Diabetes mellitus Typ 1 liegt eine Fehlfunktion des menschlichen Abwehrsystems zugrunde, indem Antikörper die sog. Inselzellen angreifen. Aufgrund der Immunreaktion gegen körpereigenes Gewebe handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Die nachfolgende Schädigung der Inselzellen führt unter anderem zum Insulinmangel und in der Folge zum unkontrollierten Blutzuckeranstieg.[1] Wenngleich die Erkrankung oftmals schon in der Kindheit diagnostiziert wird, kann sie auch im Erwachsenenalter auftreten. In Deutschland sind 340.000 Menschen von Typ 1 Diabetes betroffen, davon etwa 32.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren.[2] Die Behandlung erfordert eine lebenslange Insulintherapie.
Erhebliche Auswirkungen
Dass Diabetes-Patienten ein erhöhtes Risiko haben, Brüche zu erleiden, belegen verschiedene Studien.[3] Die Krankheit und Frakturen wirken sich erheblich auf die Lebensqualität der Betroffenen aus, einschließlich einer erhöhten Morbidität und Mortalität. Nieren- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die wichtigsten Faktoren, die zu einer frühen Sterblichkeit von Typ-1-Diabetikern beitragen. Darüber hinaus werden diese auch mit einer verminderten Knochengesundheit in Verbindung gebracht.[4] Neuere Studien weisen auf eine geringere Knochenmineraldichte bei Typ-1-Diabetikern hin.[5] Daher gilt der Typ-1-Diabetes nach nationalen und internationalen Guidelines zur Prophylaxe und Behandlung von Osteoporose als mäßiger bis schwerer Risikofaktor für Brüche.
Dank Insulintherapie können bei Typ-1-Diabetikern bessere Blutzuckereinstellungen erreicht werden, wodurch sich sowohl akute als auch langfristige Komplikationen vermindern lassen und die Lebenserwartung steigt. In Anbetracht der Zunahme älterer Patienten rücken Langzeitrisiken wie Knochenverlust und ein erhöhtes Frakturrisiko mehr ins Auge. Während die meisten Studien erhöhte Sturzrisiken bei Patienten unter 65 Jahren als Folge von Extremsport, Unfällen oder Unterzuckerung untersuchen, lag das Ziel der hier zu berichtenden Studie darin, die Inzidenz der Frakturdiagnose von Typ-1-Diabetikern im Vergleich mit Gesunden zu untersuchen.
Zu Grunde gelegt waren anonymisierte Diagnoseinformationen auf Basis der retrospektiven Datenbank IMS® Disease Analyzer[6] aus 1.203 allgemeinärztlichen Praxen in Deutschland. In die Auswertungen flossen die Therapieverläufe von 4.214 Typ-1-Diabetes-Patienten zwischen 18 und 80 Jahren im Zeitraum von 2000 bis 2015 (Indexphase) ein. Ihr Therapieverlauf wurde bis zu zehn Jahre nach der ersten Insulin-Verordnung, die als Indexdatum galt, verfolgt, längstens bis Ende 2017. Um verzerrende Einflüsse möglichst zu vermeiden, wurden Ausschlusskriterien[7] definiert. Die Kontrollgruppe bestand aus 4.214 Nichtdiabetikern, die nach den Merkmalen Alter, Geschlecht, Body Mass Index, behandelnder Arzt und Indexjahr vergleichbar selektiert wurden.
Das Studienergebnis zeigt die kumulative Inzidenz von Knochenbrüchen auf, die in der Datenbank zwischen dem Indexdatum und dem Ende der Nachbeobachtungszeit erfasst wurden. Um den Effekt von Typ-1-Diabetes auf Brüche zu schätzen, wurden geeignete statistische Methoden angewendet.
Fast zweifach höheres Risiko für Frakturen bei Typ-1-Diabetes
Das zentrale Ergebnis der Untersuchung besteht darin, dass Typ-1-Diabetiker im Vergleich mit Gesunden ein fast zweifach höheres Risiko haben, Brüche zu erleiden. Dies umso mehr bei höherem Alter der Patienten und einem hohen HbA1c-Wert (Blutzuckerlangzeitwert).
