Agilität ist nichts Neues. Bereits vor über 30 Jahren wurde von flexiblen und lernenden Organisationen gesprochen. Strukturiertes Vorgehen in Teamarbeit, Offenheit und laufende Kommunikation zwischen allen Beteiligten standen schon damals im Vordergrund. »Verändern durch Optimieren und Stabilisieren« war die Devise, d. h. anknüpfen an das Bestehende, an eine funktionierende stabile Organisation.
In Zeiten des stetigen Wandels, der Automatisierung, der Digitalisierung und der globalen Vernetzung ist es essenziell, Fokus und Klarheit für die wesentlichen Dinge zu schaffen. Heutige Organisationen brauchen Führungskräfte, die Menschen darin befähigen, weitsichtig und nachhaltig zu handeln. Die achtsam Veränderung ermöglichen. Die aktiv unternehmerisch mitdenken und gestalten. Zudem müssen sie Potenziale im Team erkennen und fördern. Ist diese »neue Arbeit« nun ein Trend oder etwas »Organisches« in der Weiterentwicklung einer lernenden Organisation?
Die Macht der geführten Selbstorganisation
Ich war in meiner Laufbahn immer wieder damit beauftragt, in Gruppen- oder Teamarbeit Abläufe und komplexe Situationen zu vereinfachen, zu entwickeln. Im Vordergrund standen dabei Prozessorientierung, Lösungsorientierung und oft auch ein höherer Grad an Selbstorganisation. Im Kern geht es immer um effektive Zusammenarbeit in Organisationen. Eine solche gestaltet sich durch eine gemeinsame Vorstellung von Sinn und Zweck der Arbeit. So gewinnt die Organisation an Dynamik und kann flexibler auf Neues eingehen. Alles, was die Organisation macht, erfolgt letztlich durch Personen. "Organisationen verändern nicht, Menschen tun es."
Selbstorganisation impliziert, dass die Organisation ganz ohne von aussen wirkender Führung auskommt. Je mehr die Gruppe selbst entscheiden kann, desto höher das Engagement. In der heutigen Realität wird aber nicht weniger Führung gebraucht, eher wird eine andere Art der Führung notwendig. Diese zeigt sich in erster Linie durch das Schaffen von Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Organisation durch stärkenorientiere Förderung der Mitarbeitenden. Aber auch durch Orientierung für Klarheit des gemeinsamen Zwecks, das »Big Picture« auf der Metaebene.
Unterstützen können dies Praktiken und Prinzipien der Führungsarbeit zur Evolution agiler und resilienter Organisationen. Ein Lernprozess zur Gestaltung eines entsprechenden Mindsets, welches eine Organisation in allen Aspekten der Zusammenarbeit weiterbringt, um Produktivität und Engagement zu erreichen. Dies muss jedoch auch von den Führungskräften unterstützt und ermöglicht werden. Damit Mitarbeitende die notwendigen Freiräume haben sowie Verantwortung tragen, um selbstorganisiert arbeiten zu können.
Die Lösung: Empowerment
Lassen Sie sich als Führungskraft nicht beeindrucken vom Buzzword »Agile Führung«. Der Fokus auf die Grundlagen effektiver Führung ist angesagt. Empowerment legt den Fokus auf die Grundlagen effektiver Führung. Elementar ist hierbei das Erleben von Sinnhaftigkeit, Autonomie, Selbstvertrauen und Macht. Für »Agile Leadership« bedeutet das: Die Führungskraft sorgt dafür, dass Mitarbeitende ihre Tätigkeit als sinnvoll und bedeutsam erleben. Strukturen und Prozesse der Organisation entlang bestimmter Prinzipien der Zusammenarbeit und in der Kommunikation zu steuern, statt die Menschen ändern zu wollen. Denn nur wenn die Grundbedürfnisse am Arbeitsplatz individuell und als Team erfüllt sind, wirkt sich dies positiv auf die Arbeitszufriedenheit, die Bindung an die Organisation und die Leistung aus. Das bedeutet im Einzelnen:
1. Vertrauen wahrnehmen:
Wenn Mitarbeitende effektiv zusammenarbeiten und sich aufrichtig einbringen können, entsteht gegenseitiges Vertrauen. Ein gutes Einfühlungsvermögen hilft zudem, Vertrauen aufzubauen. Das ist immer noch die Grundlage erfolgreicher Zusammenarbeit.
2. Zusammenarbeit gestalten:
Tragfähige Beziehungen entstehen durch das Vernetzen von Kompetenzen sowie durch wertschätzende und transparente Kommunikation. Effektive Entscheide werden in Konsent- Dialogen getroffen, um gleichberechtigt und schnell mit allen Beteiligten zu Einverständnissen zu gelangen. Eine partizipative Feedback-Kultur sowie eine konstruktive lösungsorientierte Haltung ermöglichen Lernen und Weiterentwicklung. Wir reden hier auch von Zugehörigkeit und Spirit, von gemeinsamer Energie, die uns antreibt, Spass macht und dazu beiträgt, dass die Arbeit interessant ist und bleibt.
3. Stabilität geben:
Jedes System braucht Stabilität – und ein Unternehmen ist ein System, welches nach genau dieser Stabilität strebt. Leitplanken geben die Richtung und sich gegenseitig verstärkende Muster schaffen Stabilität. Sie sorgen für Klarheit und ein gemeinsames Verständnis des Themas in der Zusammenarbeit. Agile Führung fördert dies durch den Umgang mit Unsicherheit und Sinnfindung. Es ist Aufgabe der Führungskraft, trotz Komplexität und schneller Veränderung Orientierung zu geben und somit für ein gewisses Mass an Stabilität zu sorgen.
