Unterschätzte Volkskrankheit
„Viele herzkranke Menschen kennen weder die Ursachen der Herzschwäche noch die krankheitstypischen Warnzeichen, mit denen sie sich bemerkbar macht. Besonders sie sind gefährdet, schleichend eine Herzschwäche zu bekommen, der Aufklärungsbedarf ist daher besonders groß“, betont Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Deswegen veranstaltet die Herzstiftung vom 1. bis zum 30. November die bundesweiten Herzwochen unter dem Motto „Das schwache Herz“ mit zahlreichen Infos unter www.herzstiftung.de/herzwochen.html, um die Öffentlichkeit über die Ursachen, Diagnose, Therapie und die Möglichkeiten der Vorbeugung der Herzschwäche zu informieren. Die chronische Herzschwäche führt dazu, dass das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Körper ausreichend mit Blut und damit mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Nicht nur das Herz selbst, auch andere Organe wie Gehirn, Nieren oder Muskeln werden in Mitleidenschaft gezogen. Es kommt zu Beschwerden wie Atemnot, Leistungsschwäche und Flüssigkeitseinlagerungen in den Beinen und Knöcheln (Ödeme). Im fortgeschrittenen Stadium kann die Herzschwäche zu massiven Beschwerden bei den Betroffenen führen, sie beeinträchtigt stark ihren Alltag und bedroht ihr Leben.
Warnzeichen Atemnot und Leistungsschwäche: Sofort zum Arzt!
Viele Betroffene wollen Beschwerden der Herzschwäche wie Atemnot, Abnahme der Leistungsfähigkeit und Wassereinlagerungen in den Beinen, besonders im Unterschenkel, nicht wahrhaben oder schieben diese resigniert auf das Alter. „Die chronische Herzschwäche beginnt zumeist unspektakulär und schleichend mit Atemnot und einer Leistungsabnahme. Man rennt zu Bahn und Bus nicht mehr, weil man schnell außer Atem kommt. Wer unter Atemnot leidet, sollte umgehend zum Arzt, um zu klären, ob es sich um eine Herzkrankheit handelt“, fordert Meinertz. Denn je früher die Herzschwäche erkannt wird, umso eher kann man mit den heutigen Therapiemöglichkeiten die fatale Entwicklung der Krankheit aufhalten oder verlangsamen und Lebensqualität für Patient und Familie sichern. Unterschieden wird zwischen der systolischen Herzschwäche, der Pumpschwäche in der Auswurfphase (Systole) des Herzens, und der diastolischen Herzschwäche. Hier fehlt dem Herzmuskel Elastizität, um genügend Blut aufzunehmen (Füllungsstörung): der Organismus wird nicht ausreichend mit Blut versorgt, selbst wenn die Pumpkraft des Herzens erhalten ist.
Wie stellt der Arzt die Herzschwäche fest?
Besteht beim Hausarzt der geringste Verdacht auf eine Herzschwäche, muss der Patient zum Kardiologen zur genaueren Beurteilung der Herzsituation durch Untersuchungsverfahren wie den Ultraschall (Echokardiographie) – dem wichtigsten Verfahren hierfür–, das EKG, Belastungs-EKG, Röntgen, Katheteruntersuchung oder den Bluttest mit dem Biomarker NT-proBNP, der im Labor eine Überbelastung des Herzens und so eine Herzschwäche anzeigt. Beispiel Bluthochdruck: Hoher Blutdruck führt, wenn er nicht optimal eingestellt ist, durch die chronische Druckbelastung auf das Herz zur Verdickung oder Versteifung des Herzmuskels und dadurch zur diastolischen Herzschwäche. Eine frühe Diagnose ist sehr wichtig. Zur Feststellung der Füllungsstörung ist der Ultraschall ein Standardverfahren.
Entgleisung der Herzschwäche: Was kann der Patient dagegen tun?
Gefürchtet ist eine Entgleisung der Herzschwäche, weil sie häufig zu einer notfallmäßigen Krankenhauseinweisung führt. Zur Entgleisung kann es kommen, z. B. wenn Medikamente nicht richtig eingenommen oder weggelassen werden oder wenn nicht auf einen gesunden Lebensstil durch Gewichtsnormalisierung, maßvolles Ausdauertraining (bei stabiler Herzschwäche), gesunde Ernährung (Mittelmeerküche) und Verzicht auf Rauchen und Alkohol geachtet wird. „Bei der Therapie der Herzschwäche kommt es sehr auf eine aktive Rolle des Patienten an, damit es gar nicht erst zu einer Verschlechterung der Herzkrankheit kommt“, unterstreicht Meinertz. Arzt und Patient müssen gemeinsam den Verlauf der Krankheit aufmerksam verfolgen und auf die bekannten Warnsignale für eine Entgleisung achten, z. B. durch tägliche Gewichtskontrolle bei Tendenz zur Wassereinlagerung: Steigt das Körpergewicht mehr als 2 kg in 3 Tagen an, hat sich die Herzschwäche verschlechtert. Der Hausarzt oder eine Klinik sind umgehend aufzusuchen! Neben der täglichen Aufzeichnung des Körpergewichts in ein Tagebuch sollten auch der Puls und Blutdruck dokumentiert werden.
