RSF damit begonnen, Unterschriften gegen Assanges Auslieferung an die USA zu sammeln. Mehr als 60.000 Menschen haben die Petition in Frankreich und Deutschland zusammengenommen unterschrieben.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Großbritannien auf Platz 35, die USA auf Platz 45 von 180 Staaten. Mehr zur Lage der Journalistinnen und Journalisten in Großbritannien finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/großbritannien und in den USA unter www.reporter-ohne-grenzen.de/usa.

Weiterführende Informationen:
Offener Brief mit der Forderung nach der Freilassung von Julian Assange
Open Letter calling for the release of Julian Assange

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Reporter ohne Grenzen e.V.
Brückenstraße 4
10179 Berlin
Telefon: +49 (30) 60989533-0
Telefax: +49 (30) 2021510-29
http://www.reporter-ohne-grenzen.de

Ansprechpartner:
Jennifer Schiementz
Pressereferat
Telefon: +49 (30) 60989533-55
E-Mail: presse@reporter-ohne-grenzen.de
Für die oben stehende Pressemitteilung ist allein der jeweils angegebene Herausgeber (siehe Firmenkontakt oben) verantwortlich. Dieser ist in der Regel auch Urheber des Pressetextes, sowie der angehängten Bild-, Ton-, Video-, Medien- und Informationsmaterialien. Die United News Network GmbH übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Vollständigkeit der dargestellten Meldung. Auch bei Übertragungsfehlern oder anderen Störungen haftet sie nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Nutzung von hier archivierten Informationen zur Eigeninformation und redaktionellen Weiterverarbeitung ist in der Regel kostenfrei. Bitte klären Sie vor einer Weiterverwendung urheberrechtliche Fragen mit dem angegebenen Herausgeber. Eine systematische Speicherung dieser Daten sowie die Verwendung auch von Teilen dieses Datenbankwerks sind nur mit schriftlicher Genehmigung durch die United News Network GmbH gestattet.

counterpixel