Für ihre Studie haben I.M.U.-Expertin Marion Weckes sowie Dr. Jörg Weingarten, Anna-Lena Karl und Sebastian Schwidder von der PCG Project Consult GmbH für die 27 EU-Länder sowie Großbritannien, Norwegen, Island und die Türkei ermittelt, ob es verbindliche Regeln für mehr Geschlechterdiversität auf den Führungsetagen von Unternehmen gibt, und wie stark diese ausgestaltet sind. Ergebnis: Zehn Staaten – acht osteuropäische EU-Mitglieder sowie Zypern und Malta – verfolgen dieses Ziel auf politischer Ebene gar nicht. Elf weitere belassen es bei rechtlich unverbindlichen Empfehlungen. Darunter sind die Türkei, Rumänien, Polen, Großbritannien, Griechenland, Schweden, Irland oder Dänemark.
Rechtlich bindende Quoten für mehr Geschlechtergleichstellung an der Unternehmensspitze besitzen zehn Länder. Die nach Analyse der Forscherinnen und Forscher wirksamste Regelung hat Norwegen. Gemessen an einem Index von 0,5 bis 5, der sich unter anderem daran bemisst, wie hoch die Quote ist, in welchem Teil der jeweiligen nationalen Unternehmenslandschaft und für welche Gremien in den Unternehmen sie gilt und wie stark die Konsequenzen bei Missachtung sind, erreicht die norwegische Quote im Ranking den Wert von 4,1. Es folgen, teilweise mit erheblichem Abstand, Italien auf Rang zwei, dann Portugal, Spanien, Belgien, Frankreich, Island, Österreich und die Niederlande.
Deutschland befindet sich mit einem Indexwert von 1,85 auf dem zehnten und letzten Platz. Zwar sieht die deutsche Quote, anders als etwa die isländische oder die spanische, Sanktionen bei Missachtung vor. Doch sind diese nach Bewertung der Autorinnen und Autoren relativ milde. Deutliche Abstriche im Ranking gibt es, weil die deutsche Quote mit 30 Prozent niedriger ist als in einigen anderen Ländern (33 bis 40 Prozent), weil sie nicht für Vorstandsposten gilt und weil sie lediglich 107 Unternehmen einbezieht, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind.
Dagegen müssen in den deutlich besser platzierten Ländern meist zumindest alle börsennotierten sowie staatlich kontrollierte Unternehmen die Gleichstellungsziele erfüllen. In Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Island und Österreich gilt die Quote darüber hinaus auch für private Unternehmen ohne Börsennotierung, also etwa GmbHs, sobald diese eine gewisse Größe haben. Die dafür nötigen Beschäftigtenzahlen liegen bei mindestens 50 in Island, 250 in den Niederlanden (plus mindestens 35 Millionen Euro Nettoumsatz) beziehungsweise 500 in Frankreich. Die höchste Untergrenze setzt Österreich, wo alle privaten Unternehmen ab 1000 Beschäftigten einbezogen sind.
Die Forscherinnen und Forscher haben auch durchgerechnet, wie sich Reformen auf die deutsche Platzierung im europäischen Vergleich auswirken. Ihr Ergebnis: Würde der deutsche Gesetzgeber die Geschlechterquote uneingeschränkt auf alle börsennotierten sowie die staatlich kontrollierten Unternehmen ausweiten, auch den Vorstand einbeziehen und finanzielle Strafen bei Nichteinhaltung einführen, könnte sich Deutschland auf den vierten Platz verbessern.
*Anna-Lena Karl, Sebastian Schwidder, Jörg Weingarten, Marion Weckes: Ambition oder Symbolpolitik? Europäische Geschlechterquoten für Führungspositionen im Vergleich. Mitbestimmungsreport Nr. 59, Mai 2020. Download: https://www.boeckler.de/…
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