Therapie der Herzschwäche: Was leistet sie heute?
Ziel der Therapie der Herzschwäche ist es, das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen oder zu verlangsamen, Sterblichkeit und Krankenhausaufenthalte zu verringern und die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern. Vier Vorgehensweisen kommen zur Anwendung:
–Behandlung der Ursachen: Einstellung des Bluthochdrucks, operative oder kathetergestützte Behandlung defekter Herzklappen, Bypassoperation oder Kathetereingriffe, um bei KHK Durchblutungsstörungen zu beheben und die Gefahr eines erneuten Herzinfarkts zu bannen.
–Medikamente: Betablocker schirmen das Herz gegen die Stresshormone ab. ACE-Hemmer und Sartane, ebenso MRAs*, verhindern schädliche Umbauprozesse und steigern die Leistungsfähigkeit des Herzens. Wirken diese Medikamente nicht wie gewünscht, gibt es ein neues Medikament, das zu einer Senkung der Sterblichkeit und Verbesserung der Lebensqualität führt: Sacubitril/Valsartan. Bislang wird den europ. Leitlinien entsprechend Sacubitril/Valsartan nur für Patienten empfohlen, die trotz der Behandlung mit Betablockern, ACE-Hemmern/Sartanen und MRAs noch eine deutlich reduzierte Pumpfunktion (unter 35) und weiterhin Symptome der Herzschwäche aufweisen. Diuretika fördern die Entwässerung des Körpers und entlasten so das Herz. Herzglykoside (Digitalispräparate) werden heutzutage nur in schweren Fällen eingesetzt oder bei Patienten, die zusätzlich Vorhofflimmern mit deutlich zu hohen Herzfrequenzen trotz einer Therapie mit Betablockern haben.
–Bewegung als Therapie: Während früher Schonung bei Herzschwäche angeraten wurde, ist heute Bewegung eine wichtige Therapie. Allerdings muss mit dem Hausarzt/Kardiologen die Belastbarkeit getestet werden. Bei Herzschwäche empfehlen sich körperliche Aktivitäten mit viel Bewegung bei vergleichsweise geringem Kraftaufwand wie Spazierengehen, Wandern, Nordic Walking, Radfahren. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch regelmäßiges Ausdauertraining je nach Intensität und Dauer die Leistungsfähigkeit um 10-25 % verbessern lässt, Krankenhausaufenthalte reduziert und die Sterblichkeit gesenkt werden.
–Spezifische Schrittmacher: Eine Resynchronisationstherapie (CRT) mit speziellen Schrittmachern verbessert die Herzleistung bei Patienten mit einer Störung der Erregungsleitung im Herzen. Defibrillatoren schützen Herzschwächepatienten, die durch eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung (Kammerflimmern) gefährdet sind, vor dem plötzlichen Herztod.
*Mineralkortikoidrezeptorantagonisten
Tipp: Der Ratgeber „Das schwache Herz: Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz heute“ (160 S.) kann kostenfrei unter www.herzstiftung.de/herzschwaeche-therapie
(Tel. 069 955128400, E-Mail: bestellung@herzstiftung.de) angefordert werden. Leicht verständlich informiert der Band über die Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten der Herzschwäche.
Die Herzwochen stehen unter dem Motto „Das schwache Herz“ und richten sich an Patienten, Ärzte und alle, die sich für das Thema Herzschwäche interessieren. An der Aufklärungskampagne beteiligen sich viele tausend Aktionspartner, z. B. Kliniken, niedergel. Kardiologen, Krankenkassen, Gesundheitsämter und Betriebe. Sie organisieren über 1.000 Veranstaltungen wie Vorträge, Seminare, Telefonaktionen, Online-Experten-Chats und Gesundheitstage. Termine können im Internet unter www.herzstiftung.de/herzwochen.html abgerufen, unter Tel. 069 955128-333 erfragt oder der Tagespresse entnommen werden.
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