Keine grünen Lungen vernichten

Es ist kein leichtes Unterfangen, der Stadtentwicklung des Landes Berlin den verschiedenen Ansprüchen einer Großstadt zu genügen, in der man gerne leben und arbeiten möchte: Wohnungen mit einem angenehmen Lebensumfeld, Arbeitsplätze sowie Klima-, Umwelt- und Naturschutz. „Es besteht dabei die Gefahr, dass das Stadtgrün als ein ‚weicher Faktor‘ unterbewertet wird. Aber es ist ein wichtiger Bestandteil der ‚Umweltgerechtigkeit‘ für die Bürger*innen dieser Stadt“, teilt Michael Matthei, Präsident des Landesverbands Berlin der Gartenfreunde e. V., mit.

Der Rat der Bürgermeister redet mit
Der Landesverband vertritt die Interessen des Kleingartenwesens und seine Gärten sind ein wichtiger Bestandteil des Berliner Stadtgrüns. Derzeit liegt der aktuelle Entwurf des Kleingartenentwicklungsplans (KEP) des Senats beim Rat der Bürgermeister, die für ihre Bezirke ein Wörtchen mitzureden haben. „Ein Schritt in die richtige Richtung wäre die Entscheidung des Rats der Bürgermeister, den KEP an die Senatsverwaltung zur Überarbeitung zurückzusenden, denn es werden entscheidende Werte für die Lebensqualität in den Bezirken berührt“, so Matthei weiter. Laut Landesverband sei der KEP zu unverbindlich und auf lange Sicht würde er ermöglichen, häppchenweise grüne Lungen mit Kleingärten zu vernichten.

Vertragliche oder gesetzliche Sicherung
„Kleingärten sind mehr als nur eine Grünfläche. Dies haben Politiker über alle Parteien hinweg mittlerweile erkannt,“, berichtet der Landeschef. „Sie haben sich in der Vergangenheit und aktuell unsere Forderungen zum Erhalt von Berliner Kleingärten und besonders die der langfristigen Sicherung auf die Fahne geschrieben“, führt Matthei aus. „Und das mit Sicherungsanträgen, Beschlussforderungen, Eingaben, Hinterfragungen oder andere politische Aktivitäten“, so Michael Matthei weiter. Nicht das Handlungsinstrument KEP der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz könne „Schutz“ geben. „Echte Alternativen währen eine bindende vertragliche Vereinbarung oder eine gesetzliche Sicherung auf Landesebene. Oder wie in zwei anderen Bundesländern durch Aufnahme in die Landesverfassung“, stellt Matthei fest.

„Mein besonderer Dank gilt daher den beiden Parteien, die derzeit, gestützt durch Parteitagsbeschlüsse, eine gesetzliche Sicherung prüfen und erarbeiten“, teilt der Präsident der Gartenfreunde mit. Dies sei In der Vielfalt aller politischen Anforderungen und Verpflichtungen sicherlich nicht einfach. Doch es seien innovative Ansätze zur finalen Sicherung.

Verbessertes Wohnumfeld
„Kleingartenflächen tragen maßgeblich zur Verbesserung ihres Wohnumfelds bei und damit insgesamt zu einem lebenswerten und gesunden Berlin“, betont Michael Matthei. „Ein zukunftsfähiges Berlin wäre eine soziale und umweltgerechte Stadt. Berlin sollte daher seine Grünflächen und damit auch die Kleingärten sichern“, fordert der Landeschef der Gartenfreunde.

Kleingärten dienen den Menschen in der Großstadt bisher als Naherholungsflächen, zur gärtnerischen Beschäftigung, zur Produktion von regionalem Obst und Gemüse für Familie und Freunde, zur Bewegung an der frischen Luft, zum Naturerleben und als grüner Lernort für Kinder und Naturinteressierte. „Und sie tun das übrigens, egal ob sie spießig aussehen oder naturnah bewirtschaftet werden“, merkt Matthei kurz an.

Häppchenweiser Abbau von Kleingärten
Allein in den Jahren von 2004 bis 2014 wurden nach Aussage des Berliner Senats 1.594 Parzellen mit einer Gesamtfläche von rund 65 Hektar geräumt, davon 30 Hektar auf landeseigenen Flächen. Dem gegenüber entstanden im gleichen Zeitraum als Ersatz nur 67 Parzellen mit einer Gesamtfläche von 2,8 ha. Von diesen wurden zehn Anlagen teilweise wegen des Baus der Autobahn A 100 gekündigt, neun Anlagen wegen Gewerbeflächen und lediglich drei Anlagen wegen Wohnungsbau gekündigt. „Es wurde schon immer auf Kleingartenflächen gebaut. Pachtkündigungen sind also nichts Neues für die Berliner Gesellschaft“, schildert Michael Matthei die Lage. „Und die zu erwartenden Kündigungen nach Ablauf der KEP-Schutzfrist 2030 werden nur eine Fortführung dieser Praxis sein, wenn der Senat nicht bald sagt: Ab hier ist Schluss mit dem scheibchenweisen Abbau von Kleingartenland“, sagt Matthei voraus.

