Eine Reise ganz anderer Art unternimmt ein junger Deutscher, der gerade in Schwierigkeiten ist, in dem Abenteuer-Tatsachen-Roman „Das grüne Ungeheuer“ (später auch unter dem Titel „Der grüne Papst“) von Wolfgang Schreyer.
Mit der Science-Fiction-Literatur der DDR vornehmlich der 1980er Jahre befasst sich Karsten Kruschel in seiner höchst aufschlussreichen, aber lange vergriffenen Doktorarbeit „Spielwelten zwischen Wunschbild und Warnung“.
Über eine ganz besondere Epoche der deutschen Kunst und Kultur im 18. Jahrhundert schreibt Renate Krüger in ihrer Überblicksdarstellung „Das Zeitalter der Empfindsamkeit“.
Um Gefahren in einer Welt der Zukunft und junge Leute, die etwas dagegen unternehmen, geht es in dem SF-Roman „Nimmerwiederkehr“ von Alexander Kröger.
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. In dieser Woche stellen wir dazu ein Buch vor, dass schon von seinem Titel her recht interessant ist – es geht um das Jahr 2020, also um das nächste Jahr. Geschrieben wurde es allerdings vor nunmehr 47 Jahren, und sein Autor ging damals von einer großartigen Utopie und von der Vorstellung einer Welt aus, in der sich Frieden und Abrüstung durchgesetzt hätten. Und wahrscheinlich sah es – auch aus der Erinnerung an die politischen Kämpfe der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Ost und West – damals so aus, als könne die Zukunft Anfang des neuen Jahrtausends eine ohne Waffen und ohne Kriege sein – auch wenn wohl damals noch niemand an einen Herrn Gorbatschow gedacht haben mag, der 1973 übrigens 42 Jahre jung war und noch im heimatlichen Stawropol als Erster Sekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) wirkte. Begriffe wie Glasnost und Perestroika tauchten erst sehr viel später öffentlich auf. Und damit, so überraschend das jetzt auch klingen mag, zurück ins Jahr 2020 – aus den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts betrachtet.
Erstmals 1973 veröffentlichte Alexander Kröger im Verlag Neues Leben Berlin als Band 119 der Reihe „Spannend erzählt“ seinen Science-Fiction-Roman „Antarktis 2020“. Dem E-Book liegt die überarbeitete Auflage zugrunde, die 2009 im Projekte-Verlag Cornelius Halle erschien: Praktikum im Jahr 2020. Als Thomas Monig, Absolvent der Bergakademie Freiberg, das Flugzeug besteigt, denkt er an die drei Einsatzorte: an das Großbergwerk in der Antarktis, die Meerwasser-Enterzungsanlage in der Südsee und das Bewässerungsprojekt Sahara. Er denkt an modernste Lasertechnik, blühende Städte im Eis, an erzsammelnde Mollusken im Ozean, Riesenbagger in der Wüste und an das büschelige Schnellwuchsgras, das bald den Sand bedecken soll. Noch weiß er nicht, dass nicht nur das Abenteuer Technik auf ihn wartet. In der Weißen Finsternis und im Schneesturm bei der Rettung eines Kollegen wird er sich ebenso bewähren müssen wie beim Streik der ehemaligen Soldaten in den Unterwasserfarmen, bei dem er und der hübsche Kapitän Ann von Mike Paterthick gekidnappt und von den Wasseratmern gesucht werden. Der Überfall der Tuareg auf die Baustelle, die Geschichte mit René Tours’ Freundin und der verderbenbringende Wassereinbruch lassen auch den Aufenthalt in der Sahara zu einer aufregenden Sache werden, und es ist gar nicht so gewiss, ob Thomas Monig rechtzeitig in Timbuktu sein kann, um Evelyn vom Flugplatz abzuholen. Thomas wird mit den unbegrenzten Möglichkeiten konfrontiert, die eine globale Abrüstung bietet, aber auch mit den Problemen für die davon Betroffenen. Alexander Krögers Vision – angedacht 1973 – von einer friedlichen, abgerüsteten Welt im Jahre 2020 war zu kurz gegriffen; dennoch haben seine Denkanstöße in unserer Gegenwart mehr denn je ihre Gültigkeit. Wir begleiten Thomas bei den ersten Schritten seines Praktikums:
„Nachdem Thomas seine Sachen verstaut hatte, machte er sich auf den Weg zu GEOMESS, unter deren Regie er diesen Teil des Intensivpraktikums ableisten sollte. Durch eine Schleuse verließ er den Wohntrakt. Ein Gang nahm ihn auf, kühl, an Stelle des Betons eine graue Plasteverkleidung, dahinter das Eis. Sicher mussten sich die einzelnen Bauabschnitte gegeneinander bewegen können. Die ungeheure Kraft des Eises würde nicht vor Eisenbeton kapitulieren.