Im Hinblick auf die Faktoren Alter, Geschlecht und BMI unterscheiden sich die Gruppen nicht wesentlich. Ebenso wurden vor dem Indexdatum keine Unterschiede zwischen den Kohorten in Bezug auf Osteoporose und Frakturdiagnose beobachtet. Die mittlere Nachbeobachtungszeit nach dem Indexdatum bis zum Auftreten einer Fraktur oder bis zum Ende des Beobachtungszeitraums lag bei der Studiengruppe bei 5,7 und bei der Kontrollgruppe bei 5,4 Jahren.
Die geschätzte kumulative 10-Jahres-Inzidenz über alle Brüche ergibt für die Studiengruppe eine nahezu doppelt so hohe Inzidenz wie für die Kontrollgruppe (Abb. 1 zum Herunterladen). Die Ergebnisse sind statistisch signifikant.[8]
Ein erhöhtes Risiko für Brüche zeigt sich bei Typ-1-Diabetikern von Beginn der Untersuchungsperiode an über die gesamte Studiendauer. Dies trifft sowohl für männliche wie weibliche Patienten zu. Auch steigt das Risiko mit zunehmendem Alter. Tendenziell gilt dies auch bei einem hohen HbA1c-Wert.[9] Dies wird in der Forschung u.a. damit in Verbindung gebracht, dass Hyperglykämie den Knochenmineralerwerb beeinträchtigen kann und mit einer Abnahme des Knochenmineralgehalts, einer Beeinträchtigung des Vitamin-D- und Kalziumstoffwechsels, einer verminderten Osteoblastendifferenzierung[10] und einer erhöhten Osteoblasten-Apoptoserate[11] verbunden ist[12].
Von allen Brucharten sind Typ-1-Diabetiker stärker betroffen als Gesunde (Abb. 2 zum Herunterladen). Signifikante Unterschiede nach der Art der Frakturen ergaben sich hinsichtlich Unterschenkel-/Knöchelbrüchen, Fuß und Zehen (ohne Knöchelbruch), Schulter und Oberarm, Rippen, Brustbein und Brustwirbelsäule. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Mehrheit der Patienten wie auch der Gesunden zwischen 18 und 50 Jahre alt war. Deshalb sind das Risiko von Frakturen aufgrund des Lebensstils (Sportverletzungen und Traumata wie Verkehrsunfälle) und die veränderte Knochenqualität infolge von Diabetes und hypoglykämiebedingten Stürzen fast identisch. Kein erhöhtes Frakturrisiko zeigte sich außerdem nach dem Geschlecht, was zusammen mit der Verteilung der Frakturstellen darauf hinweisen könnte, dass die meisten Frakturen bei Typ-1-Diabetes-Patienten traumatisch und nicht osteoporotisch sind.
Welche Schlüsse sich aus den Ergebnissen ziehen lassen, formuliert Prof. Dr. Karel Kostev, Forschungsleiter bei IQVIA: „Hinsichtlich der Kriterien für Diagnose und Behandlung sollte die Behandlung von Typ-1-Diabetes-Patienten in Abhängigkeit vom Vorliegen einer Fragilitätsfraktur und/oder einer niedrigen Knochenmineraldichte unterschieden werden. Im Hinblick auf weitere Versorgungsforschung braucht es prospektive und Langzeit-Follow-up-Studien, um die langfristigen Auswirkungen von Typ-1-Diabetes auf die Knochengesundheit zu untersuchen und präventive Maßnahmen zu entwickeln.“
2 https://www.diabetesde.org/ueber_diabetes/was_ist_diabetes_/diabetes_in_zahlen
3 Z.B.: Hothersall EJ, Livingstone SJ, Looker HC, et al. (2014) Contemporary risk of hip fracture in type 1 and type 2 diabetes: a national registry study from Scotland. Journal of bone and mineral research: the official journal of the American Society for Bone and Mineral Research 29:1054-1060
4 Bass E, French DD, Bradham DD, Rubenstein LZ (2007) Risk-adjusted mortality rates of elderly veterans with hip fractures. Annals of epidemiology 17:514-519
5 Z.B.: Shah VN, Harrall KK, Shah CS, Gallo TL, Joshee P, Snell-Bergeon JK, Kohrt WM (2017): Bone mineral density at femoral neck and lumbar spine in adults with type 1 diabetes: a meta-analysis and review of the literature. Osteoporosis international: a journal established as result of cooperation between the European Foundation for Osteoporosis and the National Osteoporosis Foundation of the USA 28:2601-2610.
