Die Lösung der Pflegeprobleme ist möglich
Das Thema Pflegenotstand ist in aller Munde und macht vielen Menschen Angst. Tatsächlich ist die Pflegesituation in Deutschland katastrophal und Krankenpflegekräfte wie Patienten beklagen den schlechten Zustand der Versorgung. Es gibt aber Auswege und neue Lösungen: Das Potential für eine Pflegekultur, die den Menschen wirklich dient, die qualitativ exzellent, menschlich verlässlich und wirtschaftlich vorbildlich handelt, ist in Deutschland vorhanden. "Wir brauchen ein Land der Menschlichkeit. Und gerade bei alten Menschen, die unser Land und unseren Wohlstand aufgebaut haben, sollte die Mitmenschlichkeit an erster Stelle stehen", sagt Ellis Huber. Das brauche aber eine Politik, die in Menschen investiert und die lukrativen Geschäfte mit der Pflege unterbindet, die Pflegeversorgung als Daseinsvorsorge versteht, die möglichst preiswert, effizient und effektiv sichergestellt werden müsse.
Dr. Ellis Huber zeigt auf: „Es gibt in der Bevölkerung genügend qualifizierte Pflegekräfte und die Pflegekosten liegen in einer überschaubaren Größenordnung. Mehr Pflegebedürftige sind also keine Katastrophe. Es gilt jetzt Gesundheitsförderung und Prävention, innovative Versorgungskulturen und eine patientennahe Betreuung in der häuslichen Umgebung, also Pflege daheim statt im Heim sicherzustellen."
Pflege muss wieder menschlich werden
Der Internationale Tag der Pflegenden gibt Anlass das Thema Pflege grundlegend neu zu denken. Es gibt bereits in der Praxis bewährte Projekte die belegen, dass Pflege auch anders geht. Die niederländische Organisation Buurtzorg, das bayerische Pflege-Netzwerk "Betreuung persönlich" oder die Berliner Initiative Care4me dokumentieren dies in beeindruckender Weise. Bereits viele Menschen sind auf dem Weg, die notwendigen Veränderungen in der ambulanten Pflege selbst in die Hand zu nehmen und aktiv auszubauen. Unter dem Motto „Pflege auf Augenhöhe“ vernetzen sich die Pflegedienste, die es anders machen wollen.
Ellis Huber dazu: „Es gibt genügend Pflegekräfte mit sozialem Empfinden und menschlichem Herz. Sie wollen eine helfende Beziehung zu ihren Patienten und deren Angehörigen eingehen und Pflege so gestalten, dass sie würdig, effizient und effektiv ist. Dies ist auch nachweislich besonders wirtschaftlich.“ Krankenpfleger und Krankenschwestern bleiben im Durchschnitt nur 7,5 Jahre im erlernten Beruf. Millionen von hoch qualifizierten Fachkräften sind frustriert ausgestiegen, aber in der Bevölkerung noch da. Der Grund ist die fehlende Wertschätzung, Unterbezahlung und die roboterähnliche Pflegesituation. Für den einzelnen Menschen bleibt immer weniger Zeit und das macht Patienten und Pflegekräfte unglücklich. Ellis Huber dazu: "Die einen wie die anderen fühlen sich als Objekt einer Maschinerie, die sie zu etwas zwingt, was sie gar nicht wollen. Betreuung und Pflege sind heute vergleichbar mit stupider, produktionsorientierter Fließbandarbeit. Dahinter steckt ein entmenschlichtes industrielles Arbeitsmuster, mit dem systematisch Beziehungen zerstört werden. Pflege ist Beziehungsarbeit und kein Verrichtungscontrolling“
Mitmenschlichkeit heißt Beziehungsmedizin
Die Wichtigkeit von Nähe und Mitmenschlichkeit für die Gesundheit und Genesung von Menschen kennen nicht nur die alten Hausärzte. "Liebe statt Valium" oder menschliche Zuwendung statt entseelte Abrechnungstechnik“ formuliert dazu Ellis Huber provokativ. Bei Buurtzorg arbeiten 14.000 Krankenpflegekräfte in lokalen Teams. Die gesamte Verwaltung und Managementorganisation besteht aus nur 50 Personen. „Selbstorganisation und schlanke, aber dienende Leitungsstrukturen sind ebenso möglich wie Freiheit und soziale Verantwortlichkeit", sagt Ellis Huber: „In der Betreuung hilfsbedürftiger Menschen gibt es kaum etwas Wichtigeres und Wertvolleres als gute zwischenmenschliche Beziehungen. Verständnis, Vertrauen, Verlässlichkeit sind das, was Pflegedürftige von ihren Angehörigen wie Betreuern am meisten suchen. Vor diesem Hintergrund brauchen wir eine neue Kultur des Miteinanders.“
Die Gesellschaft braucht neue Pflegemodelle
Die neuen Pflegemodelle integrieren Nachbarschaftshilfe, Familie und Freunde in die Betreuungsprozesse. Professionell ausgebildete Pflegekräfte kooperieren mit freiwilligen Helfern und setzen eine Pflegekultur um, die alte Menschen im häuslichen Umfeld betreut, unterstützt und pflegt und präventive wie rehabilitative Angebote umfasst. Ziel ist möglichst viel Autonomie und Lebenssinn für alle Beteiligten.
Ellis Huber fasst zusammen: „Sollen Betreuer und Pfleger aus der Nachbarschaft das jetzige System überwinden, braucht es eine andere Finanzierungssystematik. Es erfordert eine Organisation, die künftig nicht mehr über die Hälfte des Geldes für sinnentleerte, überflüssige Bürokratie und Dokumentationspflichten ausgibt. Wir brauchen ein Pflegesystem, bei der das Geld in die menschlichen Beziehungen fließt. Deshalb müssen wir die Pflegekräfte künftig auch für den Zeitaufwand bezahlen, den sie in ihre soziale Arbeit stecken. Zeitpauschalen sind viel menschlicher als vordefinierte Leistungskomplexe nach dem Fließbandschema.“ Zahlreiche Initiativen und Projekte in Deutschland haben bereits begonnen, das Pflegesystem neu zu organisieren und die Werte der Krankenpflege über die Profitinteressen zu stellen. Die Politik kann und sollte sie unterstützen und damit den Pflegenotstand nachhaltig überwinden. Es fehle nicht am Geld. Knapp 40 Milliarden Euro kostete 2017 die Pflegeversicherung. Zehnmal soviel Geld wir im ganzen Gesundheitssystem ausgegeben. Eine Verdoppelung der Pflegekosten sei kein ökonomisches Problem, meint Ellis Huber: „Es gibt keinen Pflegenotstand. Kompetente Pflegekräfte und das notwendige Geld für eine humane Pflege sind in Deutschland vorhanden.“
Weitere Informationen
St. Leonhards-Akademie gGmbH
Untereggerhausen 2
83355 Grabenstätt
Telefon: +49 (30) 88928891
https://www.st-leonhards-akademie.de
E-Mail: u.lang@st-leonhards-akademie.de