TÜV Rheinland: Telemedizin gibt Betriebsärzten mehr Zeit für die Beratung

In der Arbeitsmedizin gewinnt die Beratung der Beschäftigten an Bedeutung. Dabei kann die Telemedizin die Tätigkeiten von Betriebsärztinnen und -ärzten auf vielfältige Art und Weise unterstützen: Möglich sind zum Beispiel Videosprechstunden, die Teilnahme an Sitzungen des Arbeitsschutzausschusses sowie die Beratung von Unternehmen per Videokonferenz oder Webinare. „Die Telemedizin ist eine wertvolle Ergänzung zur betriebsärztlichen Tätigkeit vor Ort. Sie trägt dazu bei, dass wir zeitnah und effektiv Unternehmen und ihre Beschäftigten beraten können“, erklärt Dr. Wiete Schramm, Fachgebietsleiterin Arbeitsmedizin bei TÜV Rheinland.

Datenschutz und sichere Übertragungswege

Voraussetzung für den Einsatz einer Videosprechstunde ist neben einer stabilen und sicheren Internetanbindung auch Diskretion. Das Gespräch zwischen Betriebsarzt und Beschäftigtem unterliegt der Schweigepflicht. Daher sollte für eine Videosprechstunde ein eigener Raum zur Verfügung stehen. Dadurch werden die Privatsphäre des Mitarbeitenden und die Verschwiegenheit gewahrt. Zudem sind die Bedingungen für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Gespräch gewährleistet. Die Zusammenarbeit mit einem zertifizierten Anbieter für Videosprechstunden sorgt für zusätzliche Datensicherheit während der Übertragung. Für eine umfassende Beratung ist darüber hinaus eine gute Bildqualität erforderlich.

Grenzen der Telemedizin

Seit dem 121. Deutschen Ärztetag im Jahr 2018 besteht das ausschließliche Fernbehandlungsverbot nicht mehr, und es ist möglich, online zum Betriebsarzt zu gehen. Damit wird die bereits seit Jahren bestehende telefonische Beratung durch die Videosprechstunde erweitert. Sie kann für Beratungsgespräche genutzt werden oder für eine Kombination aus Befunderhebung durch die Assistenz und die Auswertung sowie die Beratung durch den Arzt oder die Ärztin. Bei dieser Variante ist die Assistenz vor Ort und erhebt funktionsdiagnostische Befunde. Der Arzt bekommt die Untersuchungsergebnisse elektronisch übermittelt, wertet sie aus und führt das ärztliche Beratungsgespräch mit dem Beschäftigten per Videotechnik durch.

„Oft müssen wir die Mitarbeitenden persönlich sehen. Das ist bei allen arbeitsmedizinischen Vorsorgen und Untersuchungen der Fall, die eine körperliche Untersuchung des Beschäftigten erfordern. Das trifft zum Beispiel bei Beschäftigten mit starken körperlichen Belastungen oder bei Arbeiten in Zwangshaltungen zu“, weiß Schramm. Bei einer Betreuung, die nur auf einem Videokontakt beruht, gehen der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt zudem verschiedene Informationen verloren: Wie dynamisch wirkt die Person beim Betreten des Raumes? Wie ist der Händedruck? Welche Bewegungen begleiten das Gespräch? Gibt es Auffälligkeiten, wie Schwitzen, Frieren oder einen besonderen Körpergeruch, die auf eine Erkrankung hindeuten könnten? Hat sich seit dem letzten Kontakt etwas verändert? Auch diese Beobachtungen fließen in die arbeitsmedizinische Beratung von Beschäftigten mit ein.

Beim wiederholten Kontakt zu bestimmten Mitarbeitenden hingegen spart die Videosprechstunde Zeit und bietet Flexibilität bei der Planung. Mögliche Anlässe sind Informationen im Rahmen eines umfangreichen betrieblichen Eingliederungsmanagements oder die Beratung zu speziellen Belastungssituationen und gesundheitlichen Fragen im beruflichen Umfeld.

Virtuelle Betriebsbegehungen

Betriebsbegehungen gehören zum Aufgabengebiet der Arbeitsmedizin. Dabei erhalten die Betriebsärzte einen Einblick in die Arbeitsbedingungen im Unternehmen. Lärm, Geruchsbelastung, aber auch die Stimmung im Betrieb kann eine virtuelle Begehung nur schwer oder gar nicht wiedergeben. Daher reicht sie für eine umfassende Beurteilung oft nicht aus. Bei speziellen Fragen – insbesondere auch Einzelarbeitsplatzbeurteilungen – ist ein Video eine gute und zeitsparende Möglichkeit, einen Arbeitsplatz zu besichtigen: Fragen der Ergonomie, einzelne Arbeitsabläufe oder auch die korrekte Einrichtung eines Waschplatzes inklusive Hautschutzplan lassen sich so beurteilen.

„Unsere Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner müssen von Fall zu Fall gemeinsam mit dem Unternehmen entscheiden, ob die Telemedizin die geeignete Lösung für eine Fragestellung ist. So gelingt es am besten, das volle Potenzial unserer arbeitsmedizinischen Betreuung für die Unternehmen auszuschöpfen“, rät Schramm. Wie in der gesamten Arbeitswelt wird die Digitalisierung auch die betriebsärztliche Tätigkeit vor Ort künftig immer stärker ergänzen.

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