Big Data Experte Marcus Dill: Kleine Schnellboote sind besser als große Tanker

CINTONA: Seit 2007 beschäftigen Sie sich mit Analytics? Was hat sich verändert?

Dill: In 2007 waren die meisten Unternehmen noch sehr damit beschäftigt, Berichts- und Data-Warehouse-Applikationen zu erstellen. Projekte im Bereich intelligenter Datenanalyse – was man heute alles unter Data Science fasst – waren damals noch eher in der Minderheit und kosteten viel Überzeugungsarbeit. Heute hingegen ist in vielen Unternehmen nicht nur das Verständnis dafür gereift, was tatsächlich mit Machine Learning, Text Mining & Co. alles möglich ist. Unternehmen haben auch verstanden, dass sie diese Möglichkeiten für sich einsetzen müssen, um nicht von anderen überholt zu werden und unterzugehen. Der massive ökonomisch-gesellschaftliche Wandel ist definitiv in vollem Gange. Das Umfeld für analytische Dienstleistungen wie wir sie bieten, ist heute also ideal.

CINTONA: Wie fügen sich die bereits vorhandenen BI Strukturen in die neue Big Data Welt ein?

Dill: Längst sind Data-Warehouse-Landschaften und Big-Data-Infrastrukturen in vielen Unternehmen zumindest konzeptionell integriert. Auch Data Science macht sich nicht nur die bereits integrierten und qualitätsgesicherten Daten im Data Warehouse zunutze, sondern greift auch auf Visualisierungs- und Analysewerkzeuge aus der klassischen BI-Welt zurück. Umgekehrt werden BI-Tools immer häufiger auch mit intelligenten Komponenten angereichert.

CINTONA: Jetzt suchen je alle händeringend nach Data Scientists. Was ist denn an diesem Profil so besonders?

Dill: Der Markt bietet zurzeit nur sehr wenig erfahrene Data Scientists, dafür aber viele hochmotivierte Absolventen. Der typische Data Scientist ist jung und verfügt über erstklassige Kenntnisse in Mathematik und Statistik einerseits und in Programmierung und geeigneten Analysetechnologien andererseits.
Data Science bietet gerade auch Quereinsteigern mit diesem Hintergrund sehr gute Chancen. So findet man unter Data Scientists auch viele Naturwissenschaftler, Mathematiker und sogar Psychologen oder Volkswirte. Die oft fehlenden, aber in der Projektpraxis erforderlichen betriebswirtschaftlichen oder informationstechnischen Grundlagen lassen sich in der Praxis recht gut nachträglich erwerben.

CINTONA: Speziell Big Data Analysen legen oft überraschende Korrelationen frei, mit denen man so nicht gerechnet hat. Haben Sie Beispiele aus Ihrer Praxis?

Dill: Menschen erkennen nur einfache Zusammenhänge. Daten der realen Welt enthalten aber viele Muster, die zu komplex sind, als dass wir sie überhaupt wahrnehmen würden. Insofern eignen sich die allermeisten „Nuggets“, die man mit intelligenten Algorithmen zu Tage fördert, nicht als griffige Beispiele in Interviews. Gleichwohl sind es dann genau diese Beispiele, die dann medienwirksam sind.
Natürlich gibt es in der Praxis auch in unseren Projekten immer wieder die eine oder andere Erkenntnis zu einfachen Zusammenhängen. Meist aber eher in dem Sinn, dass vermutete einfache Regeln, die zum Teil seit Jahren Grundlage zentraler Geschäftsprozesse sind, durch Datenanalysen als zu grob erkannt oder sogar komplett widerlegt werden. Wir kennen viele solche Beispiele, z.B. im Bereich der Betrugserkennung oder auch hinsichtlich vermeintlicher Wetterabhängigkeiten.

CINTONA: Etablierte Unternehmen tun sich manchmal schwer mit Agilität und Digitalisierung. Zu groß sind die Beharrungskräfte. Was empfehlen Sie Ihren Kunden?

Dill: Tatsächlich sind die Strukturen in Unternehmen oft nicht so agil, dass sich die notwendige Digitalisierung zügig umsetzen lässt. Dies gilt für Prozesse, Systeme, vor allem aber auch die Menschen. Unternehmenslenker, die dies für ihr Unternehmen erkannt haben, gehen oft den Weg, die Digitalisierung auszulagern, z.B. in separate Tochterunternehmen. Dies kann durchaus der richtige Weg sein, um schnell vorwärts zu kommen. Ab einem gewissen Punkt müssen aber auch digitale Lösungen in einen geordneten Betrieb übergehen. Und umgekehrt muss auch der Wandel in den schon länger bestehenden Unternehmensteilen angegangen werden, damit er sich nicht mittel- und langfristig als Hemmschuh erweist.

CINTONA: Im Big Data Umfeld hat sich ein grosser Software-Zoo entwickelt, zahlreiche Startups, unterschiedliche Datenbankkonzepte, interessante Open-Source-Lösungen. Viele Anwender investieren jetzt. Ist das alles nachhaltig?

Dill: Technologien kommen und gehen. Die Umschlagsgeschwindigkeit ist heute höher denn je. Es ist davon auszugehen, dass dies auch noch viele Jahre so bleiben wird, bis einzelne der Technologien sich dann als neuer Standard etabliert haben. Abwarten ist in diesem Kontext aber dennoch keine sinnvolle Strategie. In ein paar Jahren einzusteigen, kann schlicht zu spät sein, da Wettbewerber längst davongezogen sind. Außerdem ist auch der Umgang mit sich häufig wandelnden Technologien ein Aspekt, den Unternehmen erlernen und üben müssen. Für Projekte in diesem dynamischen Umfeld gilt: Kleine Schnellboote sind die bessere Wahl als große Tanker.

CINTONA: Keine Digitalisierung ohne Cloud. Haben Sie Tipps für die passende Lieferantenstrategie?

Dill: Vollkommen richtig: ohne Cloud kann heutzutage die benötigte Flexibilität der IT eigentlich kaum mehr gewährleistet werden. Was die Lieferantenstrategie angeht, empfehle ich meinen Kunden, sich nicht zu stark und nicht zu langfristig in die Abhängigkeit einzelner Plattformen zu begeben. Manches Vertragskonstrukt und manche Lösungsarchitektur kann mittelfristig extrem teuer werden. Hinzu kommt, dass die meisten Plattformen funktional noch reifen. Stand heute lässt sich nur schwer einschätzen, welche sich langfristig als Standard erweisen werden.

CINTONA: Die Liste Ihrer Kunden und Projekte ist beeindruckend, einige der größten Unternehmen sind dabei. Was bietet Mayato eigentlich genau an?

Dill: mayato bietet Lösungen für das Management und die Analyse von großen und komplexen Datenmengen. Dabei setzen wir auf alle Methoden der Data Science von Self-Service BI und Visualisierung bis hin zu Data Mining und Artificial Intelligence. Wir decken dabei nicht nur die Kernarbeiten der Datenanalyse ab, sondern helfen bei Konzeption und Umsetzung von Reporting- und Planungsapplikationen, Data Warehouses, Big-Data-Infrastrukturen und Datenintegrationslösungen, beim Aufbau einer BI & Analytics Governance, von Datenqualitätsmanagement, von Anforderungs-, Projekt- und Testmanagement. Also alles rund um die Datenanalyse aus einer Hand.

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