Thomas Monig wurde es unheimlich. Er wusste: Auch das Inlandeis vermochte Dutzende Meter im Jahr zu wandern. Das musste beim Bau ebenso berücksichtigt worden sein wie das hohe Wärmeabstrahlvermögen der Gebäude, das das thermische Gleichgewicht beeinflusste. Und Thomas wurde sich einen Augenblick des Abenteuerlichen der Unternehmung bewusst. Das war schon etwas, was sie sich hier vorgenommen hatten!
Dann sagte er sich: >Mal sehen, was sie für mich haben, sicher eine Hilfsarbeit wie öfter in solchen Praktika.Leiter der Abteilung GEOMESS, Dr. Lewrow, Organisatorin Nina Soredse< stand an der Tür. Thomas fingerte nach seinem Ankehrschreiben, klopfte und trat ein. „Guten Tag“, brachte er russisch hervor. „Mein Name ist Monig. Ich absolviere hier ein Praktikum und möchte mich bei Herrn Doktor Lewrow melden.“ Wie meist in dieser Sprache ging es langsam und hörte sich sicher furchtbar an.
„Aus Deutschland?“, fragte sie. Schon die zwei Wörter verrieten, dass sie Deutsch konnte.
Sie legte das Mikrofon beiseite, schwenkte ihren Sessel herum, sagte: „Moment“ und tastete weniges ein.
Thomas betrachtete diese neue Umgebung mit Skepsis und dem gleichen Misstrauen wie das gesamte Praktikum.
Sie war hübsch, die Nina und, allem Anschein nach, sich dessen bewusst: Perlmuttfarbene Haare, ebensolche Finger- und Zehennägel, allerdings mit roten Tupfen, dazu modern gekleidet. Das asymmetrisch geschnittene Dekolleté gewährte einen relativ tiefen Einblick. Sie ertappte Thomas beim Hinschauen, veränderte jedoch ihre Haltung nicht.
„Ja, der Chef erwartet dich“, sagte sie in fließendem Deutsch und warf ihm über die Schmuckbrille hinweg aus ihren wasserblauen Augen einen Blick zu. „Für Organisatorisches und Persönliches bin ich zuständig, ebenso für Beschwerden. Einweisung für die Neuen ist am Freitag, vierzehn Uhr. Dort stellst du dich bitte vor.“ Lewrow – >Nur etwas älter als ichSchönes ist wohl nicht uninteressant, und es macht Spaß, an der Planung und Projektierung der neuen Wohnanlagen mitzuwirken. Pleja ist völlig vernarrt in ihr Bepflanzungskonzept. Aber einmal raus zu kommen, vielleicht gemeinsam, und ein Projekt globalen Ausmaßes zu bearbeiten.< Er seufzte, entnahm dem Drucker das Papier und wandte sich zur Tür.
