Wie kann gutes Leben gelingen? Dieser spannenden Frage geht der Schweizer Philosoph Daniel Bremer nach, nicht ohne zuvor die großartigen Grußworte der Veranstalter zu loben, die den Boden für seine Gedanken bereiten. Er startet mit den wie er sie nennt ‚Tiefenbohrungen‘. Philosophen, so sagt er, haben aufgehört, das Wort ‚gut‘ zu definieren, da es sich dabei um subjektive, also teils völlig unterschiedliche Wahrnehmungen handelt. Auch bei den Ergotherapeuten gibt es statt Allgemeingültiges stets den Blick auf das Individuum: die besondere Situation, die persönlichen Bedürfnisse und Wahrnehmungen ihrer Klienten stehen im Mittelpunkt und was dem Einen gut erscheint, ist es für den Anderen noch lange nicht. Dreh- und Angelpunkt ist daher das Fragen, der Philosoph fordert gar zu Skepsis auf: So so? Ist das so? Und setzt zur nächsten Tiefenbohrung bei der Sprache an, beleuchtet, wie sich durch eine moderate Wortwahl und ebensolchen Klang etwas bewegen lässt oder durch die Schärfe der Worte und des Tons das Gegenüber blockieren kann. Einen behutsamen Zugang zu unterschiedlichen Menschen zu finden ist eine ergotherapeutische Spezialität und auch weitere Aspekte des Vortrags von Daniel Bremer sind Ergotherapeuten nicht fremd. Und so wird es vermutlich künftig mehr Ergotherapeuten geben, die mit philosophischem Ansatz den Fragen ‚was ist bedeutsam‘, ‚was ist Alltag‘ nachgehen werden.
Genauso wichtig für ihre tägliche Praxis: Das Vertiefen oder Auffrischen bereits bekannter und bewährter Modelle, ebenso wie das Kennenlernen neu konzipierter Instrumente in der Ergotherapie; verschiedene Workshops bieten hierzu im Anschluss an den tiefsinnigen Exkurs reichlich Gelegenheit.
Krankheitssymptome in den Hintergrund rücken
Der Workshop von Andreas Pfeiffer, Ergotherapeut und Hauptübersetzer des deutschen Therapieprogramms ‚Handeln gegen Trägheit‘, das speziell für Menschen mit psychischen Erkrankungen konzipiert ist, beginnt mit einer Analyse: Die Teilnehmer dürfen ein Tagesnutzungsprotokoll anfertigen und so, wie sie es später bei ihren Klienten handhaben werden, sehr genau darauf schauen, womit sie einen solchen repräsentativen Tag verbringen, wie ausgewogen die Aktivitäten sind, die ihren Alltag prägen. Aber auch, welche Qualität diese haben, sprich welchen Raum die Aktivitäten einnehmen, die ihnen persönlich besonders bedeutsam sind. Denn das ist das Ziel des Workshops: den Teilnehmern einen anderen Blick auf die Zeitnutzung, die Ergotherapeuten Betätigungsbalance nennen, zu vermitteln. Ebenso wie auf die Ziele, die sie als Ergotherapeuten gemeinsam mit ihren Klienten erarbeiten. Denn die bisherige Erfahrung mit dem Therapieprogramm hat bestätigt, wie wichtig es ist, die Zielsetzungen an dem zu orientieren, was den Klienten etwas bedeutet. Und mit einem kleinen, ziemlich sicher erreichbaren Ziel zu beginnen. Denn stellen sich erste Erfolge ein, erfährt der Klient die Bestätigung, dass er etwas kann, was ihn zum Weitermachen motiviert. Man spricht von quick changes, schnellen Veränderungen und das bewirkt die nötige Dynamik: Die Menschen mit einer psychischen Erkrankung finden dadurch aus ihrer Schwere, der physikalisch gemeinten Trägheit, heraus, werden aktiver. Ein weiterer Mechanismus: Mit einem zunehmend erfüllten, also guten Leben rücken die Krankheitssymptome in den Hintergrund.
Da erstaunt es kaum, dass das gesamte Projekt von Andreas Pfeiffer und Werner Höhl aus Therapieprogramm, Implementierungskonzept und Pilotstudie im vergangenen Jahr auf dem Weltkongress der Psychiatrie den Preis der ‚Gesundheitsfachberufe der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)‘ erhielt.
Mehr als Prävention
Die eigenen Erkenntnisse sind der beste Motivator. Dieses Prinzip liegt dem Reflexionsinstrument ‚Lebe Dein Leben gut‘ zugrunde und getreu diesem Motto gestalten die beiden Ergotherapeutinnen Gabriele Woick und Luisa Brings ihren Workshop. Sie lassen dazu jeden Teilnehmer 5 Fotos mitbringen die zeigen, welche Handlungen und Aktivitäten ihnen etwas bedeuten und woran sie teilhaben möchten. Wozu das? Gabriele Woick hat ‚Lebe Dein Leben gut‘ in Anlehnung an einen entsprechenden kanadischen Leitfaden zur Gesundheitsförderung entwickelt und evaluiert. Das Ziel: dem Thema ‚Gesundheit‘ einen größeren Stellenwert geben – im Unterschied zu den üblichen präventiven Maßnahmen, die sich auf das Vermeiden von Krankheiten beziehen. Doch das, was Menschen jeden Tag tun, hat einen wesentlichen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden. Aus dieser veränderten Perspektive betrachten die Teilnehmer anhand ihrer mitgebrachten Fotos ihre alltäglichen Handlungen. Die von Woick entwickelten Reflexionskarten helfen dabei, diese Aktivitäten unter dem Aspekt der Gesundheit zu betrachten, herauszufinden, wie sie sich auf das eigene Wohlergehen auswirken.
Ihre Erfahrungen und Resultate aus der täglichen Praxis? Menschen, die gestärkt aus diesen Gesprächen herausgehen, weil sie realisiert haben, welche ihrer Alltagsgewohnheiten ihnen zu Gesundheit und Wohlbefinden verhelfen. Anderen gelingt es, sich selbst im Laufe dieses gedanklichen Prozesses Ziele zu setzen, wie sie den Aspekt Gesundheit besser in Einklang mit ihren Lebensgewohnheiten bringen können. Eine weitere Gruppe kommt zu der Erkenntnis, dass Veränderungen nötig sind: im eigenen Verhalten, der Lebensführung oder anderen äußeren Umständen.
Mit ihrem neu erlangten Wissen und ausgestattet mit entsprechenden Arbeitsmaterialien können die Teilnehmer des Workshops direkt loslegen und Interessierte dabei unterstützen, ihr Leben gut zu leben.
Fachlicher Kontakt:
LVR-Dezernat Klinikverbund und Verbund Heilpädagogischer Hilfen
Uwe Blücher
Telefon: 0221 809-6936
E-Mail: uwe.bluecher@lvr.de
Ansprechpartnerin für redaktionelle Rückfragen zum LVR-Klinikverbund:
Katharina Landorff
LVR-Kommunikation
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