6 IMS® Disease Analyzer ist eine Datenbank von IMS Health, die anonymisierte Therapie- und Behandlungsverläufe zeigt. Dadurch lassen sich Krankheits- und Therapieverläufe über viele Jahre darstellen. IMS® Disease Analyzer beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von mehr als 2.500 niedergelassenen Ärzten in der Bundesrepublik Deutschland, die mit EDV-Systemen ausgestattet sind.
7 Solche betrafen z.B. Krebsdiagnosen, Erkrankungen, welche die Knochenmineraldichte vor dem Indexdatum verändert haben konnten und Kortikoid-Verordnungen innerhalb von 12 Monaten vor dem Indexdatum.
8 Signifikanz auf dem 1%-Niveau.
9 Zusammenhang mit Alter und HbA1c-Wert nicht signifikant.
10 Osteoblasten: für die Knochenbildung verantwortliche Zellen
11 Apoptose: Zelltod
12 Vavanikunnel J, Charlier S, Becker C, Schneider C, Jick SS, Meier CR, Meier C. (2019) Association Between Glycemic Control and Risk of Fracture in Diabetic Patients: A Nested Case-Control Study. J Clin Endocrinol Metab. 104(5):1645-1654.
IQVIA (NYSE: IQV) ist ein führender, globaler Anbieter von zukunftsweisender Analytik, Technologielösungen und klinischer Auftragsforschung für Life Science Unternehmen. Entstanden durch den Zusammenschluss von IMS Health und Quintiles, nutzt IQVIA Erkenntnisse der interdisziplinären Human Data Science und verbindet so Stringenz und Klarheit der Data Science mit dem kontinuierlich wachsenden Anwendungsbereich Human Science. Auf dieser Grundlage unterstützt IQVIA Unternehmen darin, neue Ansätze in der klinischen Entwicklung und in der Vermarktung zu verfolgen, ihr Innovationstempo zu steigern und bessere Ergebnisse in der Gesundheitsversorgung zu erzielen. Getragen von IQVIA CORE™, generiert IQVIA einzigartige und praxisrelevante Erkenntnisse an der Schnittstelle von umfassenden Analysen, transformativen Technologien, ausgewiesener Branchenexpertise und Umsetzungskompetenz. Mit rund 67.000 Mitarbeitern ist IQVIA in mehr als 100 Ländern tätig. IQVIA ist weltweit führend in Datenschutz und -sicherheit. Das Unternehmen nutzt ein breites Spektrum an Technologien und Sicherheitsmaßnahmen bei der Generierung, Analyse und Verarbeitung von Informationen. So unterstützt IQVIA Akteure im Gesundheitswesen darin, Krankheitsbilder zu identifizieren sowie mit entsprechenden Behandlungspfaden und Therapien zu verbinden, um bessere Behandlungsergebnisse zu erreichen. Das umfassende Know-how von IQVIA verhilft Unternehmen aus Biotechnologie, Medizintechnik, pharmazeutischer Industrie und medizinischer Forschung, staatlichen Einrichtungen, Kostenträgern und anderen Akteuren im Gesundheitswesen zu einem tieferen Verständnis von Versorgungsbedingungen, Krankheiten und wissenschaftlichen Fortschritten und unterstützt sie so auf ihrem Weg zu größeren Behandlungserfolgen. Weitere Informationen finden Sie auf www.IQVIA.de.
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