„Die Folgen des Klimawandels für den Weinbau sind enorm vielschichtig. Die Veränderung der Temperatur, extremere Wetterlagen, erhöhte Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Luft, Änderungen der Nährstoffzusammensetzung im Boden: All das verändert die Anbaubedingungen und damit auch das Produkt“, so Prof. Dr. Hans Reiner Schultz, Präsident der Hochschule Geisenheim, der mit Prof. Dr. Alain Blanchard, Leiter des ISVV, durch die Diskussion führte.
Eines der größten Probleme für die Winzerinnen und Winzer ist in den letzten Jahren der steigende Druck durch neue Schaderreger wie die Kirschessigfliege oder die Amerikanische Rebzikade, die in Frankreich bereits für Schäden sorgt und möglicherweise bald auch in deutschen Weinbergen Einzug halten wird. „Auch altbekannte Schaderreger sind wegen der zunehmenden Schwankungen im Niederschlag immer schwerer zu kontrollieren“, erläuterte Prof. Dr. Annette Reineke, Vizepräsidentin Forschung und Leiterin des Instituts für Phytomedizin der Hochschule Geisenheim. „Das Zeitfenster, in dem die Winzerinnen und Winzer Pflanzenschutz erfolgreich einsetzen können, wird immer kleiner. Wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind deshalb gefordert, effiziente und nachhaltige Strategien zur Schädlingsbekämpfung zu entwickeln und der Branche zugänglich zu machen.“
Eine wichtige Rolle könne dabei die Züchtung spielen, so Dr. François Delmotte vom ISVV: „Indem wir die natürliche Resistenz beziehungsweise Toleranz der Rebe nutzen, können wir den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln künftig deutlich reduzieren. Und schon heute können wir aus über Jahrzehnte gezüchteten und selektierten pilzwiderstandsfähigen Sorten hochwertige Weine produzieren.“ Doch sind neue, resistente Sorten konkurrenzfähig? Die Akzeptanz seitens der Verbraucherinnen und Verbraucher fehle heute zumeist noch, so die Expertinnen und Experten. Sie hoffen aber, dass das Bewusstsein für die Bedeutung von nachhaltiger Produktion künftig zum Umdenken führen wird. Entscheidend dafür seien nicht zuletzt entsprechende Vermarktungsstrategien.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnten in der Diskussion auch vor den zu erwartenden Änderungen in bekannten Produkten. Steigende Temperaturen sorgen für einen höheren Alkoholgehalt im Wein, die Säure dagegen wird reduziert. „Insgesamt wird sich das Aroma der Weine deutlich verändern; wir erwarten, dass der Geschmack verschiedener Sorten uniformer wird“, prognostizierte Prof. Dr. Pierre-Louis Teissedre vom ISVV. Die Änderungen in Klima und Terroir könnten dafür sorgen, dass ein Riesling aus seinen klassischen Anbaugebieten in wenigen Jahren nicht mehr nach Riesling schmeckt; der Champagner aus der Champagne nicht mehr wie ein ebensolcher; der Cabernet Sauvignon aus der Region Aquitaine, zu der auch Bordeaux zählt, künftig sein Profil verliere.
„Die wirtschaftliche Bedeutung des Weinbaus für die EU darf dabei nicht unterschätzt werden“, betonte Prof. Dr. Monika Christmann, Präsidentin der OIV – Organisation Internationale de la Vigne et du Vin und Leiterin des Instituts für Oenologie an der Hochschule Geisenheim. „Die Weinproduzenten, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, aber auch die Politik müssen in allen Teildisziplinen vom Anbau bis zur Vermarktung an gemeinsamen Strategien arbeiten, damit Europa seinen Status als Produzent hochwertiger Weine künftig behaupten kann.“
Notwendig seien dafür, so Dr. Nathalie Ollat vom ISVV, länderübergreifende Kooperationen zur Erforschung der Herausforderungen und Folgen des Klimawandels. „Initiativen wie die BAG-Alliance, ein virtuelles Institut der Universität Bordeaux, des Australian Wine Research Institute in Adelaide und der Hochschule Geisenheim, ermöglichen es uns, weltweit Synergien zu schaffen und wissenschaftliche Erkenntnisse für die Betriebe der Branche nutzbar zu machen.“
Zum Abschluss einer lebhaften Diskussion mit dem Publikum gab Prof. Blanchard den Gästen eine klare Botschaft mit auf den Weg: „Der Weinbau in Europa hat derzeit eine sehr gute Stellung. Das liegt auch an Kooperationen wie der der Hochschule Geisenheim und der Universität Bordeaux. Wir müssen aber – auch mit Unterstützung der EU – hart daran arbeiten, dass das so bleibt. Die länderübergreifende Forschung in Weinbau und Oenologie müssen wir im Angesicht des Klimawandels weiter intensivieren.“
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