Durch die absehbar immer schlechtere Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln zur Kontrolle von Schädlingen, Pilzen und Unkräutern trüben sich die Perspektiven für den heimischen Zuckerrübenanbau weiter ein. Darauf wiesen heute die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e. V. (WVZ) und der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) bei einem gemeinsamen Pressegespräch hin, das wegen der Corona-Pandemie als Videokonferenz stattfand.
Eine Projektgruppe des IVA hatte dazu Datensätze aus der Zulassungsliste des für Pflanzenschutzmittel zuständigen Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ausgewertet und ermittelt, wie viele unterschiedliche Pflanzenschutz-Wirkstoffe und Wirkmechanismen im Rübenanbau verfügbar sind und künftig zur Verfügung stehen werden. Für ein wirksames Resistenzmanagement gilt als unverzichtbar, dass mindestens drei verschiedene Mechanismen zur Verfügung stehen, damit die Landwirte die Produkte variieren können.
Doch diese Mindestanforderung wird im Zuckerrübenanbau in vielen Bereichen kaum noch zu erfüllen sein. Bei den Spritzanwendungen mit Insektiziden sind künftig zwar noch fünf Wirkstoffe verfügbar, von denen aber vier denselben Wirkmechanismus haben; zur insektiziden Saatgutbehandlung ist nur noch ein Wirkstoff genehmigt.
Besonders hart getroffen wurde der Sektor durch das 2018 erlassene Verbot der neonicotinoiden Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Denn einen guten Ersatz gibt es nicht – alternative Mittel sind weniger wirksam, kostenintensiv und nur flächendeckend auszubringen. Hinzu kommt: Gegen einen Großteil dieser Insektizide sind bereits Resistenzen bei Blattläusen nachgewiesen. "Diese Entscheidung wiegt für deutsche Landwirte doppelt schwer. Nicht nur wurde beim Verbot entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse entschieden. Es wurde auch völlig ausgeblendet, dass zahlreiche andere europäische Länder Notfallzulassungen genehmigt haben“, sagte Helmut Bleckwenn, Vorsitzender des Dachverbands Norddeutscher Zuckerrübenanbauer e. V. (DNZ) und Vorstandsmitglied der WVZ.
Bei den Fungiziden zur Spritzanwendung stehen sechs Wirkstoffe und drei Mechanismen zur Verfügung, darunter zwei biologische Mittel mit geringerer Wirksamkeit; nur bei der fungiziden Saatgutbehandlung ist das Minimum von drei Mechanismen noch gegeben. Der zunehmende Wirkstoffverlust ist auch deshalb problematisch, weil die reale Gefahr einer Resistenzbildung gegenüber den verbleibenden Wirkstoffen besteht.
Etwas besser sieht es auf den ersten Blick bei den Herbiziden aus: Insgesamt stehen zur Unkrautkontrolle in der Zuckerrübe noch 16 Wirkstoffe mit sieben verschiedenen Wirkmechanismen zur Verfügung. Das klingt zunächst nach einer komfortablen Wirkstoffpalette, allerdings fallen gerade in diesem Jahr wieder zwei Wirkstoffe weg, die eine wichtige Rolle in der Herbizid-Strategie vieler Anbauer spielten.
„Am Ende wird auf dem Feld entschieden, ob es eine deutsche Zuckerwirtschaft weiterhin geben kann. Für uns Landwirte stellt sich die Frage, wie wir im europäischen und internationalen Wettbewerb bestehen können. Weiter zunehmende Wirkstoffverluste bedeuten immer höheren Kostendruck in einer ohnehin schon schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich der Rübenanbau seit einigen Jahren befindet“, sagte Helmut Bleckwenn.
„Wenn der Anbau von Zuckerrüben in Deutschland für die Landwirte an Attraktivität verliert, schaffen wir uns Probleme für den heimischen Ackerbau insgesamt. Nach dem Raps wäre die Rübe die nächste rückläufige Kultur, die jedoch gerade in Fruchtfolgen mit hohem Getreideanteil gebraucht wird. Hier klafft eine Lücke zwischen dem, was von der Agrarpolitik gefordert wird, und den pflanzenbaulichen Möglichkeiten, die dem Landwirt zum Pflanzenschutz noch verbleiben“, sagte IVA-Präsident Dr. Manfred Hudetz.
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