4. Ansehen steigern:
Die agile Führungskraft braucht ein gutes Standing. Die innere Haltung steuert die Wahrnehmung und Wirkung im Aussen, der eigenen Persönlichkeit. Nur wer seine Werte, Stärken und seine Motivation genau kennt und nach aussen konsistent kommuniziert, schafft es, mit seiner unverwechselbaren Identität als glaubwürdig wahrgenommen zu werden.
Authentische Persönlichkeiten sind für Mitarbeitende berechenbar, vertrauenswürdig und wirken inspirierend.
Was braucht es für eine »agile Führung«?
Wir kennen Transformational oder Servant Leadership. Mit »Agile Leadership« soll die Leistung in Organisationen effektiv beschleunigt werden. Welche Begrifflichkeit auch verwendet wird – es geht um Verhaltenseigenschaften in Zusammenarbeit und Kommunikation. Die Leadership-Schlagworte können sich ändern. Am Ende ist und bleibt Persönlichkeit das, was Führungswirksamkeit auszeichnet.
Eine Studie vom Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW zum Thema »Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0« hat sich unter anderem mit diesen Fragen beschäftigt: Wie verändert die digitale Transformation Führung? Braucht es eine Neudefinition oder ändern sich die Grundprinzipien gar nicht? Einige Autoren wie beispielsweise der Schweizer Digitalisierungsexperte Cachelin gehen davon aus, dass Digitalisierung unsere Arbeitswelten sowie die Erwartungen der Mitarbeitenden an die Führungskräfte so stark verändere, dass Organisationen ihre Führungskultur ebenfalls anpassen sollten (Cachelin, 2014). Andere Experten betonen, dass es universelle Führungsprinzipien gebe, die sich unabhängig vom jeweiligen Zeitalter nicht unterscheiden: Beispielsweise, dass eine Führungskraft über ein gewisses Charisma verfügen sollte (z. B. Firlej & Kluz, 2016). Konstant bleiben auch die Schlüsselfaktoren, welche das eigene Führungsverhalten beeinflussen: Kompetenz der Führungskraft, das Team, die Organisation, der allgemeine Kontext und die spezifische Situation. Die Wahrnehmung des Einflusses dieser Faktoren wird teilweise vom kulturellen Hintergrund und von der Persönlichkeit der Führungskraft geprägt. (Pfister, 2011).
Die agile Führungskraft:
– muss persönliche Reife mitbringen, damit sie mit anspruchsvollen, kompetenten und kreativeren Mitarbeitenden umgehen und deren Potenzial nutzen und entwickeln kann.
– muss mit Macht und Verantwortung umgehen und diese im rechten Moment in der richtigen Dosis verteilen können.
– muss mit natürlicher Autorität und Charisma, mit ständigem Wandel und Druck umgehen.
– begrüsst scharfe Kritik, die konkrete Veränderungsmöglichkeiten für die Zukunft aufzeigt.
– befähigt das Team und fördert den Austausch der vielen verschiedenen Persönlichkeiten.
"Sie müssen Ihr Ändern leben"
Wer möchte, dass stets alles so stabil bleibt wie es war, wird sich in Zukunft immer schwerer tun. Führungskräfte müssen Veränderung treiben und mitgestalten. Umstrukturierungen und betriebsbedingte Kündigungen gehören ebenso zur Unternehmensführung wie Recruiting und Onboarding neuer Mitarbeitender. Um Konflikte zu regeln, braucht es Führungskräfte, welche fähig sind, auf Augenhöhe zu vermitteln und Vertrauen aufzubauen. Gefragt sind Leader, die inspirieren, ihren Werten treu bleiben und bereit sind, die richtigen Fragen zu stellen. Sie arbeiten aktiv an der Unternehmensentwicklung, an der Kulturveränderung und an der Visionsgestaltung.
Ein stärkerer Fokus auf das Selbstbewusstsein
Gute Selbstreflexion führt zu Selbstkenntnis und fördert das Selbstwertgefühl. Dies hilft dabei, in Stresssituationen die Übersicht zu behalten. Persönliche Emotionen wahrzunehmen und konstruktiv mit Kritik umzugehen, um einen effektiven Beitrag zu leisten. Sie erlaubt auch, mit den eigenen Fehlern und dem allfälligen Ansehensverlust souverän umzugehen. Fremdbild und Selbstbild in Einklang zu bringen. Achtsamkeit und Selbstbewusstsein im Fokus zu haben.
Selbstführung ist die Basis für Ansehenssteigerung.
Insight
»Agile Leadership« ist nichts Neues – doch hat es nichts an seiner Wichtigkeit verloren. Sie wird gerade wiederentdeckt. Agile Führung bleibt menschliche Führung. Im Zentrum stehen Persönlichkeit und Leadership Mindset. Authentisch und erfolgreich gelingt agile Führung vor allem dann, wenn Führungskräfte auf ihren eigenen Stärken aufbauen – sich selber reflektieren, neue Stärken entdecken und ungenutztes Potenzial ausschöpfen. Letztendlich braucht agile Führung eine Grundlage – eine Kultur – die gestaltet wird, die Menschen dabei unterstützt, gemeinsam Grossartiges zu erreichen. Diese Grundlage basiert zudem auf klar festgelegten Prinzipien und Regeln. Je stabiler dieses Fundament ist, desto mehr hilft dies der Führungspersönlichkeit dabei, Klarheit, Flexibilität, persönliche Freiräume, Innovation und Gestaltungsmöglichkeiten weiter zu erhöhen. Eine Reziprozität in der Ansehenssteigerung zwischen Führung und Organisation.
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