Schnellschätzung: Globaler CO2-Ausstoß Anfang April 17 Prozent niedriger als vor Corona

Studie zum Klima-Effekt der Pandemie-Abwehrmaßnahmen mit drei Szenarien für den weiteren Verlauf 2020. „Anschubhilfen werden Emissionspfad für Jahrzehnte prägen.“

Mit einer aufwendigen Schnellschätzung hat ein Forscherteam jetzt die Auswirkung der Corona-Abwehrmaßnahmen auf den Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases CO2 beziffert. Demnach lagen die weltweiten CO2-Emisionen Anfang April wahrscheinlich ein Sechstel niedriger als vor der Pandemie. Die stärksten absoluten Rückgänge gab es bei Verkehr und Produktion. An der Studie arbeiteten wissenschaftliche Einrichtungen aus sieben Ländern auf drei Kontinenten mit, darunter das Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Die Studie wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht.

Trotz der Bedeutung der CO2-Emissionen gibt es bislang keine Echtzeit-Erfassung, nationale Statistiken hinken zum Teil um Jahre hinterher. Das Forscherteam ging deshalb indirekt vor: auf Basis laufender Erhebungen zu Energie- und Rohstoffverbrauch, Industrieproduktion und Verkehrsaufkommen in 69 Ländern mit 97 Prozent der globalen Emissionen, ergänzt durch Annahmen über die durch die Pandemie-Abwehr ausgelösten Verhaltensänderungen sowie Satellitendaten zur Luftverschmutzung. Die auf den 7. April 2020 bezogene Schnellschätzung kommt auf einen Corona-bedingten Rückgang um 17 Megatonnen CO2 pro Tag – das ist relativ zum Vor-Corona-Niveau von 100 Megatonnen ein Rückgang um 17 Prozent.

Der größte Anteil der täglich 17 Megatonnen weniger CO2, schätzungsweise 7,5 Megatonnen, entfällt auf den Verkehr am Boden (das entspricht 36 Prozent Rückgang). 4,3 Megatonnen (19 Prozent Rückgang) entfallen auf die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und 3,3 Megatonnen (7 Prozent Rückgang) auf die Stromerzeugung. Auf den Luftverkehr entfallen 1,7 Megatonnen (prozentual ist der Rückgang hier mit 60 Prozent am größten) und auf den öffentlichen Sektor 0,9 Megatonnen (21 Prozent Rückgang). In den Privathaushalten gibt es dagegen einen geringfügigen Anstieg um 0,2 Megatonnen (3 Prozent).

Die Studie liefert auch eine Vorausschätzung für die CO2-Emissionen bis zum Jahresende, und zwar für drei verschiedene Szenarien: (1) Wenn die im März verfügten Beschränkungen bis Mitte Juni auf Null heruntergefahren werden, liegt der CO2-Ausstoß im Gesamtjahr 2020 um rund 4 Prozent niedriger also ohne Corona; (2) wenn die Beschränkungen bis Ende Mai bleiben und Ende Juli wieder Normalzustand herrscht, beträgt der Rückgang rund 5 Prozent. (3) Wenn zusätzlich zum zweiten Szenario die Behörden noch bis Jahresende einzelne Infektionsketten durchbrechen und Betroffene in Quarantäne schicken müssen, beträgt der Rückgang rund 7 Prozent.

Das Forscherteam betont, dass die Klima-Krise durch die Corona-Pandemie in keiner Weise entschärft wird. „Die seit Jahren von der Wissenschaft entwickelten Szenarien für einen erfolgreichen Kampf gegen die Erderwärmung zielen ja trotz verringerten Energie- und Ressourcenverbrauchs auf besseres, nicht schlechteres menschliches Wohlergehen“, erklärt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Mitautor der Studie. „Der jetzige Nachfragerückgang ist dagegen weder beabsichtigt noch zu begrüßen. Unsere Studie taugt nicht für Jubelmeldungen. Gleichwohl liefert sie wichtige quantitative Erkenntnisse dazu, wie extreme Maßnahmen auf CO2-Emissionen wirken.“

Um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, müssten die Emissionen nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr um 6 Prozent sinken. „Das muss die Politik im Blick behalten, wenn sie nach dem Eindämmen der Pandemie die wirtschaftliche Erholung organisiert“, betont MCC-Forscher Creutzig. „Die staatlichen Anschubhilfen werden den Pfad der globalen CO2-Emissionen wahrscheinlich für Jahrzehnte prägen. Es ist durchaus möglich, den Klimaschutz dabei mitzudenken. Doch wenn dieser aufgeweicht wird, sind trotz des aktuellen Rückgangs langfristig sogar höhere Emissionspfade als ohne Corona wahrscheinlich.“

Über Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH

Das MCC erforscht nachhaltiges Wirtschaften sowie die Nutzung von Gemeinschaftsgütern wie globalen Umweltsystemen und sozialen Infrastrukturen vor dem Hintergrund des Klimawandels. Unsere sieben Arbeitsgruppen forschen zu den Themen Wirtschaftswachstum und -entwicklung, Ressourcen und Internationaler Handel, Städte und Infrastrukturen, Governance sowie wissenschaftliche Politikberatung. Das MCC ist eine gemeinsame Gründung der Stiftung Mercator und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

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