Wenn im „Wasserwerk Wald“ die Pumpen still stehen

Zwei aufeinander folgende Trockenjahre und flächiges Absterben von Bäumen als Folge von Dürre und Borkenkäferbefall – das sind Risiken für die regionale Wasserversorgung. Zu diesem Ergebnis kommen Vertreter einer Wasserleitungsgenossenschaft und Forstleute im Solling. Das waldreiche Mittelgebirge mit relativ hohen und ausgeglichenen Niederschlägen fungiert als natürliche Wassergewinnungsanlage. Zahlreiche lokale Trinkwasserbrunnen liegen unter den Wirtschaftswäldern und versorgen die örtliche Bevölkerung. Dabei speichert, filtert und reinigt der Waldboden das Niederschlagswasser. Der Wald arbeitet wie ein Wasserwerk allerdings ohne Pumpen, Filter oder Strom. Dürrejahre wie 2018 und 2019 haben die Waldböden bis in tiefe Schichten austrocknen lassen und verursachen das flächige Absterben ganzer Waldbestände. Seit dem haben sich Borkenkäfer massenhaft vermehrt, Pilze konnten die geschwächten Bäume befallen und selbst widerstandsfähige Laubbäume zeigen Trockenschäden. Darin sehen Wasserversorger und Forstleute eine zunehmende Herausforderung.

Auswirkung für Trinkwasserversorgung im Solling

Ortschaften wie das Töpferdorf Fredelsloh in der Gemeinde Moringen hängen am Wasserwerk Wald, genauer gesagt an drei Quellfassungen, die im Niedersächsischen Forstamt Dassel liegen. Die Wasserleitungsgesellschaft Fredelsloh eG versorgt rund 970 Einwohner, die eigenverantwortlich die Genossenschaft betreiben. Seit 1989 ist Hans-Günther Müller erster Vorsitzender. Sorge bereiten Müller die warmen, trockenen Monate, wenn die Quellen im Wald nur neun statt 15 m³ Wasser pro Stunde liefern und die Pumpen gedrosselt werden müssen. „Die Wasserversorgung für Fredelsloh war bislang immer ausreichend“, versichert Hans-Günther Müller, „aber wie wirken sich größere Waldverluste aus, wenn mehr und mehr Bäume im Wasserschutzgebiet vertrocknen?“ fragt Müller beim Forstamt in Dassel nach.

Wälder um jeden Preis erhalten

Thomas Reulecke sieht seine vorrangige Aufgabe als Forstmann darin, die Wälder um jeden Preis zu erhalten. „Gegen den Klimawandel und einen Jahrhundertsommer sind aber auch unsere Mischwälder rund um das Trinkwasserschutzgebiet machtlos“, erläutert der Forstamtsleiter aus Dassel. Für Reulecke und seinen Fredelsloher Revierleiter Thorsten Möhlenhoff gilt es langfristig, die Wälder im Solling fit zu machen für den Klimawandel. „Wir forsten Kahlflächen mit Laub- und Nadelhölzer wieder auf und drängen Fichten in den Bachtälern und aus Wasserschutzgebieten zurück“, beschreibt Förster Möhlenhoff die praktischen Arbeiten im Revier. Kurzfristig ist aber noch immer der Kampf gegen den Borkenkäfer Hauptaufgabe der Forstleute im Solling. Im kommenden Frühjahr erwarten sie eine neue Angriffswelle. Die derzeit im Waldboden oder unter der Rinde überwinternden Käfer werden mit noch größerer Zahl im April 2020 ausschwärmen.

„Wir haben schon viel erreicht mit der Fließgewässerpflege, dem ökologischen Umbau der Fichtenwälder und der Renaturierung großer Waldmoore im Solling. Davon profitieren auch die Wasserversorgungsunternehmen und die Einwohner in den umliegenden Gemeinden. Denn sie beziehen hochwertiges Wasser aus dem Wald vor ihrer Haustür“, fasst Thorsten Möhlenhoff eine von vielen kostenlosen Gemeinwohlleistungen des Waldes zusammen. Hans-Günther Müller weiß was der Förster meint: „Wasser ist das blaue Gold der Zukunft, und unser weiches Sollingwasser ist ein unschätzbares, heimisches Produkt aus ökologischer Waldbewirtschaftung“. Genauso wie die Niedersächsischen Landesforsten hofft auch der erste Vorsitzende, dass die Pumpen im Wasserwerk Wald niemals stillstehen.

Hintergrund:

  • In den oberen zehn Zentimetern speichert Waldboden pro Quadratmeter bis zu 50 Liter Niederschlagswasser
  • Ein Hektar Wald hält – wie ein Schwamm – bis zu zwei Millionen Liter Wasser zurück
  • Wald reinigt Regenwasser, speichert es und sorgt auch in Trockenperioden für konstante Trinkwasserversorgung
  • Unter Wald gewonnenes Trinkwasser hat einen hohen Reinheitsgrad
  • Forstleute steuern über die Baumartenwahl nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Grundwassers
  • In den Niedersächsischen Landesforsten liegen über 100.000 Hektar Trinkwasserschutzgebiete
  • Seit Einführung des LÖWE-Programms wurden bereits 1.500 Hektar Ackerbaufläche in Trinkwasserschutzwälder umgewandelt
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