Der KEP ist unverbindlich
Wie immer, gebe es viele Wahlkampfversprechen. Bei der aktuellen Landesregierung gibt es sogar eine Festlegung zur Sicherung der Berliner Kleingärten in der Koalitionsvereinbarung. Aktuell versuche die zuständige Senatsverwaltung mit dem Kleingartenentwicklungsplan (KEP) den Handlungsauftrag zur Sicherung umzusetzen. Neu im Entwurf des KEP 2030 sei der Umfang und die Komplexität in der Erarbeitung. „Aus dem folgenden Zitat des aktuellen KEP-Dokuments ergibt sich aber eine grundlegende Problematik: Unverbindlichkeit“, teilt der Präsident der Gartenfreunde mit.

‚Der Kleingartenentwicklungsplan ist als informelles Planwerk und aufgrund fehlender Rechtsgrundlage nicht geeignet, eigene planungsrechtliche Kategorien zu bestimmen‘., steht im KEP-Entwurf geschrieben. „Hier wird die verwaltungsmäßige Umsetzung beschrieben, aber keine mehrheitliche politische Entscheidung als Voraussetzung einer Sicherung. Daher sagen wir: Ein wirklicher Schutz kann nicht über ein unverbindliches Regelwerk erfolgen“, erklärt Matthei.

KEP: Der Senat behält sich Eingriffe vor
Ist der KEP 2030 auch noch so umfangreich erarbeitet worden – die Leistung der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sei tatsächlich bemerkenswert, bedeute er nicht nur ein Werk bezüglich Berlins Grünflächen, sondern auch zur Verkehrsplanung: ‚Auch ohne explizite Nennung von Kleingartenanlagen sind daher gegebenenfalls Inanspruchnahmen möglich‘, steht im KEP 2030 bei den Verkehrlichen Infrastrukturmaßnahmen geschrieben. „Hier lässt sich der Senat doch alle Möglichkeiten offen. Auch als dauerhaft gesichert beschriebene Kleingartenanlagen könnten zukünftig davon betroffen sein“, folgert Matthei.

Der Wert im Klimawandel und in Corona-Zeiten
Schon viel beschrieben, aber in der Hitze deutlich spürbar: „Unsere Gärten dienen im Klimawandel zum Erzeugen von Grünvolumen und Verdunstungskühle in der Stadt“, fügt Manfred Hopp, Vizepräsident der Berliner Gartenfreunde, den Argumenten zum Erhalt von Kleingärten zu. „Wir produzieren und erhalten damit Entstehungsorte von frischer Kaltluft und tragen anteilig zu Kaltluftschneisen für ein gutes Stadtklima bei. Auch als Versickerungsflächen bei Starkregen sind die Kleingartenanlagen von großem Vorteil für die Stadt“, führt der Vize weiter aus.

Und in Corona-Zeiten zeigten sich die Kleingartenanlagen bisher auch nützlich als Rückzugsgebiet für Kleingärtner und ihre Familien hinter dem Zaun und vor den Zäunen für Spaziergänger in Kleingartenanlagen. „Diese wertvollen Orte sollten für Berlin unbedingt erhalten bleiben“, stellt Matthei fest. Die Zahl der Bewerbungen auf einen Kleingarten sind in Berlin seit Mitte März 2020 um das 2,5-fache gestiegen. „Ob das auch wirklich gärtnerisch Interessierte sind, wird sich zeigen“, so der Landeschef.

Über Landesverband Berlin der Gartenfreunde e. V

Der Landesverband Berlin der Gartenfreunde e.V. ist die Dachorganisation des Berliner Kleingartenwesens, die als sogenannter gemischter Verband in Berlin auch die Interessen von Siedlern und Eigenheimbesitzern vertritt. Dem Landesverband gehören 18 Bezirksverbände der Kleingärtner und eine Bezirksgruppe der Siedler und Eigenheimbesitzer als Mitglieder an.

Die Organisation vertritt rund 67.000 Kleingartenpächter, zusammengeschlossen in 738 Kolonien, sowie 175 Siedler und Eigenheimbesitzer. Die kleingärtnerisch genutzte Fläche in Berlin beträgt ca. 2.900 Hektar und nimmt somit rund 3 Prozent der gesamten Stadtfläche ein. Davon sind ca. drei Viertel im Eigentum des Landes Berlin. Keine vergleichbare Metropole hat eine so große Anzahl an privat nutzbaren Gärten im unmittelbaren Einzugsbereich der Innenstadt.

Der Landesverband Berlin der Gartenfreunde sieht seine zentrale Aufgabe in der Förderung eines lebendigen Kleingartenwesens im Einklang mit der Natur. Er fördert das Berliner Kleingartenwesen auf vielfältige Weise. Er setzt sich dafür ein, dass dessen gesellschaftlicher, ökologischer und klimatischer Stellenwert auch im 21. Jahrhundert erkannt und anerkannt wird.

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