Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie: Gesellschaft für Virologie fordert rasche Investitionen in die Entwicklung zuverlässiger Antikörperdiagnostik

Das neue SARS-Coronavirus-2 hat sich, ausgehend von Zentral-China, innerhalb weniger Monate in bedrohlicher Weise weltweit ausgebreitet. In Deutschland sind (Stand 30.3.2020) annähernd 62 500 Menschen nachweislich mit dem SARS-Coronavirus-2 infiziert worden, 540 Patienten sind verstorben. Es steht zu befürchten, dass wir noch am Anfang einer Pandemie stehen, die unsere Gesundheits-Systeme in Mitteleuropa schwer belasten könnte. Die Politik in Deutschland hat mit drastischen Präventions-Maßnahmen reagiert und durch die verordneten Einschränkungen sozialer Kontakte persönliche Freiheitsrechte eingeschränkt.  

Aus epidemiologischer Sicht ist es derzeit nicht möglich, den weiteren Verlauf des Coronavirus-Ausbruchs in Mitteleuropa zu prognostizieren. Wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der tatsächlich Infizierten die der laborbestätigten Diagnosen um ein Vielfaches übersteigt. Es könnte sein, dass die weitere Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung auf nicht absehbare Zeit fortschreitet. Denkbar ist aber auch, dass sich die Ausbreitung der Viren mit der kommenden wärmeren Jahreszeit verlangsamen wird. Mit der Verfügbarkeit eines wirksamen und sicheren Impfstoffs zur breiten Anwendung ist keinesfalls vor einem Jahr zu rechnen. Denkbar ist, dass innerhalb weniger Monate wirksame Medikamente zur Verfügung stehen, und damit das Gefahrenpotenzial für einen tödlichen Verlauf der Infektion deutlich verringert werden kann. 

Aus Sicht der Gesellschaft für Virologie gibt es keine Gründe, den politischen Entscheidungsträgern in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine zu zögerliche Problemwahrnehmung und Entscheidungsfindung vorzuwerfen. Die Gesellschaft für Virologie unterstreicht, dass die derzeit von der Politik verordneten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit unserer Mitbürger unverzichtbar sind, um die Epidemie einzugrenzen. Allein durch die Reduktion persönlicher Kontakte, vor allem durch eine Isolierung in den eigenen Wohnungen, wird es möglich sein, die weitere Ausbreitung der Viren einzugrenzen. Die Maßnahmen in der richtigen Reihenfolge zurückzufahren, nachdem die Inzidenz der Virusneuinfektionen nachhaltig reduziert werden konnte, wird eine große Herausforderung der nahen Zukunft sein. 

Die Suche nach neuen Medikamenten und Impfstoffen wird von Hunderten von Laboratorien an Universitäten und staatlichen Forschungseinrichtungen sowie pharmazeutischen Unternehmen mit höchster Dynamik in internationaler Zusammenarbeit betrieben. Diese Forschung bedarf der Unterstützung mit öffentlichen Mitteln. In Deutschland, der Schweiz und in Österreich sind effiziente Strukturen auf höchstem Niveau vorhanden.  

Ein erhebliches Defizit besteht aktuell bei der Virusdiagnostik. Die derzeitige Knappheit von Testsystemen für die Coronavirus-Diagnostik und das bisherige Fehlen einer verlässlichen SARS-Coronavirus-2-spezifischen Antikörperdiagnostik sind sehr problematisch, weil daher essentiell wichtige epidemiologische Analysen und mathematische Modellierungen nicht durchgeführt werden können. Deshalb ist es bisher leider noch nicht möglich, die Entscheidungsfindung zu einer schrittweisen Aufhebung der derzeitigen Maßnahmen mithilfe epidemiologischer Daten zu unterstützen.  

Es ist dringend erforderlich, die tatsächliche Durchseuchung der Bevölkerung auf der Basis verlässlicher Antikörper-Tests zu ermitteln. Anders als PCR-Tests, mit denen akute Infektionen nachgewiesen werden, können Antikörper-Tests Menschen identifizieren, die eine Infektion bereits überstanden haben. Deshalb weist die Gesellschaft für Virologie mit Nachdruck darauf hin, dass hier ein vordringlicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf besteht, damit die SARS-Coronavirus-2-Diagnostik gezielt ausgeweitet werden kann. Die Gesellschaft für Virologie plädiert dafür, seitens der öffentlichen Hand alle diesbezüglichen Initiativen zu unterstützen und notwendigen Ressourcen beizusteuern, damit die Coronavirus-Diagnostik rasch auf eine noch viel breitere Basis gestellt werden kann.  

Prof. Hartmut Hengel
– Präsident der Gesellschaft für Virologie –

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