Pleja sah zur Uhr. „Das hätte auch bis morgen Zeit gehabt. Und vergiss nicht, wir wollen nach Feierabend zum Schwimmen!“
„Ich beeil’ mich!“
Pleja blickte ihm nach. >So ist er ebenHat er einen Gedanken einmal gefasst, muss dieser sofort umgesetzt werdenauch wenn er sich manchmal verrennt. Umsicht und Spontaneität, wo wären beide Wesenszüge je in einem Menschen so vereint gewesen wie in Hal.Teneriffa! Es wäre fantastisch, wenn wir, Hal und ich … gemeinsam in kleiner Gruppe aufeinander angewiesen … eine neue Nähe …< Pleja seufzte und schloss die Datei.“
Erstmals vor nunmehr sechs Jahrzehnten, also 1959, veröffentlichte Rudi Czerwenka im Prisma-Verlag Zenner und Gürchott Leipzig den Roman „Magellans Page“ unter dem Pseudonym Rudolf Wenk: Am 20.September 1519 verließen fünf Karavellen mit 265 Mann an Bord unter dem Kommando des Portugiesen Fernando de Magellan den südspanischen Hafen Sanlucar. Ihr Auftrag war, auf dem Westkurs über den Atlantik über eine angeblich schiffbare Passage von Südamerika (die spätere Magellan-Straße) und den Pazifik zu den Molukken, den „Gewürzinseln“, vorzudringen und nach deren Annektierung über den Indischen Ozean, das „Kap der Stürme“ entlang der Westküste Afrikas heimzukehren. Unterwegs hatte man jedoch ungewohnte Stürme und Flauten, Hitze und Kälte, Hunger und Durst, bisher unbekannte Krankheiten, Meutereien, Havarien und kriegerische Auseinandersetzungen zu bewältigen. Als der Rest der Flotte schließlich auf dem kleinsten der Schiffe, der „Victoria“, nach 1124 Tagen Seereise am 7. September 1522 wieder im Heimathafen anlegte, befanden sich nur noch 18 Mann an Bord. Auch Admiral Fernando de Magellan hatte nicht überlebt, im Gegensatz zu seinem Pagen Vasco Gomez Gallego. Der rettete auch das von seinem Freund Antonio Pigafetta sorgfältig geführte Logbuch für die Nachwelt. Dieses in Teilen erhalten gebliebene Bordbuch und andere Dokumente über die erste Weltumseglung lieferten die Grundlage für das überaus spannend geschriebene Buch. Im folgenden Ausschnitt begegnen wir Magellan und seinem Pagen in einer entscheidenden Szene der Verhandlungen mit dem spanischen König. Und Vasco durfte dabei sein:
„Vasco starrte den König an. Doch der merkte nun nichts von den erstaunten Augen, die über ihn glitten. Er folgte dem Vortrag Magellans. Und Vasco konnte den Herrscher ungestört betrachten. Der König von Spanien war kaum älter als er. Das war sonderbar, so jung und schon König, Herr über Krieg und Frieden, über Glück und Elend so vieler Menschen. Danach sah er nicht aus. Vasco war enttäuscht. Er wusste nicht recht warum, aber er hatte sich einen König anders vorgestellt. Der König folgte dem Gespräch der Männer nur mit den Augen. An seinem Gesichtsausdruck war keine Regung zu erkennen. Zuweilen rückte er auf seinem Stuhl herum, als ob ihm die Verhandlungen, das Für und Wider der Meinungen langweilig wären. Schließlich öffnete er den Mund. Seine Rede glitt langsam und überlegt über die Lippen und passte nicht zu der jugendlichen Erscheinung. „Diese Reise, die Ihr vorhabt, Magellan, kostet Geld. Alle unsere Bedenken habt Ihr zerstreut. Nur das Geld bleibt. Dieses Geld soll ich geben!“
„Eure Majestät können beruhigt sein“, erwiderte Magellan höflich, „die Gewürze, die diese Flotte mitbringen könnte, würden die Kosten des Unternehmens bei weitem aufwiegen.“
Der Kardinal äußerte Bedenken. „Der Heilige Vater hat die Welt geteilt zwischen Spanien und Portugal. Dem Lande, das diese Grenze verletzt, droht der Bann der Kirche. Der Weg zu den Molukken führt an Indien vorbei, und das Meer um Indien ist Portugal zugewiesen. Wenn Ihr zu den Molukken segelt, verletzt Ihr die Grenze, die der Papst festgesetzt hat.“
„Hochwürden mögen verzeihen, wenn ich widerspreche“, entgegnete Magellan. Er trat an den Globus heran, der vor dem König auf dem Tisch stand. „Hier ist ein Abbild der Erde, eine Kugel nach der Meinung der Gelehrten. Wollte man eine Kugel teilen, so müsste man die Grenze rundherum ziehen. Man hat noch nicht die Hälften, wenn man bei einer Apfelsine den Schnitt des Messers einmal von der Blüte zum Stiel führt.“
Der Kardinal folgte aufmerksam den Erklärungen Magellans, der ihn genau beobachtete und seine Worte vorsichtig wählte. Nun fuhr er fort:
„Und weil die Erde eine Kugel ist, wird der Heilige Vater bald eine zweite Grenze angeben, die die Erde auf der anderen Seite zwischen Spanien und Portugal teilt. Wo diese Grenze liegen wird, hängt auch von den Bemühungen Spaniens ab!“
Das war zu viel! Magellan merkte es; aber das letzte Wort war ihm schon über die Lippen gesprungen. Das Gesicht des Kardinals hatte sich verdunkelt. Hasserfüllt war die Stimme, die durch die Zahnlücken stieß: „Es ist gefährlich zu behaupten, die Erde sei eine Kugel. Dieses Wort hat schon manchen auf das Schafott gebracht. Die Wissenschaft denkt, aber wie sie denkt, gibt ihr entweder Gott ein oder der Böse. Was der Heilige Vater sagt, das gilt. Wer anderes verkündet, kann Ketzer genannt werden und ein schlimmes Ende finden!“
Die Worte des Kardinals hallten im Raume nach und blieben in den Ohren hängen. Der Scheiterhaufen drohte. Eine Zeit lang war es totenstill.
Dann sprach wieder der König.
„Alles mag stimmen! Aber Zweihunderttausend kann Spanien nicht zahlen für eine Reise, deren Erfolg immerhin zweifelhaft bleibt. Ich habe im Augenblick Wichtigeres zu tun und zu bedenken. Vor Toledo kämpfen meine Soldaten seit Monaten gegen aufständische Bürger, die mir die Steuern verweigern. An andern Orten sieht es ähnlich aus. Die Expeditionen des Kolumbus haben Geld verschlungen und nichts eingebracht. Und der Weg, den Ihr nun zu den Molukken nehmen wollt, diese Durchfahrt westlich hinter dem Meer, ist doch eine ungewisse Sache!“
Ablehnend schüttelte der König den Kopf.
Vasco war den Tränen nahe. Alles war zerschlagen. Der Traum der vergangenen Monate zerstob in ein Nichts. Er würde wieder nach Huelva zurückkehren und die großen Schiffe nur von weitem sehen. In Vasco wuchs eine Wut auf, eine Wut über den König und über die Langbärte hier. Was waren denn das für Menschen? Sogar Vasco, obwohl er Magellans Pläne schon kannte, war angesteckt worden von der Begeisterung, mit der sein Herr eben gesprochen hatte. Und diese hier rechneten und bangten um ihr Geld. Besonders erbost war Vasco über Espinoza, der seinem Herrn Unterstützung versprochen hatte. Nicht ein einziges Mal hatte er den Mund geöffnet. Warum blieben sie überhaupt noch hier? Magellan wusste wohl selbst weder Rat noch Ausweg. Mit gesenktem Kopf stand er da. Die Gesichter der Gelehrten drückten ebenfalls Unzufriedenheit mit dem Ausgang der Audienz aus. Der König erhob sich.
Da unterbrach ein kräftiges Räuspern die unangenehme Stille. Van Geerden, der „König des Geldes“, schob sich nach vorn.
„Gestattet, König von Spanien! Ich werde die Flotte ausrüsten. Auf mich allein falle der Verlust!“
Karl von Spanien kniff die Augen zusammen. Er überlegte. Was bedeutete das? Der Kaufmann warf sein Geld nicht zum Fenster hinaus! Was war also zu tun?
Kardinal Ebora hatte schneller begriffen.
„Das ist nicht nötig“, sagte er scharf, „der König hat soeben beschlossen, drei Viertel des gebrauchten Geldes zu geben. Herr van Geerden kann den Rest übernehmen.“
Der Kaufmann senkte den Kopf. Der Kardinal hatte ihn durchschaut. Aber er war noch gut gefahren und konnte zufrieden sein. Diese Fahrt nach den Gewürzinseln würde das große Geschäft seines Lebens werden.
Es wurde ein Vertrag aufgesetzt. Der König nahm das Pergament und las aufmerksam den Text. Er war zufrieden, nahm die Feder und setzte seinen Namen darunter.“
Nun, das ist ja noch einmal gut gegangen für Magellan und damit auch für Vasco, seinen Pagen. Und so konnten die fünf Karavellen des Portugiesen am 20.September 1519 den südspanischen Hafen Sanlucar verlassen. Und das wiederum war vor nunmehr ziemlich genau 500 Jahren – also ein kleines oder sogar ein großes Jubiläum.
Leider kam Magellan wie die meisten seiner Leute von dieser großen Reise – der historisch belegten ersten Erdumseglung – nicht wieder zurück. Mehr Glück hatte Vasco, der nicht nur überlebte, sondern der sogar das so wichtige Logbuch mit nach Hause brachte.
Viel Spaß beim Lesen dieser spannenden historischen Geschichte, noch ein paar schöne Tage bis Silvester und auf ein Neues demnächst – im Jahr Zweitausendundzwanzig. Guten Rutsch!
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